"Wir haben die Schnauze voll": Eiszeitstimmung in Stuttgart – und der Druck auf Weinzierl wächst

20.01.2019 | Stand 19.09.2023, 0:50 Uhr

Frust pur herrschte bei VfB-Trainer Markus Weinzierl. −Foto: dpa

"Erschreckend", sagt VfB-Verteidiger Timo Baumgartl. "Enttäuschend", meint VfB-Sportvorstand Michael Reschke. "Wir haben die Schnauze voll", skandierten die Fans. Die Situation beim VfB Stuttgart ist nach dem Rückrundenauftakt prekär, der Druck auf Spieler und Trainer Markus Weinzierl wächst.

Der Coach aus dem niederbayerischen Straubing geht davon aus, dass sich alle beim VfB der schwierigen Aufgabe im Abstiegskampf bewusst sind. "Es haben alle kapiert, da braucht man bloß auf die Tabelle schauen", sagte der 44-Jährige am Sonntag. Die frostigen Temperaturen beim Auslaufen und Training der Reservisten passten zur Stimmung bei den Stuttgartern, die Ernüchterung war am Tag nach dem 2:3 gegen den FSV Mainz 05 noch immer immens. "Ich habe genauso viel Hoffnung gehabt wie die meisten", sagte Weinzierl über seine Eindrücke aus der Winterpause. Und weiter: "So kann man in der Bundesliga nicht verteidigen. Wir sind zu brav, dabei müssten wir ohne Kompromisse zu Werke gehen, uns hinten behaupten und vorne effektiv sein." Weil sein Team all das nicht machte – mit Ausnahme der ersten fünf und der letzten zehn Minuten – resümierte Weinzierl noch: "Es war ernüchternd."

Kritik übte Weinzierl unterdessen an der Leistungsbereitschaft des einstigen Rekordtransfers Pablo Maffeo, der möglicherweise ausgeliehen werden soll: Der 21 Jahre alte Rechtsverteidiger mache "zu wenig" und müsse an seinen Grundlagen arbeiten, sagte Weinzierl.

Nach dem verpatzten Rückrundenauftakt stellte sich Sportvorstand Michael Reschke derweil auf ein langes Zittern ein. "Es wird sehr, sehr zäh werden", prognostizierte er. "Die Ausgangslage kann nicht viel schlimmer sein, als sie aktuell ist." Die Stuttgarter Elf weckte am Samstag gut 80 Minuten lang kaum Hoffnung, dass sie sich vehement gegen den erneut drohenden Absturz in die Zweitklassigkeit wehrt.

Nach dem Spektakel in der Endphase mit zwei Anschlusstoren und dem Beinahe-Ausgleich rüttelte Timo Baumgartl mit klaren Eingeständnissen seine Mitspieler auf. Als "erschreckend" stufte der 22-Jährige die Leistung in dem wichtigen Spiel ein, für das sich der VfB nach dem Überwintern auf dem Relegationsrang den Neuanfang vorgenommen hatte. "So können wir uns einfach nicht präsentieren", urteilte Baumgartl. Auf die Frage, ob alle verstanden hätten, was die Stunde geschlagen habe, antwortete er: "Ich werde hier jetzt nicht meine Mannschaft zerreißen. Ich glaube, allen Jungs ist bewusst, dass es hier um sehr viel geht." Eine ähnlich beeindruckende Rückrunde wie vor einem Jahr mit Trainer Tayfun Korkut ist momentan kaum denkbar, der nächste Abstieg nach 2016 dagegen ein realistisch scheinendes Szenario.

Die Defensive agierte anfällig, die Offensive harmlos. Dass Wille und Präsenz gegen einen vermeintlich schlagbaren Gegner in Halbzeit eins fehlten, machte auch Reschke ratlos. "Wir verstecken uns einen Tick. Keiner will einen Fehler machen, dann passieren die Fehler von alleine", gestand Verteidiger Marc Oliver Kempf Verunsicherung ein.

Ein Teil der 51 881 Zuschauer strömte aus dem Stadion, pfiff oder schimpfte laut, als auf Santiago Ascacibars Eigentor (22. Minute) und auf den Treffer durch Jean-Philippe Mateta (28.) noch das 0:3 nach einer Ecke durch den frei stehenden Alexander Hack (72.) folgte. Und aus der Cannstatter Kurve schallten "Wir haben die Schnauze voll"- sowie "Dietrich raus"-Rufe in Richtung des VfB-Präsidenten Wolfgang Dietrich. "Eiszeitstimmung statt Aufbruchstimmung", schreibt die Stuttgarter Zeitung, wohlwissend, dass am kommenden Sonntag erneut Unheil droht: dann ist der VfB beim FC Bayern zu Gast.

Gegen Freiburg und in Düsseldorf gilt es danach, den notwendigen Charakter zu zeigen. "Gegen die Bayern ist ein Bonusspiel. Dann kommen zwei überlebenswichtige Spiele", sagte Baumgartl. "Da müssen wir am besten sechs Punkte holen. Es muss jedem bewusst sein, es muss dem ganzen Verein bewusst sein, dass es in den beiden Spielen um alles geht."