Fünfter in Lake Louise
Galionsfigur Dreßen sorgt für Schwung im deutschen Ski-Team, aber: Horrorsturz überschattet Sanders Coup

28.11.2022 | Stand 28.11.2022, 11:40 Uhr

Mauro Caviezel knallte mit dem Kopf auf die eisige Piste. Ein Rettungshubschrauber transportierte den im Gesicht blutenden Schweizer ab. −Foto: imagoimages

Skirennfahrer Andreas Sander hat beim Super-G in Lake Louise seine erste Top-10-Platzierung seit Dezember erreicht und so die nationale Norm für die Weltmeisterschaft im Februar geknackt.

Beim Sieg des Schweizer Überfliegers Marco Odermatt fuhr der 33 Jahre alte Deutsche am Sonntag auf Platz fünf. Zweiter wurde der Norweger Aleksander Aamodt Kilde vor Österreichs Olympiasieger Matthias Mayer.

„Das war ein Lauf, der voll zum Attackieren war. Alles in allem ein super Start in die Super-G-Saison“, befand Sander. Simon Jocher (14.), Romed Baumann (17.), Josef Ferstl (27.) und Rückkehrer Thomas Dreßen (31.) rundeten das zufriedenstellende deutsche Gesamtergebnis ab. Luis Vogt schied nach einem Fahrfehler aus.

Schon früh im Winter deutet sich ein Zweikampf zwischen Odermatt und Kilde um die große Kristallkugel an. Kilde hatte am Vortag die Abfahrt gewonnen. Odermatt feierte am Sonntag seinen zweiten Saisonsieg und baute die Führung im Gesamtweltcup aus.

Überschattet wurde das Rennen von einem schweren Sturz des Schweizers Mauro Caviezel. Der 34 Jahre alte Speed-Spezialist knallte mit dem Kopf auf die eisige Piste und krachte in die Fangnetze. Erst nach rund zehn Minuten konnte Caviezel wieder aufstehen. Ein Rettungshubschrauber transportierte den im Gesicht blutenden Schweizer ab.

Der Super-G dürfte das letzte Rennen in Lake Louise gewesen sein. Die Veranstalter kämpfen schon lange mit finanziellen Problemen. Die Chancen seien gering, in Zukunft nach Lake Louise zurückzukehren, sagte FIS-Renndirektor Markus Waldner am Wochenende.

Skifahrer Dreßen ist zu Hause: „Galionsfigur“ bei Comeback in WM-Form

Thomas Dreßens lange Leidenszeit endete mit einem Urschrei in den Rocky Mountains. 995 Tage nach seinem letzten Weltcup-Start legte Deutschlands bester Abfahrer als Achter in Lake Louise ein bemerkenswertes Comeback hin und knackte auf Anhieb die nationale WM-Norm. Voller Erleichterung riss der frühere Kitzbühel-Sieger seine Arme in die Luft und brüllte ein unüberhörbares „Jaaaa!“ durch den Zielraum. Dreßen ist zurück - und wie. „Es hat sich angefühlt, wie nach Hause kommen“, beschrieb der 29 Jahre alte Skirennfahrer seine Glücksgefühle nach der Schussfahrt am Samstag.

Mit der Startnummer vier stürzte sich der verletzungsgeplagte Oberbayer aus dem Häuschen der „Olympic-Downhill“-Strecke. „Beim Start habe ich die Nervosität gespürt“, berichtete der Mittenwalder später. Kein Wunder: Für den Deutschen war es das erste Weltcup-Rennen seit März 2020. Zuerst hatte Dreßen eine Hüft-Operation ausgebremst. Dann sorgte ein Eingriff am vorgeschädigten rechten Knie dafür, dass er die gesamte vergangene Saison inklusive der Olympischen Spiele verpasste.

Wer bei Dreßen jetzt einen Mangel an Selbstvertrauen und Routine erwartet hatte, wurde enttäuscht. Vielleicht fehlte dem Deutschen in den steilen Abschnitten hier und da der Mut, noch gnadenloser zu attackieren. Doch Hauruckaktionen seien ohnehin nicht geplant gewesen. Dafür zeigte der Speed-Spezialist in den Gleitpassagen prompt seine ganze Klasse, die ihn bisher zu fünf Weltcup-Siegen führte. „Ich bin voll zufrieden. Richtig cool, dass ich wieder da bin“, schwärmte Dreßen über den „tollen Tag mit vielen Emotionen“.

Nach nur einem Rennen scheint Deutschlands Ski-Aushängeschild zurück in der erweiterten Weltspitze - und der Deutsche Skiverband (DSV) hat sein Zugpferd wieder. „Der strahlt aus. Wenn du vorne eine Galionsfigur hast, wächst das Selbstvertrauen des ganzen Teams“, äußerte Alpin-Direktor Wolfgang Maier zuletzt. Beim ersten Speed-Wochenende, an dem Dreßen im Super-G am Sonntag Platz 31 belegte, klappte das schon mal ganz gut.

Romed Baumann und Andreas Sander fuhren jeweils einmal unter die besten Zehn. Simon Jocher und Dominik Schwaiger rundeten mit einer Fahrt unter die Top-15 das starke Gesamtergebnis aus deutscher Sicht ab. Der erhoffte Dreßen-Effekt scheint einzutreten. Nur Josef Ferstl und Nachwuchshoffnung Luis Vogt mussten sich in beiden Rennen mit einer Position jenseits der besten 20 begnügen.

Für die Schnellsten unter den Alpinen war es die erste Abfahrt der Saison, nachdem die geplanten Matterhorn-Rennen wegen Schneemangels abgesagt werden mussten. Nächstes Wochenende geht es in Beaver Creek weiter. Deutschlands Speedfahrer haben nach einem ernüchternden Winter plötzlich wieder einen Anwärter auf die Podestplätze.