Bayern-Star im zweiten Frühling
Comeback bei Jogi? Thomas Müller lässt Leistung sprechen – und kritisiert die jungen Profis

29.01.2020 | Stand 19.09.2023, 1:27 Uhr

Thomas Müller. −Foto: dpa

Thomas Müller erlebt beim FC Bayern seinen "zweiten Frühling" – und liebäugelt mit einem DFB-Comeback. Der Münchner hat prominente Fürsprecher. Er selbst übt derweil Kritik an den jungen Fußballprofis.

In einem Interview des "Sportbuzzer" brachte er sein Unverständnis für die Einstellung der neuen Generation zum Ausdruck. "Was viele junge Spieler noch nicht verinnerlicht haben: Es geht darum, Spiele zu gewinnen und nicht darum, wie ich auf einem Video gut aussehe." Technisch und taktisch seien die jungen Profis heute besser ausgebildet, befindet der 30-Jährige. Aber: "Andere Dinge, wie das Kopfballspiel sind leider in den Hintergrund gerückt." Jemand wie Bayerns U17-Trainer Miro Klose könne den Nachwuchskräften glaubwürdig zeigen, "mehr dahin zu gehen, wo es weh tut. Im Fußball brauchst du Dinge, die dem Gegner weh tun und nicht nur Kabinettstückchen".

Er selbst tut zur Zeit wieder vielen Gegner weh. Müller spielt aktuell in Topform − und heizt damit die Diskussionen um eine Rückkehr in der Nationalmannschaft an. "Das Spiel ist noch nicht aus", sagte der Rio-Weltmeister schon im vergangenen März trotzig nach der überraschenden Ausbootung durch Joachim Löw – und tatsächlich: Die Forderungen nach einem Comeback des Münchners im DFB-Trikot werden lauter, Müller selbst liebäugelt offenbar mit der EM.

Er wolle Löw zwar "keine Ratschläge geben", sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, der Bundestrainer sei erfahren genug und habe große Erfolge gefeiert. Aber: "Ich sage immer, wenn einer top spielt – und ich hoffe, dass Thomas weiter top auf diesem Niveau spielt -, wird da möglicherweise ein Umdenken stattfinden." Präsident Herbert Hainer ergänzte bei Sport1: "Thomas Müller kann man überall brauchen, ganz egal ob hier in München oder bei der Europameisterschaft. Er tut jeder Mannschaft gut."

Zuletzt war Müller für die Olympia-Auswahl gehandelt worden, auch Löw nannte den 100-maligen Nationalspieler "eine Möglichkeit" für Tokio. Für Müller sind die Gedanken an eine Japan-Reise – möglicherweise sogar an der Seite seiner reitenden Ehefrau Lisa – "eine coole Spinnerei". Doch träumt er nicht insgeheim von der EM?

"Aktuell haben wir noch ganz andere Aufgaben", sagte er am vergangenen Wochenende im ZDF-Sportstudio. Ja, er stehe als langjähriger Nationalspieler auf der Liste der Nationalen Anti Doping Agentur – eine Voraussetzung für Olympia –, "aber es gibt ja erstmal noch viele andere Großveranstaltungen im Fußball. Das Meisterschaftsfinale, das DFB-Pokalfinale, Champions League, Europameisterschaft." Aha.

Unmittelbar nach seinem DFB-Aus hatte Müller noch vehement auf Löw ("kein guter Stil", "hat mit Wertschätzung nichts zu tun") geschimpft. Löw wiederum hatte einer möglichen Rückkehr zumindest im Fall des ebenfalls aussortierten Mats Hummels zuletzt mehrfach eine Absage erteilt. Allerdings öffnete DFB-Direktor Oliver Bierhoff die Tür einen Spalt breit, als er erklärte, es sei "noch kein Spieler" offiziell verabschiedet worden. Es sei "nie so gedacht" gewesen, dass das Aus für Müller, Hummels und Jerome Boateng endgültig sei.

Für Hummels wie Müller gibt es Argumente. "Man sieht jetzt insbesondere bei Thomas: Er kommt ein bisschen in den zweiten Frühling", sagte Rummenigge. Der 30-Jährige ist mit zwölf Assists der beste Vorlagengeber der Bundesliga, seit dem Trainerwechsel von Niko Kovac zu Hansi Flick blüht er auf. War er in den ersten zehn Ligaspielen (451 Einsatzminuten/kein Tor/vier Vorlagen) nur alle 113 Minuten an einem Treffer beteiligt, benötigte er in den neun unter Flick (689/vier/acht) nur starke 57 Minuten. "Wir brauchen seine Tore, seine Vorlagen und seinen bayerischen Esprit", sagte Rummenigge, "er ist für uns ohne Frage ein wichtiger Spieler."

Kann das auch wieder für Löw gelten? In einer Online-Umfrage der Bild-Zeitung äußerten 70 Prozent der rund 90.000 Teilnehmer, Löw solle den Ur-Bayern zur EM mitnehmen. Aber: Der Bundestrainer hat aktuell nur in der Abwehr Sorgen, vorne nicht. Sky-Experte Lothar Matthäus erwartet "eher ein Nein" von Löw – und sieht Müller in Tokio.

Müller selbst schmerzt übrigens nicht nur das Aus bei Löw – sondern rückblickend auch noch immer, dass er unter Ex-Trainer Niko Kovac nicht mehr erste Wahl war. "Ich konnte es weder damals noch heute nachvollziehen, dass ich sechs Spiele in Folge auf der Bank war, weil ich das Gefühl habe, der Mannschaft helfen zu können. Diese Situation war mit meinen gerade mal 30 Jahren nicht meine Vorstellung für einen Dauerzustand", sagt er im "Sportbuzzer"-Gespräch.

Dort fand Müller übrigens auch lobende Worte für einen jungen Spieler – und zwar für seinen jungen Dortmunder Jadon Sancho. "Der schafft es mit seiner Technik, seinem Speed, seinem Dribbling gefährliche Situationen zu kreieren", sagte der Weltmeister von 2014 über den 19-jährigen Engländer: "Es gibt in der Bundesliga noch andere Dribbler mit ähnlichen Qualitäten. Die haben jedoch nicht diese überragende Entscheidungsfindung."

− red/sid