Central European Rally im Dreiländereck
Volle Power aus Bayern: Hybrid-Antrieb in der Rallye-WM stammt von Ingenieuren aus dem Freistaat

25.10.2023 | Stand 25.10.2023, 12:35 Uhr

Fossilfreie Kraftstoffe und Hybrid-Antrieb: Die Rallye-WM hat einige Schritte zur Nachhaltigkeit unternommen. Exklusiver Lieferant des Systems aus Elektromotor, Steuerungseinheit und Batterie ist die Schaeffler-Tochterfirma Compact Dynamics. Fotos: Imago Images, Compact Dynamics/Rehberger

Wenn die Rallye-Boliden in den kommenden Tagen beim vorletzten WM-Lauf des Jahres erstmals überhaupt durch Böhmen, den Mühlkreis und den Bayerischen Wald donnern, dann steckt auch jede Menge bayerische Ingenieurskunst unter den Motorhauben der Toyotas, Hyundais und Fords.



Die Königsklasse der WRC (World Rally Championship) ist seit 2022 im Hybrid-Zeitalter angekommen. Die drei teilnehmenden Autohersteller haben zu ihren 1,6-Liter-Turbo-Verbrennungsmotoren mit 386 PS ein System für 100 kW (136 PS) zusätzliche Power eingebaut. Und der exklusive Serienlieferant des Pakets kommt sogar aus dem Freistaat: Compact Dynamics in Starnberg.

Die 100-prozentige Tochterfirma des Branchengiganten Schaeffler ist spezialisiert auf Elektroantriebe und seit vielen Jahren in der Motorsportwelt zu Hause. Am Standort Starnberg gibt es quasi alles aus einer Hand. Als Lieferant des technischen Partners Bosch war das Unternehmen schon an Audis LMP1-Triumphen in der WEC-Serie, besonders beim Langstreckenklassiker in Le Mans beteiligt, entwickelte unter anderem das komplette Vorderachsensystem für die Ingolstädter. Als Audi Sport mit Schaeffler und dem Allgäuer Rennstall Abt die neue Formel E eroberte, war Compact Dynamics auch in vorderster Entwicklerfront dabei. „Rennsport ist aber kein Selbstzweck“, erklärt Geschäftsführer Oliver Blamberger die Philosophie „Race to Road“ – die Innovation mit dem speziellen Einsatzgebiet im Motorsport soll möglichst eine Entwicklung für die Serienproduktion der Automobilindustrie abwerfen.

Exklusivvertrag mit der Fia wird um zwei Jahre verlängert



„Deutschland steht im Wettbewerb mit der weltweiten Konkurrenz, da müssen wir jede Chance ergreifen, unsere deutschen Innovationen zu testen und zu präsentieren“, sagt Blamberger. Als der Motorsportweltverband Fia die Nachhaltigkeit der Rallye-WM mit Elektromobilität und fossilfreien Treibstoffen vorantreiben wollte, warf auch Compact Dynamics den Hut in den Ring – und sicherte sich gegen teils viel größere Mitbewerber den Exklusivauftrag für die Hybrid-Systeme der bei der Fia sogar als die Nummer zwei hinter der Formel 1 rangierenden WRC. „Erstmals sind wir für eine ganze Rennserie verantwortlich“, sagt Blamberger. Der Chef ist wie seine vergleichsweise kleine Mannschaft in dem 90-Mitarbeiter-Betrieb extrem stolz darauf, den Zuschlag bekommen zu haben – und zudem unter dem im Motorsport immer herrschenden Termindruck (dazu mitten in der Corona-Krise) abgeliefert zu haben. Die ursprüngliche Laufzeit von drei Jahren (Saisons 2022, 2023 und 2024) wurde inzwischen um zwei Jahre bis Ende 2026 verlängert. Die drei Teams mit den Fahrzeugen des „Rally1“-Reglements haben ihre Bestellungen für diesen Zeitraum schon abgegeben.

Toyota, Hyundai und Ford bauen das Hybrid-System selbst ein

Wobei Compact Dynamics der Lieferant des ganzen Systems ist, den Einbau in ihre Yaris-, i20- und Puma-Modelle übernehmen und verantworten Toyota, Hyundai und Ford selbst; auch was den Schutz vor Erschütterungen betrifft. Drei Servicetechniker der Oberbayern sind aber bei allen Rennen weltweit vor Ort und bei jeweils einem Autohersteller eingesetzt.

„Das Hybrid-System läuft im Großen und Ganzen sehr stabil“, resümiert Blamberger kurz vor dem Ende der zweiten vollen Saison. Er weiß aber natürlich, dass sich an der unscheinbaren schwarzen Kiste weiterhin die Geister scheiden. Bei den Motorsport-Puristen unter den Fans und in den Medien wie auch den Teams im Zwiespalt zwischen der Kostenfrage, Zukunftsorientierung und WM-Chancen gleichermaßen. Im heißen Meisterschaftskampf um Zehntelsekunden wird gerade im Fahrerlager und bei den Teamverantwortlichen schnell einmal der Zeigefinger ausgerichtet, sollte etwas schief gehen. „Es ist ein sehr komplexes System – und ein komplexer Sachverhalt“, sagt Geschäftsführer Blamberger auch mit Blick auf die Batterien, die sein Unternehmen von Kreisel Electric im Mühlkreis/Oberösterreich bezieht. Die Fia hat Regularien aufgesetzt, was das System aushalten können muss. Aber allzu heftige Erschütterungen wie bei krassen Sprüngen können trotzdem zum Ausfall führen, wenn das „Shocklevel“ überschritten wird. Blamberger kennt die Diskussionen. Er bitte, so sagt er, um nichts weiter als „Fairness“.

Kalle Rovanperä kann in Passau die Titelverteidigung fix machen



Die Rallye-Weltmeisterschaft wird, so viel ist auch in der Hybrid-Ära zu sehen, ohnehin weiter am Lenkrad entschieden. Und das finnische Wunderkind Kalle Rovanperä (23/Toyota Yaris) kann als Titelverteidiger an diesem Wochenende bereits seinen zweiten Weltmeistertitel perfekt machen. Die letzte Wertungsprüfung, die sogenannte Power Stage, führt dabei übrigens an der deutsch-österreichischen Grenze nach Breitenberg ins „Neue Land“. Dort ist die WRC angekommen – auch dank deutschem Know-how.