Viel Lob aus der Mannschaft
Lisa Neukirchinger (21) trainiert in Schalding die Herren-Keeper: Eine besondere Erfolgs-Geschichte

09.02.2023 | Stand 10.02.2023, 10:21 Uhr

Das Tor ist auf dem Platz Lisa Neukirchingers Metier: Zunächst als Spielerin, nun gibt sie ihr Wissen an die Keeper des FC Schalding weiter. Auf ihr Talent dafür sind auch schon Fußballschulen aufmerksam geworden.

Von Johannes Krenner

Als Maximilian Pauli im Juni 2022 das erste Mal nach der Sommerpause den Platz betritt, so erzählt er heute am Telefon, stockt der Torhüter des FC Schalding erst einmal. Mitten am Platz steht Lisa Neukirchinger, 21, Trainingsanzug, Torwarthandschuhe, bereit ihn einzuschießen. „Anfangs habe ich mich natürlich gewundert. Das ist man einfach nicht gewohnt“, sagt Pauli. Auf dem Platz ist er damit wohl nicht der einzige.

Junge Trainer sind im Herrenbereich schon eine Rarität. Noch außergewöhnlicher sind allerdings Frauen an der Seitenlinie. Dementsprechend auch meist die – zumindest anfängliche – Haltung gegenüber ihnen. Dennoch hat Lisa Neukirchinger den Schritt gewagt: Seit Sommer ist sie Torwarttrainerin des FC Schalding. Warum? Zeit, sich mal mit ihr zu unterhalten.

Im Vereinsheim des aktuellen Tabellenführers der Kreisklasse Passau wabert noch dieser urige Kneipen-Charme. Auf der Eingangstür prangt das Vereinslogo. Dahinter empfängt einen die Tresenzeile mit offenem Durchbruch ins Hinterzimmer. Dort stapeln sich die Getränkekisten. Der Kühlschrank surrt angestrengt. Die Stube ist rustikal mit Holzstühlen eingerichtet. In einem davon lehnt Lisa Neukirchinger, lange braune Haare, ein sanftes Lächeln aufgesetzt. Neben ihr sitzt Opa Matthias Wimmer. Er begleitet sie seit den ersten Tritten gegen den Ball mit vier, hat sie für Nationalmannschafts-Lehrgänge bis nach Karlsruhe gefahren und er war es auch, der für den Trainerglücksfall beim FC Schalding sorgte.

„Besseres Training wird man in der Liga nicht bekommen“

„Weil ich schon lange im Verein aktiv bin, haben sie mich gefragt, ob ich einen Torwarttrainer wüsste“, erzählt Wimmer. Und er wusste wen. Schließlich war seine Enkelin jahrelang selbst Torhüterin. Zunächst beim SV Hutthurm, dann drei Jahre lang beim 1.FC Passau, ehe sie 2014 wieder zu Hutthurm zurückkehrt. Dort spielt sie Bezirksoberliga, fängt so gut, dass sie für die Bayernauswahl nominiert wird, schließlich sogar für Lehrgänge der Nationalmannschaft. Aber das nur zur Einordnung ihrer Klasse, später mehr zu ihrem Werdegang. Fest steht: Lisa Neukirchinger ist eine äußerst talentierte Keeperin. Doch wie steht es um das Talent, ihr Können weiterzuvermitteln?

Um die Qualität eines Trainers auszuloten, fragt man am besten die Spieler. Also zurück zu Maximilian Pauli. Seine anfänglichen Zweifel räumen sich schnell aus. „Es hat schon in den ersten Trainings einfach gepasst“, sagt er. Die Einheiten seien fordernd, jedes Mal reize man die Belastungsgrenzen aus, erzählt Pauli. „Meistens wache ich am nächsten mit Muskelkater auf.“ Er lacht, schiebt aber gleich hinterher: „Das brauche ich aber auch.“ Pauli, als nicht von Klein auf gelernter Torwart, profitiere enorm von ihrem Wissen und sehe auch selbst die Verbesserung. „Also ich glaube, ein besseres Torwarttraining wird man im Umkreis und in der Liga nicht bekommen.“ Dafür investiert Neukirchinger auch viel: Am Wochenende überlegt sie sich teils zwei bis drei Stunden lang Übungen, eigens abgestimmt auf die Torhüter. „Im Training hat sie einen enormen Ehrgeiz, dass wir diese dann auch umsetzen“, erzählt Maximilian Pauli. Dieser Ehrgeiz treibt Lisa Neukirchinger schon lange an. Sie schreckt auch vor Schmerzgrenzen nicht zurück. Dafür gibt es Belege genug.

Einmal, so erzählt sie, damals noch in Hutthurm, „habe ich mir beim Aufwärmen den Arm gebrochen“. Doch einen anderen Torwart gibt es nicht im Team. Also erzählt sie keinem von ihren Schmerzen, beißt durch, die volle Spielzeit. „Wenn ich ein Ziel habe, dann kann’s auch weh tun“, sagt Neukirchinger mehr oder minder beiläufig. Dabei zieht sich dieses Mantra durch ihr ganzes Leben. Am ausgeprägtesten war dieser Wille, Schmerzgrenzen zu überschreiten, an ihrem zumindest leistungstechnischen Karrierehöhepunkt. In der Bayernauswahl und auf den Lehrgängen plagen sie Ellbogenschmerzen. Erst später stellt sich heraus, ein Teil ihres Knochens ist abgesplittert.

Doch so ehrgeizig sie auch ist, genauso gut weiß sie, Schlussstriche zu ziehen. Das erste Mal 2016: „Ich bin aus den Auswahlmannschaften ausgetreten, weil ich nicht den Profiweg einschlagen und wegziehen wollte“, erzählt Lisa Neukirchinger. Der zweite Schlussstrich folgte vier Jahre später, als sie ihre Fußballschuhe sogar komplett an den Nagel hängt. Denn nach ihrem Wechsel 2017 zum FC Ruderting ist sie von Verletzungen geplagt. „Dieses ständige Zurückkämpfen war brutal anstrengend“, sagt sie. „Seit meinem ersten Armbruch bin ich nie wieder auf 100 Prozent gekommen.“ Neukirchinger wirkt gefasst, ihre Entscheidung damals war wohl überlegt. Schließlich hatte sie neben dem Fußball schon immer noch einen Traum.

„Ich wollte von Klein auf Erzieherin werden.“ Direkt nach ihrem Realschulabschluss hat sie deshalb die fünfjährige Ausbildung begonnen. Nun hat sie ein Vollzeitstudium in Kommunikationspsychologie angehängt, parallel arbeitet sie aber trotzdem halbtags in einem Kindergarten. Ihre Woche hat nur wenige freie Stunden. „Aber ich will einfach gerne mein Wissen weitervermitteln.“ Und wo kann sie das besser als als Erzieherin und Torwarttrainerin?

Bei ihr haben auch schon Fußballschulen angefragt

Das Trainerangebot kam für sie wie gerufen. „Ich habe den Fußball schon wieder vermisst“, sagt Neukirchinger. Schon als die PNP 2016 ein erstes Mal mit ihr spricht, sagt sie: „Ich könnte mir vorstellen, auch mal Trainer zu werden.“ Dass es so schnell geht, hätte sie selbst nicht gedacht. Doch ihr Engagement war ein beidseitiger Glücksfall. Denn beim FC Schalding läuft es bisher in dieser Saison, er ist Tabellenführer mit den wenigsten Gegentoren. „Daran hat mit Sicherheit auch Lisa einen Anteil“, sagt sportlicher Leiter Armin Markowetz der PNP am Telefon. In der Mannschaft genieße sie deshalb auch eine hohe Autorität, werde vom allen respektiert.

Und auch Lisa Neukirchinger fühlt sich wohl in der Mannschaft, das merkt man während des Gesprächs. Eine Rückkehr zum aktiven Sport schließt sie zwar nicht aus, im Trainerdasein hat sie aber erst einmal ihre Leidenschaft gefunden. „Ich gehe da voll drin auf.“ Bald werde sie auch eine offizielle Trainerlizenz machen. Einige Fußballschulen sind auch bereits auf sie aufmerksam geworden. Also ist auf lange Sicht auch der professionelle Bereich möglich? Lisa Neukirchinger schmunzelt. „Vorstellen kann ich es mir. Das wäre schon so ein mögliches Ziel.“ Und mittlerweile ist ihr Mantra ja bekannt: Wenn Lisa Neukirchinger ein Ziel hat, dann...