FC Pipinsried setzt nicht nur auf Erfahrung
Jugend forsch im Abstiegskampf

01.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:45 Uhr

Plötzlich mittendrin statt nur dabei: (v. l.) FCP-Keeper Daniel Witetschek. Foto: M. Schalk

Selbst alteingesessene Fans des FC Pipinsried mussten am vergangenen Samstag ganz genau hinschauen, wer denn da so in der gelbblauen Startaufstellung für das erste Punktspiel 2023 in Rain am Lech (0:0) stand.

Wer bitte schön ist etwa Mohammed Amdouni? Die Namen von Sebastian Keßler, Tim Greifenegger und Daniel Witetschek waren ihnen etwas bekannter – aber auch diese waren zuvor kaum in den Genuss gekommen, von Beginn an ihr Können zu zeigen.Beim FCP hat sich zuletzt in der Tat einiges geändert. Nicht nur in der Mannschaftsleitung an sich, wo jetzt Atdhedon Lushi als Teammanager, Herbert Paul als Spielertrainer sowie Enver Maltas als zusätzlicher Coach das Sagen haben – sondern eben auch beim kickenden Personal auf dem Platz. „Natürlich wird immer wieder gesagt, dass im Abstiegskampf eine Menge Erfahrung nötig ist“, räumt Lushi ein: „Aber wenn sich die Jungen in der Trainingsarbeit aufdrängen, wenn bei ihnen die Einstellung hundertprozentig zu passen scheint – ja, dann müssen sie einfach auch die Chance bekommen, sich zu beweisen.“

Also mit jugendlicher Power in Richtung Klassenerhalt? „Warum denn nicht?“, fragt der vom Teammanager zurück: „Selbstverständlich schauen wir von Spiel zu Spiel, wer denn auf welcher Position die beste Lösung gegen den jeweiligen Gegner sein könnte. Aber das passiert unabhängig vom Alter. Es geht nur nach der sportlichen Leistung sowie nach der Einstellung eines jeden Einzelnen.“

Zugegeben: Beim torlosen Unentschieden zuletzt in Rain war zwar nicht alles Gold, was bei den Gelbblauen so glänzte. „Aber wir präsentierten uns auf jeden Fall als echte Mannschaft“, hat Lushi zufrieden festgestellt: „Jeder fightete für jeden, und niemand ließ sich trotz des keinesfalls einfachen Spiels irgendwie hängen.“

Ein Mann, der „Jugend forsch“ im Abstiegskampf ganz besonders versinnbildlicht, ist Daniel Witetschek. Das frustrierende Bankdrückerdasein, nachdem ihm unmittelbar vor Saisonbeginn urplötzlich der inzwischen wieder nach Illertissen abgewanderte Felix Thiel vor die Nase gesetzt worden war: Der Schrobenhausener hat sich davon nicht einmal ansatzweise unterkriegen lassen. Und das beeindruckt Lushi: „Für mich ist ’Witte’ ein gefühlter Neuzugang – ja sogar eine echte Verstärkung. Wir können froh sein, dass wir so einen Topkeeper mit einem solchen Topcharakter besitzen –der noch dazu aus unserer Region kommt.“

Der Teammanager lässt aktuell nicht das Geringste auf den 22-Jährigen kommen: „Es soll ja Leute geben, die behaupten, dass nicht ganz so groß gewachsene Torhüter keine Präsenz ausstrahlen können. Aber bei Daniel ist genau das Gegenteil der Fall. Wie er von hinten mitcoacht, wie viel Leidenschaft und wie viele Emotionen er mit auf den Platz bringt – das tut der gesamten Mannschaft ausgesprochen gut.“

Zugegeben, Sebastian Keßler ist da ein bisschen anders – er ist eher der etwas ruhigere Typ. Aber auch auf ihn ist Lushi derzeit sehr stolz, er bezeichnete den 19-Jährigen vor kurzem sogar als „Gewinner der Vorbereitung“. Und das, nachdem es der gebürtige Erdinger zuvor nur auf einen einzigen Startelf-Einsatz für den FCP in der Regionalliga gebracht hatte. „Selbst die Tatsache, dass er momentan auf einer für ihn ungewohnten Position agieren muss – nämlich auf der linken Seite vor der Viererkette − macht ihm nicht zu schaffen“, berichtet Lushi. „Was Sebastian allerdings noch braucht, ist Erfahrung. Aber wie soll jemand diese bekommen, wenn er nicht spielen darf? Wir haben jedenfalls vollstes Vertrauen in sein Potenzial.“

Was auch bei Tim Greifenegger gilt. Nach mehreren Verletzungspausen schien dieser schon außen vor zu sein – bis eben die neue Mannschaftsleitung in Pipinsried übernahm. „Tim ist trotz seiner erst 21 Jahre jemand, auf den man sich bereits hundertprozentig verlassen. Wir haben jedenfalls keine Bauchschmerzen, wenn wir ihn von Beginn an bringen – wie zuletzt in Rain geschehen.“

Und dann gibt es eben noch diesen Mohammed Amdouni. Ganz ehrlich, ihn hatte im Umfeld des FCP eigentlich keiner mehr auf dem Zettel. Körperlich zu schmächtig, in Sachen Talent nicht gut genug für die Regionalliga – so wurde im Dachauer Hinterland bereits über ihn geurteilt. Prompt kam der erst 18-Jährige nur zu vier Kurzeinsätzen vor der Winterpause, bei denen er insgesamt nur 31 Minuten auf dem Platz stand. Umso größer wurden nun eben die Augen bei so manchem Zuschauer in Rain, als Amdouni am vergangenen Samstag plötzlich in der Pipinsrieder Startformation zu finden war.

„Unsere Trainer Herbert Paul und Enver Maltas schätzen an ihm vor allem, wie präsent er mit dem Rücken zum gegnerischen Tor ist und dabei die Bälle festmacht“, berichtet Lushi. Weshalb Amdounis Fähigkeiten erst jetzt in Pipinsried erkannt werden, wieso er nicht schon vor der Winterpause vermehrt zum Zug kam? „Mir fällt es schwer, darauf eine Antwort zu geben – schließlich war ich damals noch zu weit weg von der Mannschaft“, bittet Lushi um Verständnis: „Aber wenn ich Mohammed jetzt so sehe, verwundert es mich schon ein bisschen, dass er so lange Zeit überhaupt keine Rolle spielte.“

Ebenso wenig wie eben Witetschek, Keßler, Greifenegger. Bloß ob „Jugend forsch“ allein reichen wird, um den Abstieg aus der Regionalliga Bayern zu vermeiden? Kopfschütteln beim Teammanager: „Es ist ja nicht so, dass wir aktuell rein auf Talente setzen. Erfahrung ist uns mindestens genauso wichtig. Die Mischung muss einfach stimmen – beziehungsweise die Leistung, völlig unabhängig vom Alter. “

SZ