Interview mit dem Tennis-Bundestrainer
„Sascha wird sich ersten Grand-Slam-Titel erspielen“: Davis-Cup-Kapitän Kohlmann ist sich bei Zverev sicher

27.03.2024 | Stand 27.03.2024, 13:00 Uhr

„Für ihn kommt jetzt das beste Tennisalter“: Ex-Profi Michael Kohlmann will als Davis-Cup-Chef mit Olympiasieger Alexander Zverev die begehrte Trophäe des Mannschaftswettbewerbs nach 31 Jahren wieder nach Deutschland bringen. Foto: Imago Images

Seit neun Jahren ist Michael Kohlmann der Teamchef der deutschen Davis-Cup-Mannschaft. Im Interview spricht der 50-jährige Chef-Bundestrainer und ehemalige Profi über die Nachwuchssituation im deutschen Tennis, gemeinsame Davis-Cup-Wochen mit den Aktiven – und darüber, was er dem deutschen Team und der deutschen Nummer eins Alexander Zverev noch so alles zutraut.

Herr Kohlmann, Sie haben kürzlich am Herren-Bundesstützpunkt in Oberhaching wieder die TennisBase besucht, wo eine Turnierwoche auf die andere folgte. Warum sind diese Termine dem Deutschen Tennis-Bund so wichtig?
Michael Kohlmann: Wir wollen die Turnierlandschaft in Deutschland ausbauen, um mehr Kinder und Jugendliche für Tennis zu begeistern. Je mehr von ihnen den Schritt wagen, Tennis professionell zu betreiben, desto größer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende einige den Durchbruch schaffen und auch oben bleiben.

Was ist aus Ihrer Sicht dafür entscheidend?
Kohlmann: Harte Arbeit und Durchhaltevermögen, über einen längeren Zeitraum konstant zu spielen. Man braucht aber auch ein gewisses Startkapital, einen Förderer, einen Sponsor. Und das geht einher mit einer gut ausgebauten Turnierlandschaft in Deutschland. Man kann auch noch im fortgeschrittenen Tennisalter den Schritt schaffen und sich in den Top 100 etablieren. Da haben wir in Deutschland gerade genügend gute Beispiele, die jetzt im Davis-Cup-Team dabei sind, in der Jugend aber nicht ganz vorne dabei waren.

Sie spielen auf Jan-Lennard Struff, Yannick Hanfmann und Dominik Koepfer an, die sich erfreulicherweise etabliert haben. Sie sind fast 30 oder drüber. Wo bleibt der Nachwuchs?
Kohlmann: Derzeit haben wir sechs Spieler in den Top 100. Verglichen mit den vergangenen Jahren ist das schon sehr gut, finde ich. Allerdings haben wir aktuell von 100 bis etwa 250 leider eine Lücke, die uns auch beim DTB nicht freut. Ab 250 aufwärts haben wir wieder viele Spieler, auch viele Jüngere um die 20, die wir jetzt mit ihren Individualtrainern in die nächste Region hieven wollen – das ist auch unser Anspruch. Aber das geht natürlich nicht von einem Monat auf den anderen.

Mehr dazu lesen Sie im Interview mit Spieler Yannick Hanfmann

Und wie schaut es dahinter im Nachwuchsbereich aus?
Kohlmann: Da sind wir gut aufgestellt. Mittel- und langfristig muss es unser Ziel sein, dass heutige Teenager in die Fußstapfen unserer aktuellen Spitzenspieler treten. Da bin ich im Moment schon optimistisch, weil wir eine sehr, sehr gute Breite haben genauso wie eine gute Spitze. Beides ist immens wichtig.

Sprechen wir über den Davis-Cup. Deutschland mit Ihnen hat im Februar gegen Ungarn (3:2) die erste Hürde genommen und die Zwischenrunde im September erreicht. Bis dahin ist es noch eine Weile. Wie ist Ihr persönlicher Kontakt zu den Spielern in der Davis-Cup-freien Zeit?
Kohlmann: Ich habe natürlich das ganze Jahr über Kontakt zu ihnen und zu ihren Trainern. So kennt man den Turnierkalender, die aktuelle Form, was gut, was weniger gut läuft.

Um wie viele Spieler geht es?
Kohlmann: Im Fußball sind es wahrscheinlich bis zu 100 Leute, die sich Hoffnungen auf einen Platz in der Nationalmannschaft machen. Im Tennis mit seinen fünf Plätzen reden wir über einen erweiterten Kader von zehn, zwölf Spielern.

Wie sieht dann eine Davis-Cup-Woche für gewöhnlich aus?
Kohlmann: In erster Linie geht es darum, eine gute Atmosphäre zu schaffen und das Teamgefühl zu stärken. Allein schon deshalb, weil die Spieler das ganze Jahr über so etwas wie Einzelunternehmer sind.

Welche Rolle spielt die Weltranglistenposition bei Ihrer Auswahl?
Kohlmann: Das individuelle Ranking ist immer ein Thema, weil es sich um eine 52-Wochen-Rangliste handelt und man damit einen guten Überblick hat. Zweitens schaut man auf die aktuelle Form wie zum Beispiel gegen Ungarn, wo wir Dominik Koepfer dabei hatten, der zwar in der Rangliste hinter Daniel Altmaier und Yannick Hanfmann war, aber in Australien extrem gut gespielt und mir sehr gut gefallen hatte. Drittens spielt im Einzel der Belag eine Rolle; manchmal, eher aber selten, auch der Gegner. Im Doppel hofft man natürlich, dass man ein eingespieltes ATP-Tour-Doppel hat wie jetzt mit Kevin Krawietz und Tim Pütz.

Mit dem Erreichen der Zwischenrunde hat sich das deutsche Team um vier Plätze auf Rang vier der Nationenwertung verbessert. Mit Alexander Zverev könnte es bis ins Halbfinale oder Finale gehen. Wird er im September bei der Gruppenphase wieder dabei sein?
Kohlmann: Kurz vor dem Laver-Cup hat Sascha gesagt, dass er – wenn er nominiert wird – auf jeden Fall im September dabei sein wird, was ich natürlich sehr gut finde. Ich glaube, dass es für Sascha, und das hat er auch immer gesagt, ein großes Ziel ist, einmal den Davis-Cup zu gewinnen. Und das verfolgen wir alle, jetzt seit 31 Jahren.

Nach seiner langen Verletzungspause steht Zverev wieder auf Platz fünf der ATP-Weltrangliste. Glauben Sie, dass er sich dauerhaft dort positionieren kann?
Kohlmann: Auf jeden Fall. Saschas Qualität gibt es her. Und er hat es nach seiner Verletzung unfassbar schnell wieder hinbekommen, in die Weltspitze zurückzukommen. Jetzt wird er im April dann auch erst 27, für ihn kommt jetzt das beste Tennisalter. Deshalb wird er bei jedem Grand Slam zum erweiterten Favoritenkreis zählen und sich auch irgendwann seinen ersten Grand-Slam-Titel erspielen.

DK