1860 mit einem "unserer besten Spiele"
Ohne Kultfigur im Kollektiv stark: Köllner lobt sein Team – und erklärt ausführlich die Mölders-Ausbootung

12.12.2021 | Stand 19.09.2023, 2:24 Uhr

Zufrieden mit seiner Mannschaft: 1860-Coach Michael Köllner. −Foto: dpa

Nach dem heftigen Wirbel um die Ausbootung von Sascha Mölders hat der TSV 1860 München im ersten Spiel ohne seine Kultfigur als Kollektiv aufgetrumpft.

Die Löwen siegten in der 3. Fußball-Liga am Samstag bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund mit 2:0 (1:0). Trainer Michael Köllner, der nicht mehr auf seinen Kapitän und Torjäger setzt und diesen aus dem Team verbannte, lobte demonstrativ "Einsatzbereitschaft", "Zweikampfstärke" und die "taktische Disziplin" seiner Mannschaft. "Es war eines unserer besten Spiele. Kompliment an meine Mannschaft für die Leistung. Sie hat sich auf das Wesentliche konzentriert", kommentierte Köllner.

Die Ausbootung von Mölders führte zu mehreren Veränderungen. Stefan Lex übernahm die Kapitänsbinde des Torjägers, auf dessen Position in der Sturmspitze Marcel Bär rücken durfte. Und dieses Duo entschied auch prompt das Auswärtsspiel zugunsten der Löwen. Lex erzielte in der 25. Minute nach einer Flanke von Richard Neudecker mit einem Flugkopfball sehenswert das 1:0. Angreifer Bär erhöhte kurz nach der Pause ebenfalls per Kopf. Wiederum war Neudecker mit einem präzise geschlagenen Eckball der Vorlagengeber.

"Wir waren alle überrascht am Montag, dass das so gekommen ist", sagte Lex zur Causa Mölders. Die Trainingswoche sei gut gewesen, berichtete er: "Wir haben einen verdienten Auswärtssieg geholt."

Die ganze Woche sei schwierig gewesen, räumte Köllner ein. "Es war eine Einheit auf dem Platz", hob der Coach hervor. Ähnlich äußerte sich Bär, der als Torschütze Mölders erfolgreich ersetzte: "Wir haben viel investiert, haben geackert. Jeder war für den anderen da."

Gerade für Köllner war die positive Reaktion der Mannschaft nach seiner Entscheidung gegen Mölders wichtig. Auffällig war durchaus der kollektive Jubel bei den Toren. Ebenso die geschlossene Arbeit gegen den Ball. Nach acht Gegentoren in den zwei Partien zuvor stand im Stadion Rote Erde hinten die Null. Die Löwen waren klar überlegen und hätten auch noch höher gewinnen können. Dortmunds Richmond Tachie sah nach einem groben Foulspiel am Ende die Rote Karte (88.).

Vor dem Spiel gab es ein ausführliches MagentaSport-Interview mit dem Trainer Michael Köllner zur Personalie Sascha Mölders, der erstmals nicht dabei war. Hier die wichtigste Aussagen des Coaches.

Warum die Situation bei Köllners sachlichen Art derart entglitten sei: "Ich weiß nicht, ob das entglitten ist. Klar ist Sascha Mölders ein sehr starker Spieler und das hat er auch bewiesen. Ich habe ihn nicht umsonst zum Kapitän gemacht. Das war nicht die Entscheidung der Mannschaft, sondern meine. Wir haben letzte Jahr eine furiose Saison gespielt sowie Sascha auch. Diese Saison läuft es für uns sportlich nicht so gut, aber bei Sascha eben auch nicht. Ich als Trainer muss irgendwann eine Entscheidung treffen und das habe ich auch."

War es nicht blauäugig, keinen Backup für Mittelstürmer Mölders zu holen? "Wir haben schon Backups und die werden wir heute sehen. Wie zum Beispiel Bär oder Linsbichler, die vorne drin spielen können. Sascha ist ein einzigartiger Spieler, da gibt es keinen reinen Backup."

Ob er enttäuscht sei, dass Mölders eine Rolle als Auswechselspieler nicht akzeptiert habe: "Was heißt enttäuscht? Es ist der normale Weg, dass du irgendwann mal abbaust. Wir haben am Ende alles versucht ihn wieder zu stärken, aber leider ist uns das nicht mehr gelungen. Wir müssen dann Entscheidungen treffen und irgendwann einen anderen Weg gehen."

Gab es eine Art Schreckensherrschaft in der Kabine unter Sascha Mölders gegeben habe: "Schreckensherrschaft ist so ein Wort, dass es im Fußball nicht gibt. Es ist wichtig für uns den sportlichen Förderraum wieder zu schaffen. Wir haben mit Sascha Gespräche geführt, ob er auch mal von der Bank kommt oder raus geht, wenn der Akku leer ist. Aber damit war er nicht einverstanden."

Ob Sascha Mölders den Mitspielern gezeigt hat, wer der Chef auf dem Platz ist und somit die anderen auch eingeschüchtert hat: "Ich glaube die Mannschaft hat insgesamt nicht gut gespielt. Da brauchen wir uns nicht hinter Sascha zu verstecken. Jeder ist gefordert und trägt seinen Beitrag dazu. Man muss sich vor Augen halten, dass es hier um einen Fußballverein geht, der sehr groß und historisch ist. Da muss man eben auch dem Verein gerecht werden. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, die ist über einen längeren Zeitraum gereift, so, wie sie die Woche kommuniziert wurde.

Welche Auswirkung die Entscheidung hat, auf Mölders vorläufig zu verzichten: "Jede Entscheidung von der sportlichen Leitung und dem Verein hat eine Auswirkung. Der ein oder andere Spieler hat jetzt eine neue Rolle und das kann auch hilfreich sein. Diese Woche waren die Spieler sehr engagiert und haben Vollgas gegeben. Am Ende liegt die Wahrheit immer auf dem Platz. Wir wollen heute ein gutes Spiel machen, punkten und zu Null spielen. Das ist heute unser Ansatz."

Auch Geschäftsführer Günther Gorenzel gab vor dem Spiel ein Interview ab – mit einigen weiteren Hintergründen, die zur vorläufigen "Arbeitspause" führten.

Gorenzel zum Gerücht, dass die Familie von Sascha Mölders bei einem Spiel dem Bus mitgefahren sei - trotz Corona-Auflagen: "Sascha Mölders hat aufgrund der herausragenden Stellung im Verein und aufgrund seiner überragenden Saison eine klare Dominanz und eine klare Position in die Hierarchie in der Mannschaft eingenommen. Fakt ist aber, dass heuer die Leistungen in den letzten Wochen nicht mehr so gegeben waren. Aufgrund dessen hat sich die Rolle etwas verschoben. Über seine Rolle hat man mehrmals ab Sommer und auch in den letzten Wochen gesprochen. Und um diese Rolle geht es eben auch, um wieder den Fokus auf den Fußball zu legen."

Ob sich Gorenzel nicht gefragt habe, wie solche Aktionen auf die anderen Spieler wirken könnten - hat ihn sein Instinkt betrogen: "Nein. Hierarchien entstehen nicht von heute auf morgen. Struktur und Dominanzen in der Mannschaft entwickeln sich über Monate und Jahre. Und mit dieser Hierarchie haben wir in der letzten Spielzeit in Relation von eingesetzten Mittel zu erzielten Punkten die beste Relation erzielt haben. So schlecht kann die Hierarchie nicht gewesen sein. Was heute eben aus der Balance gekommen ist, sind Leistung, Rolle, Eigenwahrnehmung und unsere Wahrnehmung."