Dienstälteste Spielerin im Landkreis
Weinrotes Auto mit SVS-Aufkleber: Katrin Zellner seit 2010 in Saaldorf – Karriereende der 38-Jährigen nach der Saison?

25.10.2023 | Stand 25.10.2023, 17:30 Uhr
Hans-Joachim Bittner

Am 1. Oktober 2016 als Bayernliga-Kapitänin gegen den ETSV Würzburg II: Beim 4:2-Heimsieg ihres SVS erzielte Katrin „Zille“ Zellner (am Ball) innerhalb von 100 Sekunden zwei Treffer.  − Fotos: Archiv Bittner/privat

Als vor knapp 14 Jahren an einer Ampel ein weinrotes Auto inklusive SV Saaldorf-Aufkleber vor ihr stand, war der weitere Weg vorgezeichnet: Fußballerin Katrin Zellner spielte noch beim TSV Frontenhausen – „Eberhofer“-Drehort inklusive mittlerweile berühmtem Kreisel. Doch das Team löste sich auf, die damals 24-Jährige suchte einen neuen Verein. Da durch etliche Begegnungen inklusive Anschluss-Partys bereits ein hervorragender Kontakt zu den Spielerinnen des SV Saaldorf bestand, dachte sie sich „da frag ich doch einfach mal nach.“ Gesagt getan, „Zille“ Zellner wechselte ins Berchtesgadener Land, fand zuerst bei einer Team-Kollegin eine Bleibe nahe Ainring, ehe sie nach Laufen zog.

Heute lebt sie in Vachendorf, arbeitet im Landkreis Traunstein, hat „Soziale Arbeit“ in Landshut studiert und ist viel im Auto unterwegs. Die Fahrten nach Saaldorf machen ihr deshalb nichts aus: „Der SVS ist einfach meine sportliche Heimat geworden, ich fühle mich in diesem Verein sehr wohl“. Mit mittlerweile 38 Jahren ist sie nicht nur die dienstälteste Spielerin in Saaldorf, sondern des gesamten Berchtesgadener Landes. Doch selbst das Zwicken an so manchen Stellen kann Zellner gut ausblenden, präsentiert sich nach wie vor topfit und genießt jede Minute auf dem Platz – aktuell in der Bezirksoberliga.

Zweimal Aufstieg in die Bayernliga

In Saaldorf gab’s schon ganz andere Zeiten: Zweimal stiegen die SVS-Damen in die Bayernliga, also die vierte von zehn Niveauklassen im Damenbereich auf, zunächst 2008. In ihrem Debütjahr 2010 spielte Zellner mit ihrem neuen Team unter anderem gegen Meister 1. FC Nürnberg (heute Bundesligist). 2016 ging’s erneut rauf, drei Jahre hielt sich der SVS diesmal: „Eine tolle Zeit“, schwärmt „Zille“ noch heute. Mit unvergesslichen Duellen gegen Wacker München II oder die SpVgg Greuther Fürth. Gegen das „Kleeblatt“, einige Monate später Meister, gab’s am 3. September 2016 das Heimdebüt vor knapp 250 Zuschauern – am vergleichbar kleinen Dorfplatz des SVS eine tolle Kulisse: „Das war Gänsehaut pur“, erinnert sich die erfahrene Kickerin, damals Kapitänin. Bei der knappen 1:2-Niederlage erzielte sie in der Nachspielzeit den Anschluss. Damals mit im Team: Zerina Omeradzic, mit der sie im Mittelfeld unwiderstehlich wirbelte, Steffi Niederstrasser, Julia Aschauer, Bella Beck, Janet Donaubauer oder Sabine Beck (geborene Wiltsche).

Dieses erste Bayernliga-Jahr in einer Zwölfer-Staffel schloss Saaldorf auf Platz 5 ab – stark. Zwölf Monate später wurde die Crew von Coach Peter „Pott“ Prechtl sogar sagenhafter Dritter. Nach einer weiteren tollen Saison mit Platz 5 zog sich der SVS aus mehreren Gründen – unter anderem das Karriereende etlicher starker Spielerinnen – aus der Bayernliga zurück. „Wir mussten uns danach erstmal sortieren und ganz neu definieren.“ Die bis heute einzigen Teamkolleginnen Zellners von damals: Tatjana Steinau, Marina Aglassinger und Bianca Wolfgruber (geborene Butzhammer) – beide aktuell Kapitäninnen im BOL-Team – sowie Naomi Marx, die kürzlich ein Comeback feierte. Ein halbes Dutzend Trainer erlebte sie in ihrer Saaldorfer Zeit: In erster Linie SVS-Urgestein Prechtl, dazu Joe Butzhammer, Hans Weißenberger, Frank Jost, Karo Maric, Gabi Butzhammer, Michael Hasslach und momentan Manfred Stelzig.

Mit den Jahren immer weiter nach vorn gewandert

Zellner fing als Libero an und wanderte mit den Jahren immer weiter nach vorn, bis sie im Sturm landete. Noch heute agiert sie trotz fortgeschrittenem Fußballerinnen-Alter meist in der Sturmspitze. „Meine beste Zeit hatte ich mit 30, also vor acht Jahren und somit kurz vor dem Aufstieg von der Landes- in die Bayernliga. Da habe ich mich fitter gefühlt als mit 20.“ Dass ihre heutigen Mitspielerinnen – mitunter 17 oder 18 Jahre jung – ihre Töchter sein könnten, verdrängt die 38-Jährige: „Es ist schon krass. Doch ich fühle mich einfach als ganz normaler Teil des Teams.“ Zahlreiche Verletzungen blieben nicht aus, die schwerste erlitt sie am 27. Oktober 2018 bei einem Auswärtsspiel in Frensdorf, Minute 77: Bei einem „abgebrochenen Sprung zu einer Kopfballverlängerung“ kam sie blöd auf – Kreuzbandriss, Knie links. „Zuerst dachte ich mir nicht viel dabei. Am nächsten Morgen war das Knie dreimal so dick.“ Nach der OP, bei der festgestellt wurde, dass der Meniskus ebenfalls kaputt war, fiel Zellner fast ein ganzes Jahr aus, kämpfte sich jedoch zurück auf den Platz und ihre gewohnte Stammspielerinnen-Rolle. „Ich möchte selbst bestimmen, wann es zu Ende ist, nicht durch so eine Verletzung.“

Für viele Fans sicher neu: Zellner ist keine Saaldorferin, obwohl sie gefühlt schon immer in diesem Verein war und ist. Ihre Herkunft hört man trotz gut 13 Jahren Ruperti- und Chiemgau bis heute. In Zwiesel im Bayerischen Wald geboren kickte sie schon als Kleinkind mit ihrem Papa Xaver hinterm Haus. Katrins erster Fußballklub: der SV Bischofsmais. Mit fünf Jahren ging’s los, in Ermangelung weiterer Mädels spielte sie bei den Buben mit. Eine G- oder F-Jugend gab’s nicht, es ging sofort in der E-Jugend los. „Ein Dorfverein wie der SV Saaldorf.“ Bis zum 15. Lebensjahr, also der C-Jugend, spielte sie mit Sondergenehmigung bei den Jungs. Dann musste sie in eine reine Juniorinnen-Crew wechseln: Obwohl Deggendorf näher lag, wurde es der SV Pankofen bei Plattling. Dort ging’s direkt in der B-Jugend los, rasch war „Zille“ als Jüngste sogar bei den Damen am Leder. Zwei Jahre später ging’s, weil sie einfach sehr gut war, weiter zur DJK Altenkirchen. Die Spielerinnen hatte sie Jahre zuvor bei einer Party in Deggendorf ganz zufällig kennengelernt: „Da meinten die schon zu mir, dass ich sicher mal bei ihnen spielen werde.“ Da sich die Damen-Abteilung bei der DJK schließlich auflöste, wechselten die Spielerinnen zu einem Nachbarverein, den TSV Frontenhausen.

Spielerinnen bei Partys nach Partien gut kennengelernt

Als Zellner eines Tages in die Fachhochschule fuhr, stand an der Ampel plötzlich ein weinroter Einser-Golf vor ihr, hinten drauf ein SVS-Aufkleber. „Ich sah mir deren Homepage an, alle sahen ganz sympathisch aus. Kurz drauf fuhren wir mit dem TSV ins Trainingslager nach Saaldorf.“ Im Anschluss war „Zille“ mit ihrem Team oft Gegnerin des SVS in der Landesliga und lernte die Spielerinnen bei zahlreichen Partys nach den Partien richtig gut kennen. Die Freundschaft der beiden Vereine vertiefte sich. Als Zellner mit ihrem Studium fertig war, löste sich das TSV-Team auf, der Weg nach Saaldorf war geebnet: Beim Jugendhilfeträger „Startklar“ in Kirchanschöring war eine Stelle in einer Wohngruppe frei, die maßgeschneidert für sie war. „Da ich in der Nähe ohnehin schon 15 Damen kannte, ging alles ganz schnell. Bei der Götzi (Elisabeth Götzinger/d. Red.) fand ich in Rain bei Ainring eine erste Unterkunft.“ Das war 2010, und Joe Butzhammer ihr erster SVS-Coach.

Nach mehreren hundert Partien insgesamt, über 150 Toren – erst jüngst beim 7:1 gegen Neuried ein sehenswerter Treffer – und keinem einzigen Platzverweis ist nach der laufenden Saison möglicherweise Schluss: „Den Ehrgeiz von Gabi Butzhammer, die uns noch mit 49 Jahren in der Bayernliga aushalf, habe ich nicht“, lacht sie. „Ich hätte niemals gedacht, überhaupt so lange spielen zu können.“