Hoffen auf Staatshilfen
Der Plan für den Eishockey-Restart in Deutschland: Ein Problem überstrahlt alles

14.06.2020 | Stand 18.09.2023, 22:14 Uhr

Eine volle Fankurve am Straubinger Pulverturm: Das wird es zum Saisonstart der DEL wohl nicht geben. −Foto: dpa

Der Eishockey-Boom hält auch zwei Jahre nach Olympia-Silber an, herausragende Talente wie Jungstar Tim Stützle drängen in die NHL, der Verband bewirbt sich um die nächste Heim-WM – doch die Coronakrise bereitet den Puckjägern existenzielle Sorgen.

Gemeinsam mit der Deutschen Eishockey Liga (DEL) arbeitet der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) derzeit an der Rückkehr zum Spielbetrieb – notfalls mit weniger Zuschauern, aber Zuschüssen. Bis "Anfang, Mitte Juli" soll nach dem Willen des DEB das Konzept vorliegen, mit dem der Neuanfang glücken soll. Das größte Problem: das Publikum, mit dem zumindest zum Teil der Spielbetrieb weitergehen soll. "Die Krise wird den Eishockeysport erst so richtig erfassen, wenn ab September der Spielbetrieb nicht wieder mit Zuschauern gestartet werden kann", warnte Präsident Franz Reindl nach der virtuellen Mitgliederversammlung des DEB. "Aktuell hat der Eishockeysport noch keine Perspektive, wieder vollumfänglich seine Veranstaltungen anzubieten."

Der DEL-Auftakt ist für den 18. September geplant, anders als im Fußball sind die Clubs deutlich mehr auf die Einnahmen von Zuschauern angewiesen. Großveranstaltungen sind in Deutschland allerdings noch bis zum 31. August verboten, in Berlin bis Ende Oktober. "Wir wissen nicht, wohin die Reise geht", sagte Reindl.

Der vorzeitige Saisonabbruch wegen der Pandemie im März hat allein die Deutsche Eishockey Liga (DEL) knapp 20 Millionen Euro gekostet. Ungleich größer könnte der Schaden werden, wenn im Herbst in leeren oder nur spärlich gefüllten Hallen gespielt werden müsste. Verband und Liga setzen deshalb auf Staatshilfe, doch die Fragezeichen sind groß.

Reindl sprach von "derzeit nicht erreichbaren Hürden" und stellte im Konjunkturpaket der Bundesregierung "Nachbesserungsbedarf" für die Profiligen jenseits des Fußballs fest. Die Politik sei "aufgeschlossen, wir fühlen uns gehört und anerkannt", sagte der DEB-Präsident, doch mit welchen Hilfen die Klubs konkret rechnen könnten, sei noch unklar.

"Wir sind am Zug und müssen nachweisen, wie hoch tatsächlich der Schaden ist", betonte Reindl. Dabei geht es nicht nur darum, "Überbrückungshilfen" für die aktuell spielfreie Zeit und die Einnahmeausfälle durch die Play-offs-Absage zu beantragen, sondern vor allem um die neue Saison. DEB-Generalsekretär Stefan Schaidnagel erarbeitet in der Task Force Eishockey zusammen mit der DEL und der DEL2 ein Konzept für den Wiederbeginn, das er spätestens Mitte Juli vorstellen will.

Es geht um Hygienebestimmungen, verbesserte Ausrüstung wie ein Vollvisier zum Infektionsschutz, Tests, Abstandsregeln – vor allem aber um die Anzahl der Zuschauer. "Wir müssen den Prozentsatz ermitteln, der im Stadion sein darf", erläuterte Reindl. Dabei müssten die Klubs "mehrere Szenarien" durchspielen, weil die "Tendenz zu mehr Öffnung geht", so der DEB-Chef. Die Hoffnung der Eishockey-Macher: Die Einnahmen, die im Vergleich zum Zuschauerschnitt der Vorsaison fehlen, ersetzt der Staat.

Den Verband selbst hat die Coronakrise finanziell noch nicht getroffen. Weil Kosten für diverse WM-Turniere und Vorbereitungsspiele wegfielen, ist der DEB laut Reindl "aus dem ersten Halbjahr wirklich gut rausgekommen". Für das zweite Jahreshälfte 2020 und das kommende Jahr wird mit einem Minus geplant, "aber wir haben das Geld, weil wir Rücklagen gebildet haben". So ist der Gewinn aus der Heim-WM 2017 in Höhe von zwei Millionen Euro noch unangetastet. Um auch in Zukunft diese wirtschaftliche Sicherheit zu haben, will sich der DEB für die Ausrichtung der WM 2027 oder 2028 bewerben.

Positiv ist vor allem die Entwicklung im Nachwuchs: Nicht zuletzt wegen der Olympia-Sensation von 2018 stieg die Zahl der Eishockey spielenden Kinder in den vergangenen drei Jahren um 20 Prozent. Das vor fünf Jahren beschlossene Konzept "Powerplay 2026" hat auch in der Spitze zu Erfolgen geführt: Mit Stützle, John-Jason Peterka und Lukas Reichel könnten erstmals gleich drei deutsche Talente in der ersten Runde des NHL-Drafts ausgewählt werden. "Wir werden das beste Ergebnis aller Zeiten für das deutsche Eishockey haben", prophezeite Reindl.

− sid/dpa/red