Die Fußballbühne vermisst er kaum
Neuanfang nach 13 Profi-Jahren: Ex-Löwe Marius Willsch ist glücklich im normalen Leben

10.02.2024 | Stand 10.02.2024, 16:47 Uhr

Die Löwen im Herzen: Marius Willsch verfolgt nach seinem Abschied vom TSV 1860 München zwar noch das Profigeschehen, fühlt sich aber schon lange nicht mehr zugehörig.  − F.: Imago-images

Das Leben ohne Profifußball ist noch jung. „Aber mir kommt es so vor, als sei ich schon eine Ewigkeit raus“, sagt Marius Willsch. Im Sommer hat der 32-Jährige zum letzten Mal das Trikot beim TSV 1860 München ausgezogen, die lange Karriere beendet.

Heute, etwas mehr als ein halbes Jahr später, sitzt er gerade in einem Versicherungsbüro in Pocking, als ihn die Heimatzeitung am Telefon erreicht. „Ich hab’ Mittagspause“, sagt Willsch und fügt lachend hinzu: „Das ganz normale Leben halt.“

Normal. Viele Jahre ist das für Marius Willsch eher ein Fremdwort. Seit er mit 16 Jahren von zu Hause in Neukirchen am Inn ins Internat der Sechziger nach München zieht, dreht sich eigentlich immer alles um den Fußball. Mit 19 wird er Profi, absolviert 162 Partien in der 3. Liga, dazu noch über 100 Spiele in der Regionalliga. Er tingelt durch Stadien in ganz Deutschland, marschiert für Unterhaching, Schweinfurt oder Saarbrücken als Außenverteidiger die Linien rauf und runter und läuft schließlich wieder für die geliebten Löwen auf „Du bist da in einer Blase, es wird dir praktisch alles abgenommen und du bist nur fokussiert auf das Fußballspielen“, erzählt Willsch.

Die Zeit in der Kabine mit den Kumpels fehlt ihm



Als er im Sommer einen Schlussstrich zieht unter die Profi-Laufbahn, weiß er, dass nun ein neues, anderes Leben beginnt. „Ich glaub’, ich habe den Umstieg sehr gut hinbekommen“, sagt Willsch. Als Quereinsteiger hat er bei der Allianz angefangen, im Januar die Prüfung zum Versicherungsfachmann gemeistert und arbeitet nun bei der Agentur Brummer „Total happy“ sei er mit der neuen Herausforderung. „Mir macht der Beruf großen Spaß, ich bin voll motiviert, will lernen und sehe auch guten Aussichten für die Zukunft.“

An der Vergangenheit hängt Marius Willsch nicht mehr wirklich. Freilich, es gibt Dinge, die er vermisst an seinem alten Leben. „In erster Linie die Zeit in der Kabine mit den Kumpels, die dummen Sprüche, das ganze Gerede.“ Und ein bisschen auch das Adrenalin an den Wochenenden, die Momente, wenn es ernst wird am Spieltag. Grünwalder Stadion, Flutlicht, 15000 euphorische Löwen-Fans – „das sind die Augenblicke, für die du als Profi lebst.“

„Der Fußball hat mir immer wieder Türen geöffnet“



Außergewöhnliche Erlebnisse, für immer bleibende Erinnerungen. Willsch hat viele davon gesammelt in seinen Jahren als Fußballer. Ein paar haben sich besonders eingebohrt ins Gedächtnis. Zum Beispiel als er vor 42000 Zuschauern auf dem ausverkauften Betzenberg gegen Kaiserslautern auf den Rasen marschiert. „Da war ich vor dem Spiel einmal öfters auf dem Klo“, erzählt er und lacht. „Eine unglaubliche Atmosphäre. Die Anspannung war echt enorm.“ Was Willsch auch nicht vergessen wird: „In einem Spiel gegen Lübeck habe ich ein Tor geschossen, eines aufgelegt, wurde zum Spieler des Tages im Kicker gewählt und kam sogar in eine Art FIFA-Elf.“

Viele positive Erfahrungen könne er mitnehmen aus der Zeit als Profi, sagt Willsch. Und zahlreiche Bekanntschaften. „Ich habe so viele Leute getroffen und kennengelernt. Der Fußball hat mir auch immer wieder Türen geöffnet.“ Es gebe auch nichts, was er heute anders machen würde, keine Entscheidung, die er wirklich bereut. „Ich bin total im Reinen mit mir. Rückblickend war es eine schöne und tolle Zeit“, sagt Willsch, der aber auch die andere Seite der von außen oft nur glitzernd und glänzend erscheinenden Profiwelt kennen gelernt hat.

Verletzung ist noch nicht vollständig abgeklungen



Den ständigen Druck, abliefern zu müssen. Die Wochenenden im Bus, weg von der Familie. Das Transfergeschäft, das so knallhart ist. Und vor allem die körperlichen Begleiterscheinungen, die ihm vor allem am Ende der Karriere schwer zu schaffen machen. Eine Schambeinentzündung setzt ihn lange außer Gefecht und zwingt Marius Willsch letztlich zum Ende der Karriere.

Noch heute ist die Verletzung nicht vollständig abgeklungen. „Joggen und Radfahren geht. Aber wenn ich an die Belastung beim Fußball spielen denke, ist es aktuell eher schwierig.“ Nicht zuletzt deshalb habe er keine Ambitionen, nochmal höherklassig zu kicken. „Nein, da bin ich komplett durch, da habe ich abgeschlossen“, sagt Willsch. Ganz aufhören will er aber nicht. „Das Kabinenleben, der Teamsport, das fehlt mir einfach.“ Wie schon im Sommer will er im Frühjahr öfters mal bei seinem Heimatverein Neukirchen mittrainieren, schauen, wie der Körper die Belastung wegsteckt. „Dann sehen wir weiter. Ich kann mir wie gesagt schon vorstellen, hier im Umkreis nochmal zu spielen. Aber sicher nicht höher als Bezirksliga.“

Comeback als Amateur? Möglich, aber...



Neben der körperlichen Komponente komme ja auch ein zeitlicher Aspekt ins Spiel, merkt Willsch an. Im Frühjahr rollen im Heimatort die Bagger an, dann steht für den 32-Jährigen der Hausbau im Fokus. „Ich muss schauen, ob das alles mit Fußball überhaupt vereinbar ist. Aktuell genießen wir die freien Wochenenden ohne feste Termine“, sagt Willsch, der sich mit Frau Nina und Töchterchen Mila (4) sehr wohlfühlt in der neuen, alten Heimat.

Dass er das Profileben kaum vermisse, liege vielleicht auch ein bisschen an der langen Verletzungsgeschichte, meint Willsch. Zudem sei die Nähe zu München nicht mehr gegeben, nach dem Umbruch bei den Löwen kenne er nur mehr wenige Spieler im Team. „Ich habe noch Kontakt zu ein paar Jungs und verfolge das Geschehen. Aber gefühlt bin ich echt schon ewig raus aus dieser Blase“, sagt er. Statt Fußball dreht sich nach seiner Mittagspause jetzt alles um Versicherungen, neue Produkte, Leistungen im Schadensfall. Um das ganz normale Leben halt ...