Mittendrin im Happy End
Wie Audi-Motorsportler Gabriel Foddis aus Ingolstadt den Triumph bei der Rallye Dakar erlebte

04.03.2024 | Stand 04.03.2024, 20:06 Uhr

Im dritten Jahr doch noch der historische Gesamtsieg für Audi Sport mit seinem alternativen Antrieb. Der gebürtige Schanzer Gabriel Foddis (vorne 2. von rechts) zeigte mit seinen Kollegen in der saudischen Wüste, aus welchem Landstrich das Siegerauto stammt. Fotos: Audi

An diesem Mittwoch kommt das Dakar-Siegerteam von Audi mit allen Fahrern und dem Audi RS Q e-tron zur großen Triumphfahrt ins Ingolstädter Werk. Der langjährige Audi-Motorsportler und gebürtige Schanzer Gabriel Foddis erlebte den historischen Erfolg – als erster Hersteller mit einem alternativen Antrieb – bei der legendären Wüstenrallye hautnah mit.



Man sieht es ihm zwar nicht ganz an, aber Gabriel Foddis schwebt derzeit noch eher durch die Gegend, als dass er gehen würde. Das Hochgefühl trägt der gebürtige Schanzer, inzwischen ein Wahl-Großmehringer, nun schon seit ein paar Wochen in sich. Seit ein gewisser Carlos Sainz mit seinem Navigator Lucas Cruz den Hybrid-Rennwagen Audi RS Q e-tron ins Ziel der Rallye Dakar steuerte – und Foddis’ Arbeitgeber damit den Sieg bei der legendären Wüsten-Rallye sicherte, mit einem Fahrzeug mit alternativem Antrieb dazu.

Bibbern mit Carlos Sainz: „Wir haben gezittert bis zum Ende“



Diesen 19. Januar wird Foddis sicher nie vergessen. Der Elektrofachmann aus Ingolstadt war ja bei dem historischen Ereignis in der ersten Reihe dabei, als Crewmitglied von Audi Sport für den Hybrid-Renner von Sainz. „Wir haben gezittert bis zum Ende“, erzählt der 58-Jährige von der zwölften und letzten Etappe in Saudi-Arabien. Letztlich mussten Sainz/Cruz nur irgendwie ankommen, im Zielort Yanbu über die Zielrampe fahren. Der Vorsprung auf den schärfsten Verfolger Sébastien Loeb („Was hat der uns für einen Kampf geliefert“) musste doch reichen. „Dann hörten wir: Eines unserer Autos steht“, ist Foddis in seinen Schilderungen plötzlich wieder mittendrin im Renngeschehen. Aus dem Audi-Fahrertrio Sainz, Mattias Ekström und Stéphane Peterhansel hatte es Letzteren mit einem Defekt auf den finalen Kilometern erwischt. „Auch wenn sich das falsch anhört, aber da haben wir schon erleichtert aufgeatmet“, gibt Foddis offen zu. Natürlich fieberte er wie noch nie mit Sainz, mit dem er vom ersten Tag an zusammengearbeitet hatte. Die Anspannung schlug am Finaltag vollends in Euphorie um, als der Spanier wohlbehalten über die Ziellinie rollte. „Dass unser Auto gewinnt“, sagt Foddis über sein Team im großen Audi-Team, „das ist dann natürlich die Krönung.“

„Ich vergleiche den Dakar-Sieg mit dem ersten Erfolg in Le Mans“



Hinter ihm und dem Rest der ganzen Audi-Mannschaft lagen zu diesem Zeitpunkt drei hochintensive Jahre mit Mut, Hoffnungen, Arbeit, Rückschlägen – und nun dem Happy End. „Ich vergleiche den Dakar-Sieg mit dem ersten Erfolg in Le Mans“, sagt Foddis. „Das waren Quantensprünge.“ Mehr als 35 seiner 58 Lebensjahre hat er bei Audi Sport verbracht, „und dabei jede Rennserie mitgemacht“. Just nach dem Ende der glorreichen Rallye-Zeit, als Audi in den 1980ern mit seinen feuerspuckenden Quattros zu einer Hersteller-Ikone geworden war, stieß er als junger Mann damals dazu. Danach war Foddis bei allen Motorsport-Ereignissen immer dabei, baute die Autos auf; von der DTM bis zu dem Langstreckenklassiker schlechthin – „eine ganz besondere Zeit“, sagt er über Le Mans. Im emotionalen Überschwang nach dem Triumph beim 24-Stunden-Rennen bat der Audianer sogar seine damalige Freundin nach Paris zu kommen – und machte ihr auf dem Eiffelturm einen Heiratsantrag; nach der Herzensangelegenheit der Treffer ins Herz.

Schon immer von der Rallye Paris-Dakar begeistert



„Die Le-Mans-Autos waren schon Raumschiffe auf der Straße“, findet Foddis. „Aber das hier ist ein Raumschiff und ein Panzer“, ergänzt er und lacht. Audi bei der Wüsten-Rallye? Als der Plan im Konzern konkreter wurde, war der glühende Audianer als großer Dakar-Fan noch ein wenig angezündeter als sonst schon in seinem Job. „Du musst dafür brennen. Das hat uns bei Audi auch immer ausgemacht, die Leidenschaft, das Herz, dieser Geist.“ Für das Arbeiten am körperlichen Limit, in den unzähligen Stunden an der Rundstrecke, hetzend von einem DTM-Renntermin zum nächsten in einer Saison.

Oder zuletzt eben im völlig neuen Umfeld: in der Wüste, wortwörtlich im Dreck; und das an einem Auto mit elektrischem Antrieb im komplexesten Fahrzeug, das Audi Sport jemals aufgebaut hat. Dazu noch in Rekordzeit, „ein wahnsinniger Job der Programmierer“, sagt Elektroniker Foddis. Für ihn und die anderen waren es bei den drei Dakar-Teilnahmen weit wehr als nur die zwei Wochen Renneinsatz, die alleine schon extrem fordernd sind. Schrauben und Tüfteln jeden Tag im Freien meist bis nach Mitternacht, dann rein ins Dachzelt bis zum Morgengrauen, wieder raus und das Auto für die Etappen vorbereiten. Hoffen, dass es erstens erfolgreich ist und zudem heil zurückkommt, sonst steht noch viel mehr Arbeit an. „Das erste Jahr war ein Abenteuer, das zweite schlimm mit schrecklichem Wetter und den vielen Ausfällen“, sagt Foddis, der 2023 auch einen seiner „bittersten Tage überhaupt in meiner Karriere“ erlebte: Als Peterhansel verunfallte und auch Sainz crashte, „sein“ Auto massiv angeknackst war. „Aufgeben gibt es bei uns nicht, gab es nie. Aber da war einfach nichts mehr zu machen. Das war extrem bitter“, sagt Foddis.

Mit Dakar-Legende Stéphane Peterhansel in Sardinien



Auch für Peterhansel tat es ihm sehr leid, einen seiner Motorsport-Helden, immerhin 14-facher Dakar-Sieger. „Ich habe früher immer zugeschaut, als es noch die Paris-Dakar war und durch Afrika ging“, sagt Foddis, für den sich mit dem Dakar-Engagement von Audi ein Traum erfüllte. Nicht nur dieser: Mit der lebenden Legende Peterhansel durfte er im RS Q e-tron auch einige Runden drehen. Und das bei einer Veranstaltung auf Sardinien, der Heimat seines Vaters, der mit vor Ort war. „Auch das werde ich nie vergessen.“ Foddis sog so viele Emotionen auf, wie es überhaupt nur ging. Denn das Happy End beim Dakar-„Projekt“, wie sie bei Audi sagen, fällt in eine Phase des gewaltigen Umbruchs für die Motorsportler des Herstellers. Aus der DTM ist man raus, aus der Formel E ebenso, nur noch der „Kundensport“ wird werksseitig unterstützt, die dort genutzten Audi R8 sehen dem Ende des Produktionszyklus entgegen. Nun also auch das letzte Mal Wüsten-Rallye. „Das war der Abschluss, der letzte Sieg für Audi Sport, das macht es für mich noch einmal so speziell“, blickt Foddis wehmütig zurück.

Triumphfahrt im Audi-Werk in Ingolstadt



Für den Formel-1-Einstieg 2026 werden alle Kräfte im Konzern gebündelt, aber eben nicht mehr unter dem Dach von Audi Sport. Foddis wird den Sprung in die Motorsport-Königsklasse freiwillig nur mehr als Zuschauer miterleben. Irgendwann sei es auch mal gut mit der Reiserei. „Man wird ja nicht jünger“, sagt er lachend. Die Momente an der Seite des nicht minder legendären Carlos Sainz bleiben ihm: „Ein Edelmann, ein Gentleman – und ein Champion“, sagt Foddis.

An diesem Mittwoch wird der Dakar-Triumph bei Audi noch einmal gefeiert – mit Triumphfahrt der drei Fahrercrews durchs Ingolstädter Werk. Wie lange Gabriel Foddis darüber hinaus noch schweben statt gehen wird, steht in den Sternen.

DK