Absage des Herren-Rennens
Ganz bitter: Stockingers Weltcup-Debüt vom Winde verweht − aber große Diskussionen in Sölden

29.10.2023 | Stand 29.10.2023, 14:32 Uhr

Starker Wind fegte am Sonntag über die Piste in Sölden.  − Foto: dpa

Erst verkürzt, dann abgebrochen: Der Weltcup-Riesenslalom der Männer am Sonntag in Sölden wurde vom Winde verweht. Die Rennjury sah sich wegen der nicht nachlassenden Böen nach 47 Startern gezwungen, das Rennen abzubrechen. Zuvor war die Strecke auf dem Rettenbachgletscher wegen des Windes verkürzt worden. Durch die Absage kam es auch nicht zum lang ersehnten Weltcup-Debüt von Jonas Stockinger – der Herzogsreuter Skirennfahrer wäre mit der Nummer 56 an den Start gegangen.

Der 24-Jährige sei einst ein riesiges Talent gewesen, habe dann aber lange mit Rückenproblemen zu kämpfen gehabt, berichtete Bundestrainer Christian Schwaiger vor de Rennen. Vorige Saison habe er im Europacup überzeugt. Er traue Stockinger zu, dem anspruchsvollen Steilhang in Sölden gewachsen zu sein. Doch soweit kam es leider nicht.

Maier sehr irritiert

Wolfgang Maier war hinterher irritiert. Doch es war nicht der unstrittige Abbruch des Männer-Rennens oder die dürftige Leistung von Emma Aicher, die den DSV-Sportvorstand nachhaltig verstimmte. Der Mann, der Maier und mit ihm den ganzen Skizirkus beim turbulenten Weltcup-Auftakt in Sölden mit seinen, nun ja, unqualifizierten Bemerkungen verärgerte, war gar nicht vor Ort – und doch allgegenwärtig.

Denn auf dem Rettenbachgletscher wurde weniger über den Erfolg der Schweizer Olympiasiegerin Lara Gut-Behrami oder die schnell beendete Protest-Aktion der „Letzten Generation“ diskutiert. Sondern mal wieder über Johan Eliasch, den streitbaren Präsidenten des Weltverbandes FIS. Der bereicherte die Diskussion um den in Zeiten des Klimawandels allzu frühen Weltcup-Start mit der nächsten unerwarteten Volte - und sorgte vielfach für Augenrollen.

Es sei „für alle hier sehr erstaunlich, dass ein Präsident, der gerade in Thailand ist, eine Entscheidung beeinflussen möchte, die er letztes Jahr noch komplett anders gesehen hat“, sagte Maier: „Das ist hier sehr suspekt angekommen.“

Vor allem beim veranstaltenden Österreichischen Skiverband (ÖSV), den Eliasch mit seiner Kehrtwende in der Kalender-Diskussion als Sündenbock hingestellt hatte. „Ich verstehe auch nicht, wer sich im Oktober für Skirennen interessiert und warum wir auf Gletschern ohne Schnee fahren“, sagte Eliasch im ORF: „Ich hoffe, dass der ÖSV offen ist für eine Verlegung nach hinten.“

Wie bitte? In der Kalendergestaltung hat Eliaschs FIS das letzte Wort und den frühen Termin bisher stets verteidigt. Mehr noch: Auf Eliaschs Initiative sind am zweiten und dritten November-Wochenende nun Speedrennen am Matterhorn angesetzt.

ÖSV zeigt sich überrumpelt

Der ÖSV zeigte sich entsprechend überrumpelt, aber „gesprächsbereit“. Er hält eine Verschiebung um zwei Wochen für denkbar. Grundsätzlich, meinte Maier, wäre ein späterer Start ein begrüßenswerter „Schritt, der die Fronten wieder etwas aufweicht“. Es sei wichtig, dass sich der Skizirkus anpasse, betonte er - wenngleich unbeeindruckt vom Protest dreier Aktivisten, die sich sonntags auf die Hochgebirgsstraße klebten, aber von der Polizei rasch entfernt wurden.

Auf das „gigantische Skifest“ in Sölden, sagte Maier, wolle man nicht verzichten: „Aber wenn es Mitte November ist, ist es uns auch recht.“

Vielleicht ist dann das Wetter besser. Das Rennen am Sonntag musste wegen starker Böen nach 47 Startern abgebrochen werden. Sehr zum Ärger von Fabian Gratz, der als 22. auf Finalkurs lag. „Das ist extrem bitter“, sagte er, „aber die Fairness und Sicherheit stehen im Vordergrund, ich kann es verstehen.“ Die Natur, sagte Maier, „ist in dem Fall stärker“.

Bei Aicher war es die Konkurrenz. Satte 5,15 Sekunden lag sie hinter Gut-Behrami, die auch der sechstplatzierten Rekordsiegerin Mikaela Shiffrin stolze 1,40 Sekunden abnahm. „Wenn wir so fahren, sind wir einfach nicht konkurrenzfähig“, sagte Maier über Aicher: „Das ist bitter.“

Wie die Disqualifikation von Ragnhild Mowinckel (Norwegen), die als erste Athletin Opfer des Fluor-Verbots wurde – mit zehnfach erhöhtem Wert, aber ohne Betrugsabsicht, wie sie versicherte. „Bullshit“, nannte die zweitplatzierte Federica Brignone die neue Regel. Wie so manches an diesem Wochenende.

− sid/red