Den „Weg des Bogens“ mit Bedacht gehen
Zum dritten und letzten Mal fanden die Deutschen Meisterschaften im Enteki in Bergheim bei Neuburg statt

12.09.2023 | Stand 12.09.2023, 16:38 Uhr

Der älteste Teilnehmer an den Deutschen Meisterschaften, der 89-jähirge Wolfgang Zimmer aus Berlin (Mitte) zieht ab. Die Bewegungsabläufe und auch das korrekte Führen des Bogens sind beim Kyudo exakt festgelegt. Fotos: I. Haußner

Dafür, dass es sich um einen nationalen Wettbewerb handelt, sind die Teilnehmer erstaunlich gelassen – fast schon entspannt. Viele hatten sich im Schatten der Bäume niedergelassen, auf Decken oder bequemen Stühlen. Nichts deutete darauf hin, dass gleich darauf sehenswerte Leistungen abgerufen würden. Auf diese Szene weist Ingrid Haußner eigens hin. Das aus Japan stammende Kyudo – „Der Weg des Bogens“ – sei eben eine besondere Sportart, bei der Technik, Tradition und Kontemplation Hand in Hand gehen, sagt die Leiterin der Abteilung Kyudo beim Judo Club Neuburg. Sie ist gleichzeitig Trainerin, Prüferin und Wettkampfrichterin.

Hoher Aufwand zeichnet den Wettbewerb aus

Der Verein zeichnete zum dritten und letzten Mal in Folge verantwortlich für die Deutschen Kyudo-Meisterschaften im Enteki, die in Bergheim bei Neuburg ausgetragen wurden. Wegen des hohen Aufwands – man musste beispielsweise ein großes Zelt aufstellen – bleiben die Deutschen Meisterschaften für jeweils drei Jahre in einem Bundesland – jetzt eben in Bayern. Ab kommendem Jahr ist Hessen an der Reihe. Ausrichtender Verein war erneut der Judo Club Neuburg, Abteilung Kyudo. Am Samstag fanden auf dem Sportgelände in Bergheim die Mannschaftsmeisterschaften statt, ein relativ junger Wettbewerb, den es erst seit vier Jahren gibt. Einen Tag später folgten die Einzelmeisterschaften.

Kyudo ist also der japanische Umgang mit dem Bogen; Enteki bedeutet übersetzt „auf größere Entfernung“ – konkret sind es 60 Meter. Daneben gibt es Kinteki; hier steht das Ziel in 28 Metern Abstand zum Schützen. Die Deutschen Meisterschaften in Kinteki wurden in Bonn ausgetragen.

Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit

Für die Sportler bedeutet Kyudo mehr als einen Pfeil von der Sehne schnellen zu lassen. Dieser Sport dient als Mittel zur Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit. Daher ist Kyudo stark ritualisiert und die Bewegungsabläufe exakt vorgeschrieben. Das beginnt mit den Füßen, die eine Linie mit der Zielscheibe bilden. Die Schützen richten ihren Oberkörper auf und schaffen eine Spannung von unten bis oben. Dann greifen die Sportler den Bogen und legen den Pfeil ein. Auch hier sind die Handgriffe festgelegt. Der Bogen wird mit Bedacht über den Kopf gehoben. Von dort aus ziehen die Schützen den Bogen bis hinter das Ohr auf und lösen dann aus. Anschließend wird der Bogen gesenkt. Am Ende stehen die Schützen mit seitlich ausgestreckten Armen da und kehren wieder in die Ausgangslage zurück. Schiedsrichter wachen über die korrekte Ausübung.

Traditionelles Gewand

Selbstverständlich kommen die Teilnehmer nicht in Trainings- oder Sportanzügen, sondern in der traditionellen Kleidung: Weißes Oberteil, während die Beine von schwarzem Stoff bedeckt sind. Jedes Teil wird ausschließlich gewickelt. Die Socken sind weiß und stecken in Sandalen. Die Bögen sind – ebenso wie die Pfeile – aus Bambus gefertigt und haben eine Länge von 2,20 Meter und mehr, je nach Benutzer. Die japanischen Bögen unterscheiden sich deutlich von den üblichen: Sie sind asymmetrisch geformt; der obere Wurfbogen ist deutlich länger als der untere.

Ältester Teilnehmer ist 89 Jahre alt

Als höchster Grad beim Kyudo gilt Zaiteki. Dabei steht bereits vor dem Lösen des Pfeils fest, dass er das Ziel treffen wird. Erreicht wird das nur durch Verschmelzen von Geist, Körper und Technik zu einer Einheit. Vor allem ist Kyudo ein Sport für jeden. „Es gibt keine Einschränkungen“, sagt Ingrid Haußner, weder nach Bogengröße noch nach Geschlecht und schon gar nicht nach dem Alter. Bestes Beispiel: Nach Bergheim kam auch Wolfgang Zimmer angereist. Der Berliner ist 89 Jahre alt. Getroffen hat er zwar nicht so viel, aber Spaß hatte der alte Herr, der mit seinem Sohn die Atmosphäre in Bergheim genoss.

Sieben Mannschaften traten am Samstag an. Das bayerische Team bestand aus den beiden Ingolstädtern Martin Lenz und Stefan Brendel sowie Horst Riechers aus Regensburg. Ingrid Haußner selbst stellte sich als Ersatz zur Verfügung. Zwischen dem Ingolstädter und dem Neuburger Verein besteht eine enge Verbundenheit.

So zufrieden Ingrid Haußner mit der Organisation war, die dank der Unterstützung durch die SpVgg Joshofen-Bergheim und der Gemeinde Bergheim tadellos geklappt habe, so wenig war das Ergebnis beim Team-Wettbewerb nach ihrem Geschmack.

Rang zwei für das Team aus Bayern

Die Bayern errangen „nur“ den zweiten Rang; die vergangenen drei Wettbewerbe hatten sie für sich entscheiden können. „Nächstes Jahr sind wir nicht mehr so mit der Organisation beschäftigt, da können wir uns ganz aufs Schießen konzentrieren“, tröstet sie sich. Den Sieg trug heuer Berlin davon; auf Platz drei kamen die Hessen. Bei den Einzelschützen erwies sich Chris Böhme aus Berlin als bester Schütze, gefolgt von Martin Lenz, womit die Team-Ergebnisse bestätigt wurden, und Johannes Maringer aus Nordrhein-Westfalen. Ingrid Haußner kam auf den zehnten Rang.

DK