Riesen Wirbel um die Bayern
Lügen-Vorwürfe und Attacken: Streit zwischen Kahn gegen Matthäus eskaliert – Hoeneß mit pikanter Vermutung

01.04.2023 | Stand 17.09.2023, 0:08 Uhr

Oliver Kahn (l.) und Lothar Matthäus lieferten sich einen verbalen Schlagabtausch (Mitte Sky-Expertin Juli Simic ). −Foto: imagoimages

Die beiden einstigen Bayern-Kapitäne Oliver Kahn und Lothar Matthäus haben sich vor dem Bundesliga-Topspiel der Münchner gegen Borussia Dortmund (4:2 – hier geht‘s zum Bericht) am TV-Mikrofon einen verbalen Schlagabtausch geliefert.



„Da würde ich mal dich, Lothar, fragen, was meinst du denn eigentlich mit „Mia san Mia“, wenn du uns immer unterstellst, es gibt kein „Mia san Mia“ mehr?“, fragte der sichtlich genervte Bayern-Chef Kahn (53) in der Runde des TV-Senders Sky. „Was genau meinst du? Du setzt es einfach immer irgendwo in die Landschaft - und dann kann sich jeder aussuchen, was das zu bedeuten hat.“

Matthäus hatte den deutschen Fußball-Rekordmeister in seiner Funktion als Sky-Experte zuletzt wegen der Trennung von Trainer Julian Nagelsmann kritisiert. Das familiäre, beschützende Selbstverständnis der Bayern, das „Mia san Mia“, sei nicht mehr vorhanden, „teilweise mit Füßen getreten“ worden, hatte der Rekordnationalspieler geurteilt. Am Samstag antwortete er Kahn, er würde keinen „Privatkrieg“ wollen. „Du kannst mich jederzeit anrufen“, sagte Matthäus (62) und verwies auf seine Kontakte bei den Bayern, mit denen er spreche.

„Da wäre ich ganz, ganz vorsichtig“

„Das sind doch keine Argumente“, erwiderte Kahn. „Pass auf, vielleicht leidet der ein oder andere hier auch an Erinnerungsverklärung oder Erinnerungsverzerrung. Auch zu unserer Zeit, als wir gespielt haben, Du kannst dich wahrscheinlich noch erinnern, es gab immer wieder Entscheidungen, die nicht einfach waren.“ Die „Unterstellungen, wir würden den Stil des FC Bayern nicht wahren, also da wäre ich mal ganz, ganz vorsichtig.“

Die Art und Weise der Trennung von Nagelsmann und Verpflichtung von Thomas Tuchel verteidigte Kahn erneut. Wie es dann gelaufen sei, sei zwar „eine Katastrophe“ gewesen. Das habe aber nur daran gelegen, dass die Information zu Nagelsmann zu den Medien durchgestochen worden seien. „Das ist sicherlich keiner vom FC Bayern gewesen. (...) Wir schießen uns ja nicht selber in den Fuß“, sagte Kahn.

Die Bayern hatten die Personalien am 24. März verkündet, bereits am Abend des 23. März war über die Nagelsmann-Trennung berichtet worden. Der Trainer erfuhr dem Vernehmen nach aus den Medien von seinem Abschied. Kahn begründete das damit, das mit Nagelsmann, der im Urlaub war, persönlich und „nicht am Telefon“ gesprochen werden sollte. Erst am 24. März fuhr Nagelsmann dann im Vereinszentrum an der Säbener Straße vor.

Kahn erklärt zudem, dass die Klubführung des Rekordmeisters schon vor Tuchels Zusage Versuche unternommen habe, Nagelsmann über dessen Beurlaubung zu informieren, diese aber daran gescheitert seien, dass es Nagelsmann, der sich damals im Urlaub befand, nicht möglich gewesen sei, nach München zu kommen. Man habe sogar überlegt, zu Nagelsmann zu fahren, dann aber „anders entschieden“, so Kahn.

Matthäus: „Ich weiß, dass er lügt“

Diese Behauptung wollte das Management von Julian Nagelsmann nicht so einfach stehen lassen. „Es gab keinen Kontakt und keinen Kontaktversuch der Bayern. Das Management von Julian Nagelsmann hat selbst nach den Gerüchten in den Medien bei Hasan Salihamidzic angerufen“, wird die Agentur Sports 360 bei Sky zitiert.

Auf die Nachfrage, warum der FC Bayern nicht sofort Nagelsmann informiert hatte, als man sich um Tuchel bemühte, antwortete Kahn: „In Ihrer theoretischen Welt mag das funktionieren, aber in der praktischen Welt sieht das ganz anders aus. Bevor sie die Zusage eines Trainers oder Spielers nicht haben, können wir nicht vorher etwas besprechen oder rauslassen. Wir müssen einen sauberen Prozess einhalten und das haben wir getan.“

Matthäus glaubt Kahns Version nicht und legte sogar noch einen drauf. „Ich weiß, dass Oliver Kahn lügt“, sagte der Rekordnationalspieler in der Halbzeitpause gegenüber „t-online“. „Oliver Kahn will nur von seinen Problemen ablenken, und dann greift er mich an. Aber darauf war ich vorbereitet. Ich sage nur das, was ich höre, sehe und fühle. Die zeitliche Abfolge, so wie sie Kahn schildert, passt nicht zusammen.“

Die Frage, ob Nagelsmann noch Trainer des FC Bayern wäre, wenn Thomas Tuchel keine Bereitschaft gezeigt hätte, sofort zu übernehmen – sie bleibt unbeantwortet. Auch Tuchel selbst konnte kein Licht ins Dunkle bringen. „Ich war ganz ehrlich erstaunt, dass es um sofort geht“, sagte der Coach nach dem 4:1 gegen den BVB über den Anruf der Bayern. Er sei zunächst von einem „Sondierungsgespräch“ über seine Pläne für den Sommer ausgegangen. „Deswegen gab es für mich auch kein Taktieren.“

Kahn ledert gegen Matthäus: „Halt- und stillos“

Am Sonntag legte Oliver Kahn dann im heftigen Streit mit Rekordnationalspieler Lothar Matthäus nach. „Lothar hat sich nach seiner Karriere ja zum Chefkritiker des deutschen Fußballs aufgeschwungen“, pöbelte der Vorstandschef von Rekordmeister Bayern München am Sonntag bei Bild TV: „Wenn man ihn dann aber mal selbst kritisiert, kann er damit nicht umgehen und lässt sich zu halt- und stillosen Aussagen hinreißen. So ist Lothar, das wird sich auch nicht ändern.“

Kahn wollte die schweren Lügen-Vorwürfe am Sonntag nicht auf sich sitzen lassen. Sportvorstand Hasan Salihamidzic und er hätten „jederzeit die Wahrheit gesagt“, betonte Kahn und giftete weiter in Richtung Matthäus. Zwar sei es auch dessen Job als Experte, „dass es mal deftiger zugeht, Grenzen sollte man aber nicht überschreiten. Ich weiß nicht, was er da sagt, hört und fühlt“.

Kahn bezeichnete allerdings die Umstände der Trennung von Nagelsmann, der dem Vernehmen nach über die Medien von seiner Freistellung erfahren hatte, wie schon am Vortag als „Katastrophe“: „Das haben wir bedauert, aber wir wollten Julian das nicht per Telefon mitteilen. Das wäre stillos“, sagte der ehemalige Weltklasse-Torhüter und schob nach: „Wenn Lothar das so gemacht hätte, dann ist das seine Sache.“

Hoeneß: Nagelsmann hätte nicht in Skiurlaub fahren dürfen



Ehrenpräsident Uli Hoeneß hat am Sonntag den neuen Bayern-Trainer Thomas Tuchel schon nach einer Woche im Amt als „Ideallösung“ für den Fußball-Rekordmeister bezeichnet. Zugleich äußerte er sich nach dem 4:2 der Münchner im Bundesliga-Topspiel gegen Borussia Dortmund zur immer noch intensiv diskutierten Trennung von Julian Nagelsmann.

„Julian Nagelsmann hätte nach der Niederlage in Leverkusen nicht in den Skiurlaub fahren dürfen. Wäre er in München geblieben, hätte man sich am Montag oder Dienstag zusammengesetzt und gesprochen. Und, wer weiß, was dann passiert wäre?“, sagte Hoeneß am Sonntag dem Fachmagazin „Kicker“. Stattdessen nahmen die Bayern-Bosse in Person von Sportvorstand Hasan Salihamidzic Kontakt zum vereinslosen Tuchel auf.

Nach Ansicht von Hoeneß (71) sprach der sportliche Trend bei seinem Verein nach dem 1:2 in Leverkusen gegen einen Urlaub in der Länderspielpause. Mit ein paar Spielern wie Thomas Müller, die keine Auswahlspiele bestritten, hätte Nagelsmann in München trainieren können.

Im Wahrheits-Streit zwischen Bayern-Chef Oliver Kahn und Sky-Experte Lothar Matthäus über den Ablauf der Nagelsmann-Trennung und die stattgefundene Kommunikation beider Parteien glaubt Hoeneß derweil den Münchner Vorständen. „Ich sehe kein Problem für den FC Bayern, sondern eher für Lothar Matthäus. Er muss seine Aussagen beweisen.“ Rekord-Nationalspieler Matthäus hatte am Samstagabend Kahn der Lüge bezichtigt.

Laut „Kicker“ geht Hoeneß davon aus, dass Nagelsmann (35) ohne die Zusage von Tuchel (49) immer noch Trainer des Rekordmeisters wäre. Den Nagelsmann-Nachfolger hält der langjährige Vereinspräsident und Manager „für die Ideallösung“. Hoeneß begründet seine Ansicht so: „Seine zwei Pressekonferenzen waren summa cum laude, eine druckreife Ausdrucksweise. Das ist Bayern München. Er hat diesen Verein in zwei Tagen verinnerlicht.“

− red/sid/dpa