1:1 gegen Spanien
Mathematik statt Euphorie: Hoffen auf die WM-Wende, aber Müller warnt schon vor zu großem Leichtsinn

28.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:21 Uhr

Es gibt immer noch viel zu diskutieren: Thomas Müller mit Antonio Rüdiger. −Foto: dpa

Nationalspieler Thomas Müller hat seine Teamkollegen vor zu großem Leichtsinn vor dem Gruppenfinale bei der WM in Katar gegen Costa Rica gewarnt.

„Der Schweden-Moment war 2018 auch da. Und am Ende ist er verpufft“, sagte Müller nach dem 1:1 gegen Spanien in Erinnerung an das historische Vorrunden-Aus vor vier Jahren in Russland. Damals verlor die DFB-Auswahl nach einem Last-Minute-Sieg gegen Schweden im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea (0:2).

Die Rechenspiele im deutschen Lager gingen direkt nach dem Abpfiff in Al-Khor los. Joshua Kimmich behielt vor dem Spiel gegen Costa Rica am Donnerstag (20.00 Uhr MEZ/ARD und MagentaTV) den Überblick. „Wir müssen einfach hoffen, dass Japan nicht gewinnt, selbst 2:0 gewinnen - dann sind wir weiter“, sagte der Münchner mit Blick auf das Parallelspiel zwischen Spanien und dem viermaligen Asienmeister.

Sollte Spanien gewinnen, reicht der deutschen Elf ein Sieg, um das Achtelfinale zu erreichen. Falls Japan gegen den Weltmeister von 2010 ein Unentschieden holt, müsste der deutsche Sieg mit zwei Toren Differenz ausfallen. „Wir brauchen auch ein bisschen Glück in der anderen Partie“, sagte Müller, „oder zumindest kein Pech.“

Gruppensieger kann der viermalige Weltmeister nicht mehr werden, doch zu viele Gedanken wollte sich Manuel Neuer nicht machen. „Die Entscheidung, die wir jetzt beeinflussen können, ist, das Spiel gegen Costa Rica zu gewinnen“, sagte der Kapitän.

Auch Bundestrainer Hansi Flick war natürlich bewusst, dass das hart erarbeitete Remis gegen den Angstgegner die schlimmsten WM-Befürchtungen vertreiben konnte, die ganz hohen Ziele nach einer intensiven Partie im Al-Bait Stadion von Al-Chaur aber noch in weiter Ferne liegen. „Wir wissen, dass wir den ersten Schritt erst gemacht haben. Aber wir wollen natürlich gucken, dass wir im nächsten Spiel gegen Costa Rica für uns einfach die Voraussetzung schaffen, dass wir in die K.o.-Phase kommen“, betonte der DFB-Chefcoach nach dem Remis.

Der späte Ausgleich durch den neuen Mittelstürmer-Helden Nicals Füllkrug (83. Minute) war fürs gesamte Team nach aufwühlenden Tagen in Katar zwar ein positives Signal - es lohnte sich, gegen Spanien zu kämpfen - aber für Euphorie reichte es nicht. „Wir brauchen jetzt auch nicht durchzudrehen, es ist immer noch ein 1:1 und kein Sieg. Aber wir können mit einem guten Gefühl ins letzte Spiel gehen und hoffen, dass dann alles gut ausgeht“, sagte der Bremer nach seinem Joker-Tor.

Kaschieren konnte das Unentschieden alle aufgekommenen Zweifel nicht. „Wenn wir weiterkommen, wird der Punkt der Knackpunkt sein“, sagte Turnierveteran Thomas Müller nach seinem 18. WM-Spiel. „Fußball ist ein nacktes Ergebnisspiel“, fügte der 33-Jährige an.

Die nackten Zahlen sind für Flick noch nicht erbaulich. Zum ersten Mal in der mit vier Titeln dekorierten ruhmreichen deutschen WM-Historie steht die DFB-Elf nach zwei Spielen immer noch ohne Sieg da. Dass das Achtelfinale noch möglich ist, liegt nur am 1:0 von Costa Rica gegen Japan, wenige Stunden vor dem Remis gegen Spanien.

Ein „bisschen Jubel“ sei im DFB-Quartier zu vernehmen gewesen, als die Mittelamerikaner am Sonntagnachmittag ihr Tor erzielten, berichtete Flick. Gegen Costa Rica muss am Donnerstag ein Sieg gelingen, sonst ist das Turnier für Deutschland wie vor vier Jahren beim Desaster in Russland doch nach der Vorrunde schon wieder vorbei.

Flick hofft, dass der späte Punkt gegen Spanien ein Wendepunkt sein kann für das ganze Turnier. “Vielleicht ist es die Initialzündung für die Dinge, die wir brauchen, für ein Selbstverständnis“, sagte der 57-Jährige. Automatismen und Vertrauen in die eigene Stärke fehlen offenbar noch.

Immerhin Erkenntnisse konnte Flick aus dem Beduinenzelt-Stadion mitnehmen auf die Rückfahrt weit nach Mitternacht rund 70 Kilometer nach Norden ins Teamquartier. Füllkrug ist ein Torgarant und damit eine Startelf-Option. Und Jamal Musiala gehört ins Mittelfeld-Zentrum, dort zelebrierte er nach dem Rückstand durch das Tor von Álvaro Morata (62.) seine Spielkunst. „Ich glaube, dass wir jetzt im Turnier sind, wo wir sein wollten und es jetzt nicht mehr um den Einzelnen geht, sondern um die Mannschaft“, sagte Ilkay Gündogan.

− dpa/sid/red