Sainz auf eins
Rallye Dakar: Audi-Piloten Sainz und Ekström führen Wüstenklassiker zur Halbzeit an

12.01.2024 | Stand 12.01.2024, 16:21 Uhr

Teils 250 Meter hohe Dünen: Im endlosen Sand des so genannten Empty Quarter behielten die Audi-Piloten Carlos Sainz und Mattias Ekström auf der Königsetappe der 46. Rallye Dakar den Durchblick. Foto: Imago Images

War das tatsächlich schon die Vorentscheidung? Dann hätte es kaum eine bessere Bühne bei der Rallye Dakar gegeben als diese 48-stündige Königsetappe von Donnerstag auf Freitag. Danach liegen gleich zwei Audis zur Halbzeit des Wüstenklassikers in Saudi-Arabien in der Gesamtwertung vorne und lassen die Ingolstädter vom großen Triumph ihres Hybridrennwagens RS Q e-tron gegen die Verbrenner-Konkurrenz träumen. Die Audi-Werkteams Carlos Sainz/Lucas Cruz sowie Mattias Ekström/Emil Bergkvist nutzten genau jene zweigeteilte Spezialetappe, um sich auf dem sechsten von insgesamt zwölf Abschnitt der Rallye an die Spitze des Feldes zu katapultieren.

Audi-Konkurrenten lassen Federn
Zwei ihrer größten Konkurrenten verschluckte die riesige Wüste dagegen regelrecht. Top-Favorit Nasser Al-Attiyah (Prodrive Hunter) verlor am Freitag nach einem Unfall insgesamt über 2:45 Stunden auf Sainz. Der Katarer muss damit ziemlich sicher alle Hoffnungen auf seinen dritten Dakar-Sieg in Serie begraben. Ganz raus aus dem Rennen um die Krone ist bereits seit Donnerstag der bis dahin Gesamtführende Yazeed Al-Rajhi (Saudi-Arabien) mit seinem Beifahrer Timo Gottschalk aus Berlin, die sich mit ihrem Toyota Hilux an einer Sandwelle gleich mehrfach überschlugen. Der japanische Pick-up war völlig zerstört.
Die 600 Wertungskilometer im endlosen Sand mit teils 250 Meter hohen Dünen des so genannten Empty Quarter hatten es wirklich in sich für die Fahrer. Die Nacht auf Freitag verbrachten sie in Wurfzelten in provisorischen Camps mit Lagerfeueratmosphäre mitten im Nichts. Ihr Abendessen (wie Kartoffelsuppe oder auch Bohnen mit Tomatensoße) mussten sie sich aus einer Art Militärration selbst kochen. Auch an ihren Fahrzeugen schraubten die Crews ohne Unterstützung der vielen Mechaniker, die sich sonst im zentralen Biwak um alles kümmern. Als der Rallye-Tross am Freitag im Morgengrauen auf dem Rückweg in die Zivilisation rollte, hatte Audi-Leitwolf Sainz sich mit einer taktischen Meisterleitung einen Vorsprung von mehr als 20 Minuten auf seinen schwedischen Teamkollegen Ekström herausgefahren.

Loeb bleibt an Audi dran
Nur der einzig verbliebene Top-Konkurrent der Audianer, Rallye-Legende Sébastien Loeb, war auf der Königsetappe noch etwas schneller als Wüsten-Veteran Sainz und schnappte ihm den Tagessieg weg. Nach 7:21:56 Stunden Fahrzeit aber auch nur um schmale 2:01 Minuten. Der neunfache Weltmeister aus dem Elsass steuerte seinen Hunter der britischen Sportwagenschmiede Prodrive noch etwas energischer als der Spanier durch die Dünen, da der dreifache Dakar-Zweite auf der Jagd nach dem heiß ersehnten Premierenerfolg viel Zeit aufholen muss: auch eine Folge der Taktikspielchen der fünften Etappe am Mittwoch, wo sich Loeb, Sainz und ein paar andere auf einen gewagten Versuch eingelassen hatten: Sie verloren auf dem relativ kurzen Tagesabschnitt (116 Wertungskilometer) freiwillig Zeit, hielten dafür mitten auf der Strecke an oder verpassten wie Loeb beim Navigieren absichtlich einen zu passierenden Wegpunkt, was für ihn 15 Strafminuten bedeuteten.
So verschafften sich die Taktikfüchse eine spätere Startzeit für die Marathonrunde von Donnerstag auf Freitag, da die jeweils nächste Etappe bei der Dakar immer im Einlauf des Vortages gestartet wird. Der Etappensieger wird also als Erster auf den neuen Abschnitt geschickt: in diesem Fall Al-Attiyah, dem ein beispielloses Gespür für Sand nachgesagt wird, auch am Steuer eines Autos. Aber selbst für den erfahrenen Titelverteidiger war diese Aufgabe zu viel. Durch das Spurenlegen im unberührten Sand büßte der Katarer schon am Donnerstag ein. Am Freitag folgte ein Desaster, als an seinem Hunter eine Aufhängung brach und es überhaupt nur mithilfe des Servicetrucks weiterging. Der Rückstand auf die Spitze ist gewaltig, die Mission fast aussichtslos.
Das gilt allerdings auch für den dritten Audi-Werksfahrer Stéphane Peterhansel und Beifahrer Edouard Boulanger, die auf der Marathonrunde sogar über drei Stunden auf die Führenden verloren. Bei einem harten Aufschlag am Donnerstag ging ihnen das hintere linke Rad kaputt. Die Reparatur ohne das passende Werkzeug gestaltete sich für „Mr. Dakar“ und seinen treuen Navigator schwierig, letztlich konnten die beiden Franzosen aber weiterfahren und kamen im Etappenziel an.
Dort wurden Sainz und Ekström vom Audi-Lager gefeiert - sowohl für ihre voll aufgegangene Taktik als auch für beherzte Ritte mit ihren elektrisch angetriebenen Prototypen über die Dünen. Es ist noch ein weiter Weg von der saudischen Hauptstadt Riad, wo an diesem Samstag beim Ruhetag die Akkus im wahrsten Wortsinn aufgeladen werden, bis ins Ziel am Roten Meer. Konkurrent Loeb wird auf Platz drei liegend mit doch nur 29:31 Minuten Rückstand auf Sainz weiterhin Gas geben.