Nationalspieler aus Deggendorf meldet sich zurück
6 Jahre unter Schmerzen: Manuel Wiederer wird ein Berliner Eisbär – die Hintergründe

07.07.2021 | Stand 18.09.2023, 22:23 Uhr

Will unbedingt zu den Olympischen Winterspielen in Peking: Manuel Wiederer, 24, deutscher Eishockey-Nationalspieler aus Deggendorf. −Foto: imago images

Wie auf Schienen ist Manuel Wiederer (24) durchs Leben eines Eishockey-Profis gerast, bis Körper und Kopf im Januar sagten: Game Over. Der Nationalspieler aus Deggendorf zog die Handbremse, löste seinen Vertrag in den USA auf und nahm sich eine Pause. Seit Mittwoch ist er ein Berliner Eisbär – und sagt: "Ich bin so gesund und glücklich wie nie zuvor."

Manuel Wiederer (24) rückt den Stuhl zurecht und nimmt Platz. Es ist viel passiert, und er hat viel zu erzählen.

Ein halbes Jahr lang hat er sich zurückgezogen. Der deutsche Eishockey-Nationalspieler brauchte Zeit für sich, hat viele im Dunkeln gelassen über seine Pläne: Freunde, Bekannte, die Presse sowieso. Man hatte nur gehört, dass der Deggendorfer im Januar nicht wie geplant in die USA zu den San José Barracuda zurückgekehrt war, und man hatte von Wiederer zu hören bekommen, dass er sich meldet, wenn er etwas zu erzählen hat. Gesagt, getan. Freitags kommt die WhatsApp: "Es gibt endlich gute News!"

Das Treffen steht. Vier Tage später rückt Manuel Wiederer also im Deggendorfer Café Floh den Stuhl zurecht, setzt sich und sagt: "Ich werde morgen bei den Eisbären Berlin vorgestellt. Ich bin so glücklich und so gesund wie nie, und ich kann endlich ohne irgendwelche Schmerzen auf dem Eis stehen. Das hatte ich seit 2015 nicht!"

Wie auf Schienen raste er durchs Leben eines Eishockeyprofis, gequält von kleinen, großen oder sehr großen Verletzungen wie an Knie und Ellenbogen. Im Winter auf dem Eis, im Sommer beim Physio oder Chirurgen. "Ich habe seit sechs Jahren bei jedem Spiel unter Schmerzen gespielt", sagt Wiederer, und kommt dann aufs Kernproblem zu sprechen: "Das Körperliche war das eine, das Mentale das andere. Ich habe mich gefühlt wie ein alter Mann, dabei bin ich erst 24."

Seinen "Tiefpunkt", wie er sagt, erreicht er im Januar 2021. Wiederer spielte davor einige Wochen für den Deggendorfer SC, wollte daheim an der Trat den Spaß wieder finden und nebenbei seinem Heimatverein in der Oberliga Süd zu Punkten verhelfen. Von ihm wollten die Leute Tore sehen, der Mann spielt doch schließlich in Amerika, klopft fest ans Tor zur NHL (National Hockey League), der stärksten Eishockey-Liga der Welt. Aber Wiederer, der sowieso Defensiv-Stürmer ist und sich als Drecksarbeiter anstatt als Alleinunterhalter sieht, schoss fürs Deggendorfer Publikum nur vier Tore in zwölf Spielen. Und Spaß, den hatte er auch nicht, was auch dran lag, dass der DSC kriselte und kurz nach seinem Abschied den Trainer austauschte.

Mitte Januar sagte Wiederer wieder Servus zum DSC, die San José Barracuda riefen ihn zu sich nach Kalifornien. Doch in Kopf und Körper sagte alles Stop. "Ich habe gespürt, dass ich überhaupt nicht bereit dafür war", sagt Wiederer. Er wählte die Nummer des Managers und erklärte ihm, dass er nicht kommen und den Vertrag auflösen wird. "Ich bin stolz darauf, dass ich für mich und meine Gesundheit eingestanden bin", sagt Wiederer heute.

Jetzt freut er sich "brutal" darauf, für die Eisbären zu spielen, sagt Wiederer. Die Reise nach Berlin wird er am 19. Juli antreten. Nicht auf Schienen und fremdbestimmt, sondern bewusst und mit einem guten Gefühl in Kopf und Körper. Dass unter anderem Sportdirektor Stéphane Richer Kanadier ist und Wiederer als Spieler gut kennt, gibt ihm viel Vertrauen. "Manuel ist ein talentierter, deutscher Stürmer. Er ist bereits sehr erfahren, besitzt aber weiterhin noch Entwicklungspotenzial. Er kennt die PENNY DEL und hat bereits bewiesen, dass er verlässlich punkten kann", wird Richer in einer Pressemitteilung zitiert. Wiederer erhält einen Einjahresvertrag und wird mit Rückennummer 15 auflaufen.

Berlin wird für ihn im doppelten Sinn eine Bühne: Manuel Wiederer will sich für die Olympischen Winterspiele in Peking im Februar 2022 empfehlen, und dann auf absehbare Zeit in die NHL wechseln. "Das Kapitel ist für mich überhaupt nicht abgeschlossen. Ich bin jetzt gesund – und ich freue mich ehrlich gesagt auch darauf, wenn dann im Herbst ein paar Leute sagen: Boah, den hab’ ich ja brutal unterschätzt."

Manuel Wiederer hat wieder Lust auf Eishockey. Der junge Mann ist wieder jung. Es gibt endlich gute News.

Mehr dazu lesen Sie in der Donnerstagsausgabe Ihrer Heimatzeitung, Sport Niederbayern, oder HIER auf PNP Plus.