„Einmal im Leben musst du dort gewesen sein“
Dartsport-Ass Tobias Reisner vom SV Steingriff und seine Gedanken rund um die jüngste WM im „Ally Pally“

05.01.2024 | Stand 05.01.2024, 20:11 Uhr

Mit voller Konzentration bei der Sache: Tobias Reisner. Foto: SVS

Also Luke Humphries: Die Dartswelt hat seit dem späten Mittwochabend einen neuen König. Der Titelgewinn des 28-jährigen Engländers: sowas von verdient. Das findet übrigens auch Tobias Reisner. Und wenn das jemand wie er sagt, dann hat das Hand und Fuß – denn nicht nur, dass der Mann vom SV Steingriff nach eigenem Bekunden „mindestens 80 Prozent“ aller WM-Spiele 2023/24 live im Fernsehen mitverfolgt hat. Reisner beherrscht den Sport zudem auch selbst herausragend, gilt momentan als bester Dartspieler aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Seine aktuelle Einzelbilanz in der Landesliga Süd: 13 Siege in 16 Partien. Er ist damit der drittstärkste unter immerhin 93 Akteuren.

Urlaub ohne Darts kommt wohl auch 2024 nicht infrage

Reisner liebt Darts. Und er lebt diesen Sport – weit über das individuelle Training sowie die Wettkämpfe mit dem ersten SVS-Team hinaus. Im Urlaub einfach nur faul sein, die Füße hochlegen? Folgerichtig nichts für ihn. Stattdessen ging’s im November mit sieben Kumpels auf die Insel Malta, um dort fleißig WDF-Weltranglistenturniere zu bestreiten. „Wir waren tatsächlich eine coole Truppe – und wir konnten dort viele tolle Erfahrungen sammeln, durften viele interessante Konkurrenten kennenlernen“, erinnert sich der 26-Jährige gerne zurück. Die Konsequenz daraus: Für den Urlaub 2024 wird schon jetzt etwas Ähnliches ins Auge gefasst. Der Abwechslung halber soll es dann aber – so zumindest der jetzige Stand – auf die Insel Zypern zum Dartspielen gehen.

London im Allgemeinen beziehungsweise der legendäre „Ally Pally“ im Speziellen steht heuer dagegen nicht auf Reisners Reiseplänen. Noch nicht. „Einmal im Leben musst du als Darter natürlich dort gewesen sein“, so der Steingriffer über die alljährliche Kult-Austragungsstätte der WM – selbst wenn das Publikum in der britischen Metropole nicht wirklich mit jenem bei sonstigen Darts-Events zu vergleichen ist. „Im Alexandra Palace sind halt auch viele Leute unterwegs, die sich einfach nur eine gute Zeit machen wollen, ohne sich in der Sportart komplett auszukennen“, weiß Reisner: „Das ist bei anderen Turnieren anders. Bei jenen kommen unfaire Aktionen gegenüber den Spielern, wie sie leider jetzt gerade bei der WM zu sehen beziehungsweise zu hören waren, so gut wie nicht vor.“

Der neue Titelträger Humphries war ja einer der Hauptleidtragenden von unsachlichem Zuschauerverhalten, während seines dramatischen Drittrundensiegs gegen Ricardo Pietreczko wurde er von einigen deutschen Schlachtenbummlern quasi bei jedem Wurf ausgepfiffen und gebuht. Reisner kann so etwas nicht mal ansatzweise nachvollziehen. „Natürlich hoffte ich, dass die deutschen Starter heuer möglichst weit kommen – was mit gleich vier unter den besten 32 auch historisch gut gelang“, sagt der 26-jährige Steingriffer: „Aber ich bin kein Fan von einem ganz bestimmten Akteur. Ich schaue mir jeden gerne an, der gut Darts spielt.“

Also auch den erst 16-jährigen Luke Littler, der mit seinen Sensationsauftritten bei der WM einen regelrechten Hype auslöste. „Für unseren Sport an sich war das super. Darts wurde dadurch für eine noch breitere Öffentlichkeit interessant, schaffte es im deutschen Fernsehen plötzlich sogar in die Hauptnachrichtensendungen“, meint Reisner dazu. Ein Teenager, der in Englands Pubs noch nicht einmal ein Bier bestellen darf, plötzlich der absolute Hero in der vermeintlichen Kneipensportart Nummer eins: Ja, das sei natürlich gut zu vermarken. Wobei Reisner von Littlers Höhenflug in London keineswegs überrascht wurde. „Ich hatte bereits vor der WM gewusst, dass er eine Menge kann“, erzählt der Steingriffer: „Luke hatte schließlich schon bei der Jugend-WM 2023 der PDC richtig gut performt und sich dort den Titel geholt.“

Inwieweit nun der Dartssport auf Amateurebene von den Ereignissen im „Ally Pally“ profitieren kann? „Das wird sich zeigen“, so Reisner: „Wir beim SV Steingriff freuen uns jedenfalls über jeden, der neu zu uns kommen möchte, um diesen tollen Sport zu betreiben.“ Wobei die Lilaweißen bereits jetzt hervorragend aufgestellt sind: Mittlerweile nehmen sie mit sechs Teams am Punktrundenbetrieb teil – so vielen wie noch nie in der Vereinshistorie. „Aber dabei muss es ja nicht bleiben“, sagt Reisner augenzwinkernd. Nach oben sei dem Ganzen keine Grenze gesetzt.

Nach Fehlstart rechtzeitig die Kurve bekommen

Er selbst sorgt, wie anfangs bereits angedeutet, mit der ersten SVS-Garnitur in der Landesliga Süd für Furore – gegen Teams unter anderem aus Straubing, Regensburg, München und Augsburg. Stand jetzt sind die Lilaweißen auf der dritten Tabellenposition zu finden, nach zwei Niederlagen zum Saisonauftakt 2023/24 ließen sie fünf Siege in sechs Matches folgen. Oder, wie es Reisner ausdrückt: „Wir haben rechtzeitig die Kurve bekommen, um hoffentlich auch heuer nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben.“

Was eben nicht zuletzt an ihm persönlich liegt. Dass er inzwischen der einzige waschechte Steingriffer in der ersten SVS-Mannschaft ist, dass die Elitevertretung des Vereins mittlerweile fast schon als Regionsauswahl bezeichnet werden kann – der 26-Jährige sieht’s rein positiv: „Das Ganze zeigt doch, dass die Leute aus der Umgebung gerne zu uns kommen, um hier Darts zu spielen. Und je mehr das tun, um so besser ist es doch für unseren schönen Sport.“

SZ