Bundestrainer entlassen
Am Ende funktionierte nichts mehr: Woran Hansi Flick scheiterte – die Analyse

11.09.2023 | Stand 12.09.2023, 15:32 Uhr

Hansi Flick. −Foto: dpa

770 Tage lang war Hansi Flick Fußball-Bundestrainer. Er begann stark, am Ende funktionierte nichts mehr - was er auch versuchte. Woran Flick scheiterte.

QUALITÄT
Der einfachste aller Gründe. Deutschland hat derzeit zu wenige Weltklassespieler, bei den wenigen wie Ilkay Gündogan oder Marc-Andre ter Stegen klafft eine gigantische Lücke zwischen Leistung im Verein und Leistung in der Nationalmannschaft. Zudem ergeben die Teile kein stimmiges Mosaik. Flick hatte überdies keinen einzigen Außenverteidiger von internationaler Klasse, keinen Stürmer von Weltrang. Mit drei derart wichtigen Problempositionen sind keine Titel zu holen. Aber: Flick hat auch durchaus vorhandene Potenziale nicht geweckt. Weil er sein Team nicht „anzündete“.

KOMMUNIKATION
Die WM-Dokumentation von Amazon bietet ein Bild des Jammers. Und das liegt bei weitem nicht nur an der leidigen Diskussion um die Regenbogenbinde. Flick und Oliver Bierhoff reden darin in Katar mit Mindset-Gehabe auf ausdruckslose Gesichter ein, ein Motivationsfilmchen über den Flug der Graugänse lässt die Spieler irritiert zurück. Flicks Sprache und die der Mannschaft passten nicht zusammen, selbst auf explizite Aufforderung kam anscheinend wenig bis gar nichts zurück. Flick machte viele kommunikative Fehler. In einem FAZ-Interview erklärte er, seine Spieler nicht öffentlich zu kritisieren, in der nächsten Antwort watschte er Niklas Süle ab. Der war sehr offensichtlich vor dem Japan-Spiel in Wolfsburg immer noch sauer und nicht einsichtig. Der Denkzettel verfehlte seine Wirkung. In Katar brüskierte der Bundestrainer außerdem alle anwesenden Journalisten, indem er keinen Spieler mit zur Pressekonferenz vor dem Duell mit Spanien brachte. Auch dies: ein Eigentor.

NEBENGERÄUSCHE
Ein steter Begleiter der Ära Flick. Ständig war beim DFB Führungstheater, erst am Mittwochabend eröffnete Hans-Joachim Watzke mit seinen vernichtenden, von Unwissenheit geprägten Äußerungen über das DFB-Nachwuchskonzept einen weiteren Schauplatz. Dabei war schon die WM-Dokumentation zur Unzeit erschienen. Die Medien durften sie fünf Tage vor dem Schicksalsspiel gegen Japan sehen, Amazon-Kunden vier Tage später - und alle sahen Flick beim quälenden Scheitern zu. Bei der WM gab es das Kommunikationschaos des Verbands bei der Regenbogenbinde, nach der WM wurde Bierhoff geopfert, seitdem gibt es beim DFB zumindest abseits der Nationalmannschaft ein Vakuum. Die Task Force, deren Installation auch nicht gerade den Bundestrainer stärkte, wurde als Bund alter Männer kritisiert, der dann aus seinem Kreis Rudi Völler erwählte. Zu nennen sind auch Diskussionen über Flicks Millionengehalt.

LINIE/ENTSCHEIDUNGEN
Flick mäanderte. Er erklärte den März und Juni zur Experimentierphase, wollte eine Dreierkette einstudieren, von der er sich schnell wieder verabschiedete. Nun sollte sich das EM-Kernteam einspielen, aber Flick veränderte in letzter Minute die komplette Hierarchie und taktische Statik der Mannschaft. Flicks Personalentscheidungen waren immer wieder inkonsistent, worauf sich keine klare Achse bilden konnte. Die Wichtigkeit dieser aber hatte er stets hervorgehoben. Süle weg, Süle wieder da. Müller weg, Müller wieder da. Die Liste ließe sich fortsetzen. Bei Kritik wirkte der Bundestrainer uneinsichtig, er sah Fehlentwicklungen zu spät. Das Vor-WM-Trainingslager im Oman bleibt bis heute ein Rätsel.

− sid


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