Eishockey-Oberliga Süd
Die Gefahr an der Bande: Schwerer Unfall von Rosenheims Glemser wirft Fragen auf

16.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:56 Uhr

Mike Glemser an der Scheibe: Der Angreifer des Eishockey-Oberligisten Starbulls Rosenheim ist nach seinem Unfall auf dem Garmischer Eis Adressat zahlreicher Genesungswünsche. −Foto: Christian Butzhammer

Wöchentlich finden Sie bei uns ein Special über die Eishockey-Oberliga. Heute: Der schwere Unfall des Rosenheimer Profis Mike Glemser sorgt für Bestürzung – und Fragen.

Beim Spiel zwischen dem SC Riessersee und den Starbulls Rosenheim läuft die neunte Minute, als es mit einem Mal ganz still wird im Garmischer Olympia-Eissportzentrum. So beschreiben Beobachter die Momente in dieser Begegnung der Eishockey-Oberliga Süd am Freitag vor 14 Tagen. Unten auf dem Eis liegt Rosenheims Mike Glemser (25) nach einem Bandencheck regungslos auf dem Eis. Der Rosenheimer war mit dem Kopf voran gegen die Bande geknallt, wurde auf einer Trage weggebracht. Schnell kommt von Vereinsseite die Meldung von einer Operation, ohne dass Angaben zu Art und Schwere der Verletzungen gemacht werden. Seither dringen keine weiteren Informationen zum Gesundheitszustand des gebürtigen Stuttgarters nach außen. Von Nachfragen, so schreiben die Starbulls auf ihrer Facebook-Seite, bitte man „aus Rücksicht auf Mike und seine Familie“ abzusehen.

Die Anteilnahme am Unfallschicksal des Starbulls-Profis ist jedenfalls groß, und sie wird geteilt weit über Vereins- und Ligengrenzen hinweg. Ehemalige Klubs Glemsers melden sich ebenfalls via Facebook zu Wort. „Das gesamte Indianerland drückt dir die Daumen und ist in Gedanken bei dir Mike!“, schreiben die Hannover Indians. „Es gibt Tage, Stunden und Momente, da ist der Sport völlig zweitrangig“, fassen die Dresdner Eislöwen die Fassungslosigkeit im Klub in Worte. „Wir schicken die besten Genesungswünsche und hoffen, dass Mike schnell wieder gesund wird!“

Untersuchung: Die meisten Verletzungen entstehen in Bandennähe



Die Schockmomente von Garmisch rücken nun ein Unfallgeschehen wieder ins Bewusstsein, das im Eishockey schon in der Vergangenheit für Diskussionen sorgte. Es muss ja nicht immer eine Brutalo-Attacke sein wie bei der WM 2019, als Nationalspieler Moritz Seider von einem slowakischen Gegenspieler von hinten aus dem Spiel gecheckt worden war. Im Dezember hatte es NHL-Profi Tim Stützle erwischt. Nach einem Bandencheck im Spiel seiner Ottawa Senators gegen die Anaheim Ducks war er mit einer Oberkörperverletzung ausgeschieden. Nun bringt der Unfall von Garmisch auf dramatische Weise in Erinnerung, welche Gefahr von der Bande ausgehen kann, wenn Geschwindigkeit außer Kontrolle gerät. Eine Untersuchung der gesetzlichen Unfallversicherung VBG aus der Saison 2014/15 kommt zum Ergebnis, dass die meisten Eishockey-Verletzungen in Bandennähe entstehen. Fast zwei Drittel davon resultierten demnach aus einem direkten Kontakt, jede siebte Verletzung aus einem Foulspiel.

Jiri Ehrenberger kann und will sich nicht zum Unfallgeschehen von Garmisch äußern, in Zusammenhang mit der Bandengefahr spricht der Trainer des Rosenheimer Oberliga-Konkurrenten Deggendorfer SC ganz allgemein aber durchaus von einem Problembewusstsein in Reihen der Eishockeyprofis. Ein Täter, gleich ob in Absicht oder aus einer Ungeschicklichkeit heraus handelnd, könne schließlich in der nächsten Aktion schon Opfer sein. „Im Training habe ich noch nie eine derartige Situation erleben müssen“, sagt der Trainer-Routinier.

DSC-Trainer Ehrenberger: „Ein Prozent mehr kann zuviel sein“



„Aber im Spiel, wenn die Emotionen hochgehen, kann das eine Prozent mehr an Einsatz schon eines zuviel sein“, stellt Ehrenberger fest. Das Problembewusstsein bietet seiner Ansicht nach zumindest die Chance, bei Zweikämpfen an der Bande den Respekt nicht vermissen zu lassen, auch wenn Unfälle mit dramatischen Folgen selten seien. „Aber noch weniger wäre besser“, sagt Ehrenberger.

Das wäre auch seinem Passauer Kollegen Petr Bares recht. „Wir spielen die schnellste Mannschaftssportart der Welt“, sagt der Coach der Black Hawks. „Das Spielfeld ist eng, der Sport ist zweikampfintensiv, da kann man sich nur auf eine Art schützen: indem man die Spieler gut ausbildet und sie lehrt, Situationen einzuschätzen“, beschreibt er den Auftrag. Aus seiner Sicht hat der Eishockeysport in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht „viele richtige Schritte gemacht“. Einen Eishockeysport ganz ohne Risiko, da sind sich alle einig, wird es freilich nicht geben.