Er sieht Fehler in der Ausbildung
Regionalliga-Rekordler Petrovic schlägt Alarm: "Uns fehlen die typischen Straßenfußballer"

05.05.2021 | Stand 19.09.2023, 2:04 Uhr

"Uns fehlen die typischen Straßenfußballer", betont Routinier Aleksandro Petrovic (33) vom TSV Buchbach. −Foto: Buchholz

"Wo sind die Unterschiedspieler, die Individualisten, die uns wieder einmal zu einem WM-Titel führen?" Das fragt sich Aleksandro Petrovic schon seit geraumer Zeit und sieht derzeit in Deutschland keinen Spielmacher und keinen Flügelstürmer auf Weltklasse-Niveau.

Die Gründe dafür liegen für den mit 258 Einsätzen Rekordspieler der Fußball-Regionalliga Bayern in der allzu standardisierten Ausbildung des Nachwuchses, bei der Typen, die auch mal gegen den Strom schwimmen, durchs Raster fallen. "Ein Zlatan Ibrahimovic hätte es bei uns doch nicht mal bis zur B-Jugend geschafft", mutmaßt Petrovic, "deswegen sind uns andere Nationen weit voraus, einen wie Kylian Mbappé, der Spiele im Alleingang entscheidet, haben wir nicht annähernd". Der Kapitän des TSV Buchbach, der in der Jugend des FC Bayern München ausgebildet wurde, ehe ihn sein Weg über Dynamo Dresden zu den Rot-Weißen führte, glaubt, dass viele Talente aussortiert werden, die charakterlich nicht stromlinienförmig genug sind. Von scheinbar körperlichen Defiziten wie Größe oder Sprintschnelligkeit ganz zu schweigen: "Die meisten Nachwuchsspieler können einen Ball aus 100 Meter in ein Loch schießen, beherrschen 17 Systeme, sind am Ball brillant, aber wenn eine Situation auftritt, die in ihrem Schema nicht vorkommt, sind sie überfordert."

Zu viel Schema, zu wenig individuelle Klasse, in der C-Jugend bei Bayern unter Trainer Heiko Vogel ist das noch etwas anders gelaufen. "Bei Heiko war schon auch Disziplin angesagt, aber vorne im letzten Drittel sollten wir immer der Nase nach spielen, uns was zutrauen, auch mal rotzfrech sein. Scheitern inklusive. Wenn man diese individuellen Situationen nicht übt, dann bekommt man da auch keine Routine. Und die größte Qualität, die man sich aneignen kann, ist die Erfahrung. Das kann ich mittlerweile ganz gut beurteilen", so der 33-Jährige, der feststellt: "Ich kann nicht besser flanken, nicht besser schießen als früher, aber ich kann das Spiel besser lesen. Ich habe die unterschiedlichsten Situationen schon 1000 Mal erlebt und weiß deswegen eher, wie ich reagieren muss."

Doch die Fähigkeiten, um Situationen individuell und kreativ zu lösen, werden in der Nachwuchsleistungszentren zu wenig gefördert, findet Petrovic: "Typen haben es schwer. Wenn man nicht angepasst ist, kriegt man schnell eine auf den Deckel. Uns fehlen die typischen Straßenfußballer."

− mb