Neue Heimat in Pfaffenhofen
Die deutsche Para-Eishockey-Nationalmannschaft bereitet sich in der Stadtwerke-Arena auf die WM vor

03.02.2024 | Stand 03.02.2024, 12:00 Uhr

Trainingseindrücke von den Para-Nationalspielern: Goalie Veit Mühlhans (links) versucht die Schüsse von Angreifer Ingo Kuhli-Lauenstein abzuwehren. Fotos: Stolle

Dass auf dem Eis in der Pfaffenhofener Stadtwerke-Arena mal Sportler auf einem Schlitten herumdriften und es Spaß macht, ihnen dabei zuzusehen, hätte sich Jan Hofbauer vor wenigen Wochen wohl nicht gedacht. Der ECP-Vorsitzende steht gespannt an der Bande und sieht den Spielern der deutschen Para-Eishockey-Nationalmannschaft beim Training zu.

Nachdem kurz vor Weihnachten bereits die deutsche Auswahl der U18-Volleyballer beim MTV zu Gast war, ist Hofbauer stolz, nun Teile des Nationalteams beim EC Pfaffenhofen begrüßen zu dürfen. Seit Anfang Januar trainiert eine Handvoll Para-Eishockey-Nationalspieler jeden Mittwoch (ab 21.30 Uhr) auf Pfaffenhofener Eis, um sich auf die Weltmeisterschaft Mitte April in Norwegen vorzubereiten.

Wieso sie das ausgerechnet in Pfaffenhofen tun? „Die Nationalmannschaft hatte zuerst beim ERC Ingolstadt wegen Eiszeit fürs Training angefragt, die haben die Anfrage dann an uns weitergeleitet“, sagt Hofbauer. Der ECP zeigte sich sofort aufgeschlossen, obwohl auch er nur noch wenige freie Eiszeiten hatte, wie Hofbauer schildert. „Wir hatten im Verein bis dato keine Berührungspunkte mit Para-Eishockey, keiner hat sich groß damit befasst. Dabei finde ich es total faszinierend und wir freuen uns, dass die Nationalspieler da sind und wir damit zudem etwas Gutes tun können.“

Es scheint eine Win-Win-Situation: „Wir sind einfach nur dankbar, dass wir in Pfaffenhofen gemeinsam trainieren dürfen“, sagt Goalie Veit Mühlhans. Die teils lange Anfahrtszeit – zwei Spieler kommen aus München, einer aus Holzkirchen und einer aus dem Tölzer Raum – und den späten Termin nehmen die Para-Nationalspieler dafür gerne in Kauf. „Abgesehen von den Trainingslagern mit der Nationalmannschaft konnten wir in den vergangenen vier, fünf Jahren nie zusammen trainieren“, sagt Ingo Kuhli-Lauenstein. Zwar hätten sie vor ihrer Zeit in Pfaffenhofen in Dachau Eiszeit bekommen, „doch dort mussten wir uns das Eis mit Nachwuchsspielern teilen und eine Einheit in der Gruppe war quasi nicht möglich“, erzählt der Nationalspieler. Finanziert wird die Eiszeit der Para-Sportler beim ECP von der Heinz-Kettler-Stiftung, die den Behindertensport in Deutschland fördert. „Die Nationalspieler bekommen bei uns sehr gute Konditionen“, sagt Hofbauer.

Kuhli-Lauenstein und seine Teamkollegen bedauern es, dass Para-Eishockey unter den DEL- und DEL2-Vereinen kaum Beachtung findet. Anfragen nach Eiszeit liefen ins Leere, auch bei kleineren bayerischen Klubs. „Das würde die Vereine ja Geld kosten“, sagt Kuhli-Lauenstein. Bundestrainer Andreas Pokorny zeichnet ein düsteres Szenario: „Ich mache mir große Sorgen, dass unser Sport ausstirbt. Vor allem aus Bayern, wo Eishockey populär ist, müsste es doch mehr Spieler und Interesse geben. In der Liga dürfen ja auch nicht-behinderte Spieler mitspielen. Aber die Klubs machen da zu wenig. Daher würde ich mir wünschen, dass wir – wie es zum Beispiel in Tschechien der Fall ist – vom DEB mehr gefördert werden.“ Der Bundestrainer meint das nicht nur finanziell: „Beim Deutschland-Cup zum Beispiel waren erstmals die Frauen dabei, warum nicht auch wir? Zumindest ein Einlagespiel oder ein Eröffnungsbully hätte die Sichtbarkeit unseres Sports erhöht. Ich war sehr enttäuscht, dass wir in Landshut nicht ins Programm integriert worden sind.“ In anderen Ländern, beispielsweise den USA, Kanada oder Russland, könnten Spieler teilweise von Para-Eishockey leben, ergänzt Nationalverteidiger Hugo Rädler. In Deutschland gäbe es zwar eine Liga, doch dort sei das Leistungsgefälle so groß, dass nur selten ein Wettkampf zustande komme. „Letztes Wochenende hat Hannover gegen Berlin mit 36:2 gewonnen.“

Dank der Eiszeit in Pfaffenhofen können sich die bayerischen Nationalspieler nun zumindest ordentlich auf die B-WM vorbereiten: „Die Einheiten in der Gruppe bringen uns enorm weiter“, sagt Rädler. „Natürlich steigen so unsere WM-Chancen.“ Nachdem Deutschland bei der vergangenen WM Letzter wurde und vom A- in den B-Pool absteigen musste, ist nun der Titel und die Rückkehr in die A-Gruppe das große Ziel. Als Favorit gilt aber Norwegen, wo die Bedingungen ebenfalls besser sind als in Deutschland.

Um Para-Eishockey zu lernen, ist Geduld gefragt: Bis man das Fahren auf den beiden Kufen des Schlittens drauf hat, dauert es. Um vorwärts zu kommen, haben die Spieler – den meisten von ihnen wurde ein Bein amputiert – zwei Schläger, mit denen sie ihren Schlitten anschieben. Gleichzeitig sollen sie damit natürlich auch den Puck führen und schießen. Die Regeln sind dieselben wie beim klassischen Eishockey, und zur Sache geht es genauso: „Das macht für mich auch den Reiz aus: Es ist trotzdem ein harter Sport, Körperkontakt ist gang und gäbe“, sagt Goalie Mühlhans.

Wer Interesse hat, Para-Eishockey auszuprobieren, kann jeden Mittwoch um 21.30 Uhr einfach zum Training vorbeikommen. Der ECP plant darüber hinaus einen Info- und Aktionstag. „Ob wir den am Ende der aktuellen oder zu Beginn der neuen Saison machen, steht noch nicht fest“, sagt Hofbauer. Klar ist für ihn aber, dass die Nationalspieler gerne langfristig in Pfaffenhofen trainieren können.

PK