Fritz Karlstetter erinnert sich
Vor 25 Jahren: Jahrhundertspiel bei der FA Trostberg – FC Bayern siegt nur 6:1

26.03.2024 | Stand 26.03.2024, 7:08 Uhr

Die FA-Kicker und die Bayern-Stars bunt gemischt: So stellten sich beide Mannschaften nach dem Spiel gemeinsam zum Erinnerungsfoto auf. − Foto: mb.presse

Die FA Trostberg kann auf eine über 100-jährige Tradition blicken. Im Jahnstadion hat es viele große Fußballfeste gegeben, das größte zweifelsohne 1999. Am 26. März, es war ein Freitag, gastierte der FC Bayern mit seinem Star-Ensemble an der Alz und siegte 6:1. Obwohl das damals als „Jahrhundertspiel“ bezeichnete Freundschaftsmatch 25 Jahre zurückliegt, kann sich der damalige Abteilungsleiter Fritz Karlstetter noch bestens erinnern. Karlstetter war insgesamt sieben Jahre Abteilungschef, spielte bei der FA, war auch Jugendtrainer hier, kickte auch für Heiligkreuz und Tacherting und war Trainer in Waldhausen, Heiligkreuz und Garching. Unsere Sportredaktion sprach mit dem 67-Jährigen, der die Bayern damals anlässlich des 80. Geburtstags der FA nach Trostberg holte.

25 Jahre ist es jetzt her, was ist geblieben?
Fritz Karlstetter: Ich habe nur gute Erinnerungen, so einen Tag vergisst man nicht. Der 26. März 1999 war ein wunderschöner Tag, es war warm, wie spielten ja erst um 18 Uhr. Wir hatten eine professionelle Planung mit den TSV-Bossen Peter Höllbauer und vor allem Hubertus Andrä, der das Kommando im TSV gerade übernommen hatte. Die Stadt trug ihren Teil dazu bei, der Ordnungsdienst mit Erich Hartl und Rainer Welzel von der AH an der Spitze. Und natürlich hat auch das Ergebnis gestimmt – nur 1:6 verloren. Das wird es wohl noch nie gegeben haben, dass ein Kreisligist gegen einen Champions-League-Finalisten so knapp verliert.

Am Tag darauf hatte es ja ein Länderspiel von Deutschland gegen Nordirland gegeben, so fehlten einige Superstars bei den Bayern.
Karlstetter: Klar, aber das interessierte keinen. Natürlich waren Kahn, Babbel, Matthäus und Strunz beim DFB, Lizarazu spielte für Frankreich, Elber und Basler waren leider verletzt, aber die, die da waren, sind Extraklasse. Ich denke an Helmer, Kuffour, Linke, Effenberg, Scholl, Tarnat, Salihamidzic, Ali Daei usw. Es war ein großes Fußballfest, ich behaupte, das größte in der FA-Geschichte bis heute.

Es gab in jedem Fall Rekordkulisse.
Karlstetter: Absolut! Wir hätten 10000 Karten verkaufen können, haben uns aber auf 6500 beschränkt. Wir wollten, dass alle gut sehen, so durften die Kinder auf die Tartanbahn. Hier haben wir noch Bänke aufgebaut. Wir haben das auch mit Hubertus Andrä abgesprochen, der nicht nur oberster TSVler war, sondern auch Sicherheitschef. Wir haben auch Plakate aufgehängt in der Region, 100 an der Zahl. Die Aktion hätten wir uns schenken können. Denn die waren so schön mit einem Effenberg groß im Bild und sie wurden vielfach abmontiert und mit nach Hause genommen. Wir hatten fast alle Karten im Vorverkauf an den Mann gebracht. Es war ja März und da war mir wichtig, dass die Karten weggehen und wir auf der sicheren Seite sind. 6000 waren weg, 500 haben wir noch an der Abendkasse verkauft.

Wie habt ihr Bayern überhaupt herbekommen?
Karlstetter (lacht): Ja, die haben jedes Jahr rund 300 Anfragen für Freundschaftsspiele. Ich hatte ein Jahr zuvor schon an die Bayern geschrieben und nichts gehört. Wir hatten den 75. der FA nicht groß gefeiert und wollten es zum 80. nachholen. Wir hatten gute Kontakte zum Bayerischen Rundfunk. Da wurde in Bremen beim Auswärtsspiel angefragt, und kurze Zeit später beim Spiel in Rostock kam die Zusage von Uli Hoeneß. Das war nur vier Wochen davor.

Dann ging es aber ganz schnell.
Karlstetter: Richtig! Ich telefonierte mit Karin Potthoff, das war die Sekretärin von Uli Hoeneß. Die nannte mir dann eine Summe, wo ich fast vom Stuhl gefallen wäre. Sie hat mich dann zu Hoeneß verbunden. Ich habe recht gejammert, und er ging um 50 Prozent runter. Das war für uns akzeptabel. Und so war alles klar. Er war sehr fair. Ich kann sagen, so günstig wie der FC Bayern bei uns gespielt hat, hat ihn keiner bekommen. Ich habe auch die Vorzüge präsentiert, kaum zwei Stunden von München weg mit dem Bus und ein super Fußballplatz. Das hat gezogen.

Da haben euch viele Vereine beneidet.
Karlstetter: Das kann man wohl sagen. Ich habe ein paar Tage später einen Anruf aus Hamburg bekommen. Es war der Manager eines Oberligavereins in St. Pauli. Er sagte mir, er versuche seit 20 Jahren den FC Bayern zu bekommen, er könne jede Summe zahlen, habe Sponsoren, aber er habe keine Chance. Er wollte wissen, wie wir das gemacht haben. Der Mann war regelrecht verzweifelt. Und wir als Kreisligist kamen zum Zug. Es war die achte Liga damals, nicht zu vergessen.

Wie war der Rasen?
Karlstetter: Ich weiß gar nicht mehr, wer alles mitgeholfen hat, aber er war bundesligareif. Die Bayern hatten ja in der Woche zuvor beim HSV gespielt auf einem Kraut- und Rübenacker, so die Bayern-Beschwerden. Das ist uns nicht passiert, trotz März. Ich glaube, er ist zwei Mal gewalzt worden, jedenfalls wurde er von den Bayern sehr gelobt.

Wo waren Sie eigentlich während des Spiels, und können Sie sich noch an das Spiel erinnern?
Karlstetter: Ich glaube, ich war überall, hatte keinen festen Platz. Natürlich war unser Tor der Hammer. So nach einer Stunde hat Markus Zahn die Abseitsfalle ausgetrickst, ist allein auf Sven Scheuer zugelaufen und hat eingeschossen. Ein Traum! Da hieß es 1:2, aber dann rollte die Bayern-Lawine. Das erste und letzte Bayern-Tor hat „Brazzo“ Salihamidzic geschossen, einmal war es ein Elfmeter, einmal ist er Martin Schadhauser davongelaufen. Die sind dann später beste Freunde geworden. Getroffen haben auch Daei zwei Mal, Scholl und Linke.

Die Scharfschützen Effenberg und Tarnat waren leer ausgegangen.
Karlstetter: Effenberg ist an Thomas Stockhammer schier verzweifelt. „Stocki“ hatte in der zweiten Halbzeit Rüdiger Ring abgelöst. Beide FA-Keeper waren überragend. Und von Tarnat weiß ich noch, dass er fast die Stadionuhr heruntergeschossen hätte. Die ist am Hauptgebäude gleich hinter dem Eingang angebracht in guter Höhe, aber rund 30 Meter hinter dem Tor. Da hat echt nicht viel gefehlt. Ich war einige Zeit später beim Behandeln bei Jose Schadhauser. Und Franz Beckenbauer war auch zur Behandlung da. „Schadi“ hat mich vorgestellt, und ich habe das von Tarnat erzählt. Da meinte der Kaiser: „Das glaube ich sofort, weil der Tarnat für seinen Schuss einen Waffenschein braucht.“

Haben Sie eigentlich mit Hoeneß und Trainer Ottmar Hitzfeld sprechen können?
Karlstetter: Uli Hoeneß war nicht in Trostberg, das hat er mir aber gesagt. Er war zwei Tage zuvor nach Japan aufgebrochen. Hitzfeld hat mir gesagt, dass es eine tolle Präsentation von Trostberger Seite war. Er meinte: „Kompliment!“ Hitzfeld hat sich dann auch von uns allen FA-Funktionären persönlich verabschiedet. Co-Trainer Henke war dabei. Dem hab ich übrigens kurz vor Bus-Abfahrt den Scheck überreicht, so war es mit Hoeneß ausgemacht.

Wie haben sich die Bayern-Spieler hinterher präsentiert?
Karlstetter: Da hatte ich mir etwas mehr erwartet. Leider hat nicht jeder Fan ein Autogramm bekommen. Da hätten Scholl und Effenberg schon etwas fleißiger schreiben können. Auch Helmer war nicht der große Autogramm-Schreiber. Viele Kinder waren traurig. Aber sonst hat es nichts Negatives gegeben.

Wird heute noch über das Spiel gesprochen?
Karlstetter: Ja, es gibt schon immer wieder mal Anlässe. Dieter Hechenberger zum Beispiel redet heute noch davon. Für ihn war es das größte Match seiner Karriere. Er bearbeitete Stefan Effenberg das gesamte Spiel über und wollte unbedingt sein Trikot haben. Das bekam er dann auch. Und er hat in dem Trikot auch die erste Nacht geschlafen, sprach oft von seinem neuen Schlafanzug. Aber ich denke, keiner der FA-Spieler wird den Tag jemals vergessen.


Interview: Karlheinz Kas