Löwen werfen Coach raus
Trainer-Beben bei 1860: Michael Köllner muss gehen – doch die Probleme bleiben

31.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:16 Uhr

Rauswurf bei 1860: Michael Köllner. −Foto: dpa

Trainer-Beben beim TSV 1860 München. Wie der Verein am Dienstagmorgen mitteilte, ist Michael Köllner mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden worden. Sportdirektor Günther Gorenzel und der bisherige Co-Trainer Stefan Reisinger, gebürtiger Landshuter und ehemaliger Stürmer von Wacker Burghausen, übernehmen interimsmäßig.

Nach nur einem Sieg aus den vergangenen sieben Spielen sehen die Verantwortlichen „die Saisonziele akut gefährdet“, wie Gorenzel in einer Vereinsmitteilung sagt. Am Montagabend hatte der ambitionierte Drittligist 1:2 gegen Dresden verloren und die Aufstiegsränge damit aus den Augen verloren (drei Punkte Rückstand auf Platz 3, sieben auf Platz 2).

Gegen die Sachsen hatten die Löwen nach starkem Beginn und früher Führung ein Muster erkennen lassen, das sich schon vor der langen Winterpause abzeichnete und auch nach Jahreswechsel fortsetzte. Mit teils fahrigem Verhalten und schwer zu erklärendem Leistungsabfall mit zunehmender Spieldauer warf der TSV die nächsten Punkte weg. Eine Negativentwicklung, die vereinsintern schon länger kritisch beäugt und eng mit Köllner verbunden wurde.

Vor zwei Wochen hatte Ismaik einen Rauswurf noch verhindert



Weil Investor Hasan Ismaik dem Oberpfälzer aber nach der Jahresauftakt-Niederlage bei Waldhof Mannheim (1:3) das Vertrauen ausgesprochen hatte, war dieser um eine Beurlaubung noch herumgekommen. Dem Vernehmen nach gab es aber in der sportlichen Führungsetage schon damals ernsthafte Bestrebungen, frischen Wind auf die Trainerbank zu bringen.

In der Vereinsmitteilung von Dienstagmorgen heißt es nun zwar, man habe sich „schweren Herzens entschieden, Michael Köllner von seinen Aufgaben als Cheftrainer des TSV 1860 München mit sofortiger Wirkung freizustellen“ – doch die Beurlaubung ist nur die unausweichliche Konsequenz der Entwicklung der letzten Wochen.

In großen Teilen des Fanlagers hatte Köllner seinen Kredit bereits zuvor verspielt. Immer wieder äußerte er sich kontrovers zu vereinspolitischen Themen, lehnte sich mehr oder weniger subtil mit öffentlichen Aussagen gegen das Präsidium auf, verteidigte in einem Interview die Austragung der WM in Katar. Vor der Abreise aus dem Trainingslager im türkischen Belek zählte er darüber hinaus öffentlich seine Mannschaft an, indem er den Aufstieg von der Verpflichtung eines Achters abhängig machte. In Raphael Holzhauser (29) bekam er diesen dann auch, der Erfolg stellte sich mit dem bundesligaerfahrenen Österreicher aber auch nicht ein.

„Muster treten immer wieder zum Vorschein“



„Wir haben die Gesamtentwicklung intensiv analysiert und diskutiert. Trotz vieler Gespräche und gemeinsamer Aufarbeitung von Problemfeldern hat sich die gewünschte Entwicklung der Mannschaft nicht eingestellt“, wird Sportchef Gorenzel, dessen Verhältnis zu Köllner zuletzt starke Risse bekommen hat, in der Mitteilung zitiert. „Muster, die bereits vor der zweimonatigen Winterpause zu erkennen waren, treten immer wieder zum Vorschein.“

Nun will Gorenzel als Inhaber der Fußballlehrer-Lizenz selbst diese Muster durchbrechen. Ex-Stürmer Stefan Reisinger soll ihn dabei unterstützen und dem vorerst in Doppelfunktion agierenden Sportchef den Rücken freihalten. Ganz einfach wird das für den Niederbayern auch nicht. Er absolviert derzeit den Trainerschein-Lehrgang beim DFB und ist immer wieder für mehrere Tage nicht an der Grünwalder Straße.

So dürften sich die Löwen-Verantwortlichen um Gorenzel und Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer um eine baldige Besetzung des vakanten Cheftrainer-Postens bemühen. Der Zeitpunkt der Entlassung von Michael Köllner dürfte dabei möglicherweise nicht zufällig auf den 31. Januar, den Tag der Schließung des Transferfensters, gefallen sein.

Der TSV hat eigentlich kein Geld für zwei Trainer auf der Gehaltsliste



Denn die Hauptfrage ist: Kann sich der TSV überhaupt einen neuen Trainer leisten. Köllners Gehalt muss freilich bis Saisonende weiterbezahlt werden. Mit der Verpflichtung von Holzhauser ist das letzte verfügbare Kapital gebunden worden. Heißt: Sechzig muss Geld generieren bzw. Spieler von der Gehaltsliste bekommen – und hat nun zumindest noch ein paar Stunden Zeit, dies zu tun. Mit Quirin Moll, dem Passauer Marius Willsch und Lorenz Knöferl stehen drei Spieler zum Verkauf. Aber eben nur bis zum Abend.

In der Mitteilung des Vereins wird der finanzielle Engpass, der die Trainersuche erschweren könnte, sogar erwähnt: Gorenzel und Reisinger würden das Team „solange leiten, bis auf Grundlage der wirtschaftlichen Möglichkeiten während der laufenden Spielzeit eine dauerhafte Lösung auf der Cheftrainerposition präsentiert werden kann.“

So kann über mögliche Nachfolger bisher nur spekuliert werden. Die „Bild“ brachte unmittelbar nach dem Ende des Spiels gegen Dynamo Dresden den Namen Torsten Fink ins Spiel. Der langjährige Spieler des FC Bayern dürfte im Löwen-Lager aber schwer zu verkaufen sein.