KSV setzt auf Frauenteam
Entgegen dem Klischee: Gewichtheberinnen wurden gegen männliche Konkurrenz Bezirksliga-Vizemeister

26.03.2024 | Stand 28.03.2024, 14:40 Uhr

Trainer Günther Koller (rechts hinten) ist stolz auf seine Mannschaft, die seit Valentin Ochsenkühns Verletzung als reines Frauenteam antritt. Auch die erste Vorsitzende Heide Effner (vorne rechts) trägt zu guten Ergebnissen bei. Foto: KSV Bavaria Regensburg

Gewichtheben ist ein klischeebehafteter Sport. Ein Besuch einer Trainingseinheit des KSV Bavaria Regensburg schwächt die Vorurteile.

Das Erste, was beim Eintreten in den spartanischen Kraft-Keller – gegenüber des Krankenhauses Barmherzige Brüder – ertönt, ist weder Heavy Metal noch Rock- oder Techno-Musik. Es läuft zarter Pop aus dem Radio. Auch die Aktiven entsprechen nicht dem Klischee. Männer, deren Körper so aufgepumpt sind, dass sie nicht mehr durch den Türrahmen passen, wären erwartbar gewesen. Realität ist allerdings, dass die Gewichtheberinnen und Gewichtheber athletisch aussehen.

Nur eine Sache entspricht der Erwartung: Die männlichen Gewichtheber sind im Training am Dienstagabend in der Überzahl. Aber das ist ungewöhnlich für den KSV.

Die erste Mannschaft bestand in der beendeten Bezirksliga-Saison nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Valentin Ochsenkühn ausschließlich aus Frauen. Sie hoben gegen Männer und waren das einzige Team der Liga, das nur mit Frauen antrat. Meistens auch erfolgreicher als die männlich dominierten Mannschaften.

Stärkerer siegt nicht immer

Eine der Regensburger Erfolgsträgerinnen ist Heide Effner. „Bei den Wettkämpfen zählt nicht nur das gehobene Gewicht“, sagt Effner. Es kommt auf das Zusammenspiel von Körpergewicht und Leistung an. Um sogenannte Relativpunkte zu holen, muss man eine Mindestmasse heben, die an Geschlecht und Körpergewicht angepasst ist. Für jedes Extrakilo über diese Mindestmasse hinaus gibt es einen Relativpunkt. Damit die Sportler nicht durcheinanderkommen, hängt im Kraftraum die offizielle Tabelle des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber. Eine 75 Kilogramm schwere Frau muss beispielsweise mindestens 40 Kilogramm heben, um zu punkten. Gleichschwere Männer müssen 72,5 Kilogramm meistern, um Zähler einzufahren.

Als Effner vor zwei Jahren mit der olympischen Sportart angefangen hat, scheiterte sie zunächst an dieser Grenze. Doch das änderte sich rasch. „Frauen, die gerade erst anfangen, holen schneller Relativpunkte als männliche Anfänger“, sagt Effner. Das liege unter anderem an der Beweglichkeit und dem Körperschwerpunkt. Mittlerweile hebt Effner im Training – bei unserem Besuch sogar beim Aufwärmen – genug Masse, um in der Theorie zu punkten. Im Stoßen ist ihre aktuelle Bestleistung 55 Kilogramm.

Gewichtheben gegen Rückenschmerzen

Die 27-Jährige ist durch Rückenschmerzen während ihres Jurastudiums zum Kraftsport gekommen. „Ich habe mir gedacht, dass ich für Rückenschmerzen mit Anfang 20 echt noch zu jung bin“, sagt Effner. Als Gegenmaßnahme ging sie erst ins Fitnessstudio. Als ihr das zu langweilig wurde, probierte sie olympisches Gewichtheben beim KSV Bavaria aus und fand Gefallen daran. „Ich fand es total faszinierend, wie viele Frauen hier trainiert haben“, sagt Effner.

Sie hält vom Vorurteil, Gewichtheben sei ein von Männern dominierter Sport, nichts. „Ich habe noch keinen Wettkampf gehabt, bei dem ich nur gegen Männer gekämpft habe“, erklärt Effner. Auch ihr Trainer Günther Koller findet das Klischee „total überholt“.

Zu seiner aktiven Zeit sah das noch anders aus. „Als ich angefangen habe, waren nur Männer beim Gewichtheben“, sagt Koller. Er ist vor etwa 50 Jahren zum Gewichtheben gekommen. Der Sport spielte in seinem Leben stets eine große Rolle. Selbst in seinen Beruf hatte er ihn eingebunden. Als Justizvollzugsbeamter gab er für Häftlinge Training im Gewichtheben. Durch den Bodybuilding-Trend vor circa 20 Jahren, ist olympisches Gewichtheben laut Koller beliebter bei Frauen geworden. „Als vom deutschen Gewichtheber Verband das System mit den Relativpunkten eingeführt wurde, kamen immer mehr Frauen zum Gewichtheben“, sagt der 66-Jährige.

Große Pläne sind in Arbeit

Zukünftig will Effner, die vorletzte Woche zur ersten Vorsitzenden des KSV Bavaria gewählt wurde, mit ihrem Team den Weg in die Bayernliga schaffen. Dafür brauche es aber noch ein bis zwei Heberinnen, oder Heber, die den Kader verstärken. „Wir haben jetzt schon ein wirklich gutes Team zusammen“, sagt Effner. „Wenn wir in der Bayernliga starten, wollen wir aber in jedem Duell um den Sieg mitheben.“