Paukenschlag vor dem Saisonende
FC Ingolstadt trennt sich von Trainer Köllner – Bewährungschance für Sabrina Wittmann

02.05.2024 | Stand 02.05.2024, 19:48 Uhr

Sabrina Wittmann leitete am Donnerstagnachmittag erstmals als Interims-Cheftrainerin das Training beim FC Ingolstadt. Die 32-Jährige ist die erste Frau, die in der 3. Liga diese Position einnimmt. Foto: Bösl

Der Start von Sabrina Wittmann als Interims-Cheftrainerin des FC Ingolstadt hätte nicht symbolträchtiger verlaufen können. Pünktlich um 15.30 Uhr schritt die 32-Jährige Richtung Trainingsplatz, hinter ihr trotteten die Spieler und zur Begleitung ertönte der erste Donnerschlag des nahenden Gewitters.



Passend für den ersten Arbeitstag der ersten Frau im deutschen Profi-Fußball, die ein solches Amt ausübt. Am Sonntag (19.30 Uhr) wird Wittmann im Heimspiel gegen Waldhof Mannheim ihr Trainerdebüt in der 3. Liga geben.

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Am Donnerstagvormittag hatten die Schanzer die Trennung von ihrem bisherigen Cheftrainer Michael Köllner bekannt gegeben. „Als Vierter der Hinrunde war es unser Plan, bis zum Saisonende zumindest oben mitzumischen. Doch seit dem Start in das Jahr 2024 glichen unsere unstetigen Leistungen vielmehr einer Achterbahnfahrt, was auch der aktuell 15. Rang in der Rückrundentabelle belegt. Wir haben eine Weiterentwicklung in der Rückrunde nicht mehr gesehen“, kommentierte FCI-Sportdirektor Ivica Grlic die Entscheidung und meinte ergänzend zum überraschenden Zeitpunkt der Trennung drei Spieltage vor Saisonende: „Auch wenn es tabellarisch um nichts mehr geht, wollen wir positiv die Saison abschließen, mit unserem Auftreten und der Art und Weise wie wir spielen. Und wir wollen den Toto-Pokal gewinnen, das ist auch ein Ziel.“

Köllners Aus schon nach 13 Monaten

Nach knapp 13 Monaten war somit Schluss für den 54-jährigen Köllner, der beim FCI von 51 Spielen 23 gewann und 17 verlor. Als der Oberpfälzer die Mannschaft im April 2023 übernahm, drohten die Ingolstädter noch in den Abstiegskampf zu geraten. Am Ende reichte es zu Platz elf, den der Verein jetzt auch wieder einnimmt – die Investitionen im vergangenen Sommer haben sich sportlich somit noch nicht bezahlt gemacht. Nach einem erwartbar schwierigen Start schien sich die Mannschaft bis zum Winter zu finden, doch dann brachen die Schanzer ein. Dennoch kommentierten viele FCI-Anhänger Köllners Entlassung in den Sozialen Netzwerken eher negativ.

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Köllners Aus ist nun die Chance für Wittmann, sich ins Rampenlicht zu katapultieren. Die aus Schelldorf nördlich von Ingolstadt stammende Trainerin ist schon seit 2009 mit dem FC Ingolstadt eng verbunden. Nach ihrer Spielerkarriere und einem Auslandsaufenthalt in den USA, wo sie in die Trainertätigkeit hineinschnupperte, begann sie zunächst als Coach bei der Audi Schanzer Fußballschule und war drei Jahre später für die U15 der Frauenabteilung verantwortlich. Seit der Spielzeit 2021/22 ist sie U19-Coach der Junioren und im Verein auch für die „Entwicklung Fußball“ zuständig.

Wittmann ein Kind des Vereins

„Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber hätte debütieren wollen. Ingolstadt ist für mich etwas ganz Besonderes, mein Heimatverein. Hier habe ich vor 19 Jahren angefangen, selbst gespielt und erste Schritte als Trainerin machen dürfen“, erklärte Wittmann. „Von Beginn an haben mir die Verantwortlichen Vertrauen geschenkt und mich stets gefördert. Durch all die Jahre an der Seitenlinie vieler Nachwuchsmannschaften bin ich zu der Trainerin gereift, die ich heute bin. Es ist eine große Chance für mich, ein Vertrauensbeweis von Dietmar Beiersdorfer und Ivo Grlic, im Profigeschäft erste Schritte machen zu dürfen“, äußerte Wittmann weiter, die erst am vergangenen Wochenende die Vize-Meisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest feierte.

Voller Elan ging sie nun ihre neue Aufgabe an. „Maximale Intensität, diagonal vor vertikal, das ist ganz, ganz wichtig“, kommandierte Wittmann die erste Übungseinheit und gab immer wieder lautstark klare Anweisungen. „Männer, bleibt im Feld!“, hieß es da, und rund 40 Zaungäste – so viele wie lange nicht – aus dem Verein und Fanumfeld schauten interessiert zu.

Mit dem Schachzug, Wittmann zur Nachfolgerin zu machen, haben die Schanzer deutschlandweit ein riesiges Echo hervorgerufen. „Wenn die Vereinsführung denkt, sie hat die Qualität, dann fertig. Ich brauche auch keine Gruppierung, die sagt, es ist schon lange überfällig“, sagte beispielsweise Fürths Trainer Alexander Zorniger und wollte das Geschlechterthema nicht überbewerten.

Keine Lizenz – trotzdem Weiterbeschäftigung denkbar

„Wir sind als Ausbildungsverein bekannt dafür, dass wir Talente nach oben bringen. Aber wir haben nicht nur die Pflicht, unsere Talente auszubilden, sondern auch unsere Trainer. Wenn Sabrina männlich wäre, wäre alles okay, und es wäre nicht spannend. Aber wir gehen nach Qualität und nicht nach dem Geschlecht“, sagt Grlic zur Beförderung der Nachwuchstrainerin. „Sie hat immer wieder Talente hervorgebracht, ist sehr lange im Verein und hat sich immer weiter nach oben gearbeitet. Jetzt gibt es die Möglichkeit für sie, diese dreieinhalb Wochen reinzuschnuppern, um zu sehen, wie der Profifußball ist, damit sie sich weiterentwickeln kann. Davor haben wir keine Angst. Die Mannschaft geht den Weg absolut mit, und wir sind davon überzeugt“, meint Grlic, der trotz Wittmanns fehlender Lizenz ein längerfristiges Engagement nicht völlig ausschließen will. „Man muss für alles offen sein. Ich denke eher positiv, wir gehen jetzt die dreieinhalb Wochen positiv an, dann sehen wir weiter.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass Wittmann über die Saison hinaus Cheftrainerin bleiben kann, ist also relativ gering, zumal der Verein – wie zuletzt die SpVgg Unterhaching – dann wohl Strafzahlungen an den DFB leisten müsste. In den drei Punktspielen und dem am 25. Mai noch folgenden Toto-Pokalfinale gegen die Würzburger Kickers kann sich Wittmann jedoch zeigen und sogar einen Titel gewinnen. Das würde ihre Ambitionen („Mein Ziel ist es, mit den besten Athleten zu arbeiten, darum sehe ich mich weiter im Junioren- und Männerfußball“) untermauern. Im Januar 2025 beginnt der nächste Uefa-Pro-Lizenz-Trainerlehrgang – da will Wittmann dann sicher dabei sein.

DK