Groß geworden beim 1. FC Passau
Die Rekordspielerin, die nie weg wollte: Chiara Matschunas über die WM, Vereinstreue und falsche Vergleiche

26.07.2023 | Stand 13.09.2023, 5:31 Uhr

Chiara Matschunas (links) ist mit 170 Einsätzen und 83 Toren Rekordspielerin des FC Passau. Hier jubelt sie mit Teamkollegin Franziska Philipp. Im Interview spricht Chiara Matschunas über einen Frauenfußball-Hype, der an der Basis nicht ankommt. −F.: Mike Sigl

Sie ist Rekordspielerin beim Frauen-Landesligisten 1. FC Passau: Im Interview spricht Chiara Matschunas (25) über die WM in Australien und Neuseeland, über hartnäckige Vorurteile gegenüber dem Frauen-Fußball und einen Abschied, den sie sich lieber noch nicht vorstellen mag.

Chiara, Sie sind langjährige Spielerin des 1. FC Passau, haben seit der B-Jugend in 170 Spielen 83 Tore geschossen, sind damit auf Rang 12 der Hall of Fame des Vereins – als erste Frau. Wann haben Sie das erste Mal gegen den Ball getreten?
Das war so früh, da kann ich mich gar nicht dran erinnern (lacht). Seit ich denken kann, spiele ich Fußball. Durch meinen Papa bin ich auch ziemlich schnell mit fünf Jahren in den Verein, zum SV Oberpolling, gekommen.

Und da hat Sie das Fußballfieber sofort gepackt...
Naja, ich habe schon ein bisschen Eingewöhnungszeit gebraucht, weil es als Mädchen in einer Jungs-Mannschaft anfangs immer etwas schwierig ist. Aber das hat mich nicht abgehalten und nach zwei, drei Wochen habe ich mir auch nötigen Respekt verschafft, weil die Jungs gemerkt haben, dass ich mithalten kann und mich für nichts zu schade bin.

Das impliziert, dass Sie Verteidigerin waren...
Ja, bei den Jungs habe ich sehr defensiv gespielt, meistens als 6er vor der Abwehr. Erst als ich zu Passau gewechselt bin, hat mich der Trainer offensiv eingesetzt.

Wie war dann das erste Mal plötzlich als Stürmerin?
Das war natürlich eine Überraschung! Ich bin 2009 zum FC gegangen und gleich in einem meiner ersten Spiele hat mich der Trainer in den Sturm gestellt. Ich war erst einmal überfordert, habe mich dann aber recht zügig an die neue Rolle gewöhnt.

Erinnern Sie sich dann noch an Ihr erstes Tor dort?
An das allererste bei Passau vielleicht nicht. Aber ein Spiel ziemlich am Anfang ist mir in Erinnerung geblieben. Hier habe ich gegen Gollerbach sieben Tore geschossen.

Bei solchen Goalgetter-Fähigkeiten: Hatten Sie Ambitionen, zu wechseln und höher zu spielen?
Ehrlich gesagt: nie. Natürlich sind andere immer mal wieder gewechselt und haben es höher versucht. Ihnen hat man auch viel Glück gewünscht, ich selbst wollte das aber nie. Die Mannschaft hat immer gepasst und ich habe mich wohlgefühlt.

Das Höchste wäre dann natürlich die Nationalmannschaft gewesen. Sie startet heute ins WM-Turnier. Verfolgen Sie den Profifußball im Damenbereich?
Nicht schon immer, aber seit einigen Jahren schaue ich mir gerne zusammen mit den Freundinnen die Spiele der Frauen des FC Bayern am Campus an. Die Karte kostet nur 10 Euro und dafür sieht man sehr guten Fußball und hat einen schönen Tag. Und auch bei der Nationalmannschaft freue ich mich mittlerweile mehr auf die Frauenturniere als auf die von den Männern. Allgemein ist ja ein kleiner Hype in Deutschland um den Profi-Frauenfußball entstanden.

Merken Sie im Amateurbereich davon auch etwas?
Leider ist an der Basis davon weniger zu spüren. Immer wieder brechen Mannschaften weg, weil sie einfach keine Spielerinnen finden. Wir haben beim FC das Glück, dass wir eine sehr gute Jugendarbeit haben. Aber auch bei uns kommen nur sehr wenige Zuschauer – meistens nur die Eltern und ein paar Edelfans.

Woran liegt das?
Ich glaube, viele haben immer noch Vorurteile gegenüber dem Frauenfußball. Ich erlebe es auch regelmäßig, dass manche überrascht sind, wenn sie dann doch mal zuschauen, wie gut es ist.

Die Damenmannschaft des FC Passau spielt in der Landesliga, die fünfhöchste Liga. Wie hoch ist die Qualität?
Ich finde, man sollte nie den Herrenfußball mit dem Damenfußball vergleichen. Aber wir haben viele ehrgeizige und gute Spielerinnen und regelmäßig sehr sehenswerte Spiele.

Glauben Sie, dass die Leute das in ein paar Jahren zu schätzen wissen und auch der Amateurbereich einen Aufschwung erlebt?
Ich hoffe es! Für uns wäre es auf jeden Fall schön, wenn da ein kleines Umdenken stattfindet.

Fällt Ihnen ein bestimmtes Highlight Ihrer bisherigen Karriere ein?
Da gibt es Tausende Highlights. Ich hatte das Glück, immer mit sehr guten Spielerinnen zusammenzuspielen. Wir sind schon in der B-Jugend in drei Jahren bis in die Bayernliga aufgestiegen. Und auch bei den Damen hatten wir einen Durchmarsch – von der Kreisliga bis in die Landesliga. So sind viele Highlights entstanden.

Sie sprechen es an, als Sie aus der Jugend in die Damenmannschaft beim FC gekommen sind, spielte diese noch in der Kreisliga. Wie war damals das erste Spiel dort?
Das war natürlich eine andere Spielweise, als ich sie von den B-Jugend Bayernliga gewohnt war. Während es dort viel auf Technik ankam, war das Spiel in der Kreisliga sehr körperbetont. Das war eine Umstellung, aber im Nachhinein hat sie mir nicht geschadet, eher geholfen. Denn so bin ich an meinen Aufgaben gewachsen und ein solcher Durchmarsch war überhaupt erst möglich. Wir haben uns einfach gegenseitig zu Höchstleistungen gepusht und uns hat eine gewisse Euphoriewelle getragen. Natürlich gab es auch Rückschläge, aber alles in allem war das schon eine extrem coole Zeit mit vielen gebührenden Feiern – vor allem weil wir alles selbst erarbeitet haben.

Sie haben ja auch einen großen Anteil daran, wo die Damenmannschaft des FC heute steht. Wie eingangs erwähnt: 170 Spiele, 83 Tore, Rang 12 in der Hall of Fame. Macht Sie das stolz?
Natürlich sind solche Zahlen schön zu hören und machen einen auch stolz. Das will ich nicht leugnen. Es ist aber mehr die gemeinsame Zeit, sind die Erlebnisse, die man mit seinen Teamkolleginnen teilt, die stolz machen.

Dennoch könnte diese Zeit, diese Ära von 14 Jahren beim FC, nun ein Ende nehmen...
Leider. Ich schreibe gerade meine Masterarbeit in Biologie an der Uni Regensburg. Das mache ich auch parallel zum Spielbetrieb, da ist Fußball eine willkommene Abwechslung. Aber wenn ich die Arbeit dann in etwa einem Monat abgegeben habe, werde ich mich auf Jobsuche machen. Und je nach dem, was zu mir passt, werde ich weiter weg ziehen müssen und dann auch wechseln. Daran mag ich aber noch gar nicht denken. Am liebsten würde ich natürlich beim FC Passau bleiben.

Nun heißt es für Sie aber wohl erst mal freuen an der Frauen-WM. Verfolgen Sie das Turnier?
Auf alle Fälle! Wir haben geplant, dass wir die deutschen Spiele gemeinsam mit der Mannschaft im Vereinsheim anschauen.

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft zu?
Ich würde sagen: Die Gruppenphase zu überstehen ist ein Muss, alles andere ist Bonus.


Interview: Johannes Krenner