Von der C-Lösung an die Spitze: "Bürschchen" Brazzo ist jetzt Sportvorstand Salihamidzic

01.07.2020 | Stand 19.09.2023, 1:39 Uhr

Steiler Aufstieg: Hasan Salihamidzic kam 1998 mit 21 Jahren vom Hamburger SV zum FC Bayern. Nun wird er Sportvorstand in München. Als Sportdirektor gewann er mit den Bayern bisher dreimal die Deutsche Meisterschaft und einmal den DFB-Pokal. −Foto: dpa

Oliver Kahn spricht von einem "großen Schritt", Herbert Hainer verweist auf die "größere Verantwortung", und Uli Hoeneß ist sicher: Als neuer Sportvorstand wird Hasan Salihamidzic ab Mittwoch beim FC Bayern München "ein anderes Standing" haben. Seine Vision jedoch, betont der bisherige Sportdirektor, bleibe dieselbe: "Ich will die Champions League gewinnen und Geschichte schreiben." Am liebsten schon diesen Sommer.

Die Beförderung hatte der Aufsichtsrat des deutschen Branchenführers im vergangenen Dezember beschlossen. Salihamidzic sei "der richtige Mann, um die sportliche Zukunft des FC Bayern zu gestalten und zu verantworten", begründete Aufsichtsratschef Hainer. Die Position des Sportvorstands war seit dem Abgang von Matthias Sammer 2016 unbesetzt. Seine Beförderung in den sechsköpfigen Vorstand empfindet Salihamidzic als "Ehre" und "große Sache", die ihn "ein bisschen stolz" mache. Doch wie bei seiner Ernennung zum Sportdirektor am 31. Juli 2017 wird die Personalie von der Frage begleitet: Kann er das? Salihamidzic habe seither "eine sehr gute und sehr nachhaltige Entwicklung" genommen, betonte Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. "Er hat viel gelernt". Inzwischen sei er "in seinem Job etabliert und sehr wertvoll für den FC Bayern".

Dabei war Salihamidzic damals nur die C-Lösung. Seine zweite Karriere beim FC Bayern entstand eher zufällig weit entfernt von München in Asien. Hoeneß wollte Max Eberl aus Gladbach, Rummenigge präferierte den langjährigen Kapitän Philipp Lahm. Im Sommer 2017 waren die beiden Münchner Alphatiere auf einer PR-Tour des deutschen Rekordmeisters mit Spielen in China und Singapur viel zusammen unterwegs. Salihamidzic, damals Markenbotschafter, war schließlich der Kompromiss. Er hatte sich nach seiner Profizeit "in der Wirtschaft die Hörner abgestoßen", wie er sagte, und in Frankfurt ein mittelständisches Immobilienunternehmen aufgebaut.

"Notlösung? Ich fühle mich überhaupt nicht so", sagte Salihamidzic wenige Tages später zurück in München bei seiner Präsentation am letzten Julitag 2017. In München ging er zunächst durch ein "Stahlbad" (Hoeneß). "Brazzo", das "Bürschchen", überzeugte mit Fleiß, wirkte in der Außendarstellung aber zu fahrig. Hoeneß und Rummenigge mussten den Mann ihrer Wahl immer wieder gegen Kritik von außen verteidigen. "Er ist ein junger Mensch – und für die Ausbildung als Sportdirektor gibt es keine Uni, die dich darauf vorbereitet. Du musst ins Wasser springen – und vom ersten Tag an ohne Reifen schwimmen", sagte Rummenigge Ende vergangenen Jahres.

Die Bosse aber schätzen neben Ehrgeiz und Pfiffigkeit das gute Netzwerk des 43-Jährigen, mit Alphonso Davies erwies Salihamidzic ein goldenes Transferhändchen. Den Umbruch in der überalterten Mannschaft gestaltete er mit neuen Gesichtern wie Leon Goretzka, Serge Gnabry oder Benjamin Pavard erfolgreich mit, in der internen Diskussion um eine Verpflichtung von Timo Werner setzte er sich gegen Trainer Hansi Flick durch. Rekordtransfer Lucas Hernández dagegen ist sein Geld (80 Millionen Euro) bislang nicht wert. Die kontrovers diskutierte ablösefreie Verpflichtung von Schalke-Torwart Alexander Nübel war ebenfalls sein Werk. Ein Wechsel von Nationalspieler Leroy Sané von Manchester City zurück in die Bundesliga könnte sein Ansehen als Einkäufer mehren.

"Habe ich mich entwickelt? Ja", sagt Salihamidzic, auch ruhiger sei er geworden. Seinen stetig gewachsenen "Verantwortungsbereich" benennt er mit Stolz: "Profis, Nachwuchs, Kaderplanung, sämtliche Funktionsteams, Scouting, Transfermarkt, Entwicklung der Datenanalyse." Das alles betreut er weiter in der neuen Funktion. "An den Aufgaben verändert sich nicht viel", meint er selbst. Die Vorstandssitzungen kämen hinzu, "ein wenig mehr Verantwortung". Am ehesten könnte sich die Wahrnehmung seiner Person verändern.

Der 43-Jährige sieht sich mit dem designierten Vorstandsboss Kahn als die "Next Generation" im Management des Rekordmeisters. Gemeinsam wollen sie "der großen Ära, die Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge geprägt haben, eine neue Ära hinzufügen", sagte Salihamidzic. "Wir werden ein Team bilden, das unheimlich gut funktionieren muss, um das fortzuführen." Aber man ergänze sich "gut, weil wir einander vertrauen und uns unterstützen".

Neun Jahre liefen der Torwart Kahn und der Angreifer Salihamidzic zusammen im Bayern-Trikot auf. Die Krönung war der Gewinn der Champions League 2001 in Mailand. Daraus ergibt sich das neue Leitmotiv, das Salihamidzic am liebsten so formuliert: "Wir wollen die Champions League auch im Anzug zusammen gewinnen." Der Kreis könnte sich bereits mit dem Finale am 23. August in Lissabon schließen.

− sid, dpa