Ultra-Marathon
Seubersdorfer Ultratrail-Läufer begann als Bub beim Silvesterlauf

08.11.2023 | Stand 08.11.2023, 11:18 Uhr
Günter Treiber

Thorsten Reichert aus Seubersdorf liebt am Ultratrail-Laufen die Schönheit der Landschaft. Foto: Reichert

Es war der 31. Dezember 1993, als ein siebenjähriger Bub als jüngster Teilnehmer am Silvesterlauf in Seubersdorf teilnahm und die fünf Kilometer in der Zeit von 25:34 Minuten absolvierte.

Sicher, das ist nichts Großartiges. Den Siebenjährigen hat es gefreut und seinen stolzen Vater noch mehr. Die Leserinnen und Leser der Mittelbayerischen werden aber staunen, was aus dem Siebenjährigen geworden ist und was ein Mensch mit seinem unbeugsamen Willen alles in sportlicher wie auch in menschlicher und beruflicher Hinsicht leisten kann.

Der siebenjährige Steppke ist Thorsten Reichert und heute mit 37 Jahren Dr. Thorsten Reichert, der als Berg- und Ultraläufer die Berge in Deutschland, Österreich, Italien und in der Schweiz unsicher macht. Doch beginnen wir von vorne.

Mit der Mama an der Hand

Thorsten hat mit dem Laufen nach „Anschieben“ von Vater Karl und an der Hand von Mutter Elisabeth beim Lauftreff Seubersdorf begonnen. Die Silvesterläufe in Seubersdorf waren dann seine bevorzugten Wettkämpfe bis zum Jahr 2000. Dann standen die Schule, das Abi, das Studium und die Promotion im Vordergrund.

Es war dann eine Familienfeier, bei der Thorsten mit seinen zwei Cousins abgesprochen hatte, dass sie am München Marathon 2013 teilnehmen wollen. Gesagt, getan und gut gelaufen. Dazwischen und später bis 2015 hatte er bereits einzelne Bergläufe absolviert, bei denen die Berglaufleidenschaft begann.

Diese Leidenschaft setzte sich fort, indem Thorsten Reichert viele Bergläufe absolvierte, Marathons und Halbmarathons lief. Seine Marathon-Bestzeit erlief er sich beim Barcelona-Marathon am 13. März 2016 in 2:558:31 Stunden mit Gesamtplatz 688 von 16494 Teilnehmern. Sein allererster Marathon war München 2013. Da waren es noch 3:06:38 Stunden, die er benötigte.

Hoch auf den Mont Blanc



Ein Ultra-Marathon ist etwas für hartgesottene Läufer, die dazu auch ein gewisses Talent benötigen. Es werden Distanzen zwischen 80 und 160 Kilometer zurückgelegt. Zu den absoluten Klassikern gehört dabei der „Ultra-Trail du Mont-Blanc“, den Reichert in einem Teil zuletzt am 1. September 2023 gelaufen ist.

„Mein schönstes Erlebnis“, erzählt er heute im Interview mit unserer Zeitung, „war ein Trainingslauf mit meiner Frau Alexandra, sie ist auch Bergläuferin, am Abend des 30. August 2017 mit Übernachtung auf dem Hochgernhaus und in der Nacht, als wir den Gipfel des Hochgern bestiegen haben“.

Von 2013 bis 2023 ist Dr. Thorsten Reichert insgesamt 15300 Kilometer gelaufen und hat dabei 438000 Höhenmeter überwunden, das ergibt eine gesamte Laufzeit von 1545 Stunden.

Das sah dann im Einzelnen so aus. Da war 2019 der „Piz Alpine Glacier Trail“ mit seinen 106 Kilometern und 6100 Höhenmetern. „Es war einer meiner schwierigsten Wettkämpfe im hochalpinen Gelände mit Gletscherquerungen und dem höchsten Punkt in über 3000 Metern Höhe. Ich habe dazu 17 Stunden und 35 Minuten gebraucht und kam unter 26 Teilnehmern auf Gesamtplatz vier“, erinnert sich Reichert und berichtet von seinen üppigen Ultralauf-Erfahrungen.

Der Kopf muss mitmachen



„Es gibt da verschiedene Phasen in so einem Lauf“, berichtet Reichert von seinen Erfahrungen. „Am Anfang bin ich aufgeregt, es kommt Freude auf, die hält bis Kilometer 20 etwa an, dann realisiert man, dass es noch 80 Kilometer bis zum Ziel sind. Die überbrückt man dann mit Abschalten, man denkt an vieles andere, nur nicht an das Jetzt, an den Lauf. Alles Weitere hängt dann auch vom Wetter ab und von der Schönheit der Landschaft. Es kommt dann auch die Zeit, in der man denkt, warum mache ich das eigentlich. Es ist dann eine mentale Angelegenheit, bis ins Ziel durchzuhalten und dann das Erlebnis Ultralauf zu genießen“.

Es gibt aber auch Läufe, bei denen von Beginn an alles zusammenpasst – so wie beim „Zugspitz Ultratrail“ (105 Kilometer lang, 5500 Höhenmeter), den Reichert 2022 gelaufen ist. Es ist Deutschlands größtes Trailrunning Event. Der Seubersdorfer benötigte dafür 13:23 Stunden und wurde unter 414 Teilnehmern Gesamt-Dritter.

„Es war ein super Tag, da konnte ich so richtig genießen. Das Wetter war optimal und die Landschaft einmalig schön, man vergisst den Alltag dabei“, schwärmt der zweifache Familienvater noch heute.

13 Ultraläufe in einem Jahr

Heuer absolvierte Reichert bislang 13 Wettkämpfe, darunter war auch das weltgrößte Trailrunning Event am Fuße des Mont Blanc mit allen Eliteathleten der Welt. Dieser Trail geht von Courmayeur in Italien über Champex-Lac in der Schweiz nach Chamonix in Frankreich.

Das sind 100 Kilometer und 6000 Höhenmeter, bei denen Reichert fünf Kilometer lang Krämpfe bekam und weitere fünf Kilometer Magenprobleme hatte, weil er zu wenig gegessen hatte. „Der Zieleinlauf entlohnt dann für alle Strapazen. Ich musste weinen vor lauter Glück“, erzählt Reichert von der emotionalen Seite des Ultratrail-Laufens.

Rucksack muss mit



Apropos zu wenig gegessen. Bei den Ultraläufen gibt es Regeln, die das persönliche Wohlbefinden betreffen, denn anders als bei Marathonläufen ist es nicht möglich, dass man am Berg Verpflegungsstellen aufbaut. Hier heißt es, jeder Teilnehmer ist verpflichtet einen Rucksack dabei zu haben, in den eine Regenjacke hinein muss, dazu eine lange Hose, Mütze, Handschuhe, ein Erste-Hilfe-Set mit Rettungsdecke, mindestens ein Liter Flüssigkeit, bei großer Hitze zwei Liter, sowie Essen mit mindestens 500 Kilokalorien.

Sein letzter Wettkampf war übrigens am 21. Oktober beim Altmühl-Trail mit 26 Kilometern und 650 Höhenmetern, den er in 1:49:17 Stunden lief und unter 353 Teilnehmern zweiter wurde. Er nutzte diese Gelegenheit auch, um an jenem Wochenende seine Eltern zu besuchen – dort, wo damals alles anfing mit dem Laufen.