Tuchel bekommt Vertrag bis 2025
FC Bayern bestätigt Trennung: Nagelsmann braust als Ex-Trainer an der Säbener Straße davon

24.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:33 Uhr

Um 16.11 Uhr war das Kapitel FC Bayern für Julian Nagelsmann nach der Aussprache mit den Bayern-Bossen beendet. −Foto: Stache, afp

Der FC Bayern hat Trainer Julian Nagelsmann entlassen und durch Thomas Tuchel ersetzt. Dies bestätigte der Klub am Freitag, bereits am Donnerstagabend hatten diverse Medien von der Entlassung des 35-Jährigen berichtet und den Ex-Dortmunder Tuchel als Top-Favoriten auf die Nachfolge bezeichnet.

Tuchel war im September 2022 beim FC Chelsea entlassen worden und seitdem ohne Job, nun erhält er bei den Bayern einen Vertrag bis 2025 und wird am kommenden Montag erstmals das Training beim Rekordmeister leiten. Der 49-Jährige hatte mit Chelsea im Jahr 2021 die Champions League gewonnen, zuvor war er unter anderem als Cheftrainer bei Paris St. Germain und Borussia Dortmund tätig.

Man sei zu der Erkenntnis gekommen, „dass sich die Qualität unseres Kaders – trotz der deutschen Meisterschaft im vergangenen Jahr – zunehmend seltener gezeigt hat“, sagte Vorstandschef Oliver Kahn: „Nach der WM haben wir immer weniger erfolgreich und attraktiv gespielt, die starken Leistungsschwankungen haben unsere Ziele in dieser Saison in Frage gestellt, aber auch über diese Saison hinaus. Deshalb haben wir jetzt reagiert.“

Die Bayern überzeugten in der aktuellen Spielzeit in der Champions League mit acht Siegen aus acht Spielen, absolvieren allerdings ihre schlechteste Bundesligasaison seit elf Jahren. Jüngst verloren sie bei Bayer Leverkusen 1:2 und rutschten in der Tabelle hinter Borussia Dortmund auf Platz zwei ab. Nach der Länderspielpause kommt es in München am 1. April zum direkten Duell der beiden Spitzenteams.

„Ich kann nur sagen, dass Julian Nagelsmann ein überragender Trainer ist. Ich würde sagen, dass er locker in den Top 3 meiner besten Trainer ist“, sagte der neue Nationalmannschafts-Kapitän Joshua Kimmich nach turbulenten Stunden bei seinem Arbeitgeber FC Bayern. Vor einer detaillierten Bewertung bei dem „heißen Thema“ wollte der 28-Jährige aber im mehrere hundert Kilometer entfernten Quartier der Nationalelf die Bestätigung seines Vereins abwarten.

Der 2021 für eine Rekordablöse im zweistelligen Millionenbereich verpflichtete Nagelsmann, der in dieser Woche noch beim Skifahren in Österreich weilte, düste in Begleitung seiner Berater davon. Kamerateams und Fotografen belagerten den gesamten Tag lang das Vereinsgelände – auch in der Hoffnung, Tuchel ablichten zu können.

Der Münchner Trainer-Knall schreckte eine Woche vor dem Klassiker des Tabellenzweiten gegen Spitzenreiter Dortmund die Bundesliga auf und war auch ein heißes Thema in der finalen Vorbereitung der Nationalmannschaft auf das Länderspiel am Samstag gegen Peru. „Es wird nicht so sein, dass das alle beflügelt“, sagte Bundestrainer Hansi Flick. „Wir waren natürlich auch sehr überrascht über die Schlagzeilen“, sagte Nagelsmanns Vorgänger als Bayern-Chefcoach.

Die nach der Abreise des verletzten Jamal Musiala verbliebenen Münchner Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry trabten im Frankfurter Regen beim Training zu dritt vorne weg – ins Gespräch vertieft. „Solche Diskussionen beschäftigen einen natürlich, wenn es um die Trainerposition im eigenen Verein geht. Das ist der Trainer, mit dem man tagtäglich zusammenarbeitet“, gestand Kimmich.

Nagelsmann-Aus: Warum ging es plötzlich so schnell?

Die Bayern-Bosse schwiegen zunächst zur spektakulären Trainerfrage, als sie mit ernsten Mienen am Vereinsgelände vorfuhren. Vorstandschef Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Aufsichtsratschef Herbert Hainer waren offensichtlich davon überrascht worden, dass die spektakuläre Trainer-Entscheidung am späten Donnerstagabend über externe Kanäle publik geworden war. Der Transferexperte Fabrizio Romano hatte zuerst berichtet, dass die Münchner eine Entlassung in Erwägung ziehen. Eine entsprechende Entscheidung könnte demnach bei den Bayern schon in Kürze fallen, twitterte der Italiener. Dann ging es Schlag auf Schlag.


Richtige Entscheidung? Schreiben Sie uns Ihre Meinung zur Nagelsmann-Entlassung an sport@pnp.de (unter Angabe des Namens und Ihres Wohnorts)




Fünfjahresvertrag: Es soll auch Klauseln für Trennung geben



Im Juli 2021 hatte Nagelsmann als Nachfolger von Hansi Flick seine Arbeit bei den Münchnern aufgenommen und einen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Bayern zahlte 25 Millionen Euro Ablöse an Leipzig. Nagelsmann und der FCB – es sollte ein Langzeitprojekt werden. Trotzdem: Dem Vernehmen nach wurden in dem Arbeitspapier auch Klauseln für den Fall einer vorzeitigen Trennung vereinbart. Billig dürfte Nagelsmanns Abgang nicht werden.

Der 35-Jährige hatte es von Anfang an nicht leicht an der Isar. Kann so ein junger Trainer den großen FC Bayern? Nach dem frühen Aus im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach und dem Viertelfinal-K.o. in der Königsklasse gegen Villarreal nahm die Zahl der Kritiker in der Vorsaison nicht ab. Der zehnte Meistertitel in Folge konnte über die aus Bayern-Sicht schlechte Saison nicht hinwegtäuschen. Das war alles nur nicht bayern-like.

In dieser Spielzeit wollte es Nagelsmann dann allen beweisen. In der Champions League steht der Fußball-Riese im Viertelfinale gegen ManCity, im DFB-Pokal im Viertelfinale gegen Freiburg. Eigentlich hatte nichts auf eine Trennung hingedeutet. Sportvorstand Hasan Salihamidzic sprach zuletzt von einem „Langzeitprojekt“ mit Nagelsmann, auch Vorstandschef Oliver Kahn und Präsident Herbert Hainer nahmen den Coach wiederholt in Schutz.

Kostet Nagelsmann allein die durchwachsene Bundesliga-Saison jetzt den Job? Am Samstag in Leverkusen war Salihamidzic geradezu ungehalten, er habe von den Spielern „nicht das“ gesehen, „was Bayern München bedeutet“, sagte er. Seine Mängelliste war entsprechend lang: „So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt.“

Dabei hatte Nagelsmann nach dem dominanten Einzug ins Viertelfinale der Champions League gegen Paris St. Germain noch betont, dass die Bayern „alles erreichen“ können - allerdings nur, „wenn wir die maximale Gier und Emotionalität mit unserer Qualität paaren“.

Tuchel: Er zog kürzlich nach München

Vor der WM-Pause hatte alles noch auf eine normale Spielrunde hingedeutet. Die Bayern an der Spitze, Dortmund mit neun Punkten Rückstand sogar nur auf Platz sechs. Rund drei Monate später haben die Schwarz-Gelben die Münchner überholt.

Besonders brisant: Jetzt soll kein Geringerer als Thomas Tuchel die Münchner zur elften Meisterschaft in Folge führen. Zumindest die äußeren Umstände passen: Der ehemalige Trainer des FC Chelsea und von Paris Saint-Germain zog kürzlich aus England weg. Wohin? Nach München!

Schon 2018 bandelten die Münchner mit Tuchel an – zögerten aber zu lange. Niko Kovac bekam den Zuschlag und Tuchel ging nach Paris. Ein Fehler, den die Bayern womöglich nicht ein zweites Mal machen wollten. Medienberichten zufolge stand Tuchel zuletzt bei Tottenham Hotspur hoch im Kurs.

− dpa/sid/red