PNP-Interview
Niederbayer Seitz über seine Arbeit als Nachwuchs-Chef des FC Bayern

25.12.2019 | Stand 18.09.2023, 6:06 Uhr

Holger Seitz öffnete für die PNP die Tür zum Campus, an dem die Münchner ihre Nachwuchstalente zu Profis machen wollen. Die Fans warten schon lange auf den neuen Thomas Müller. −Fotos: Andreas Lakota

70 Millionen Euro hat der FC Bayern vor zwei Jahren in seinen Campus investiert, hier wollen die Münchner die Fußball-Stars von morgen entwickeln. Und ein Niederbayer gibt dabei die Richtung vor: Holger Seitz, 45, arbeitet seit einem halben Jahr in der Sportlichen Leitung des Nachwuchszentrums. Für die Heimatzeitung hat der Malchinger (Landkreis Passau) die Tür zum Campus geöffnet. Im Interview spricht der frühere U17- U19 und U23-Coach der Bayern über Fehler in der Talentausbildung, zu viel Taktiktraining und den neuen Shootingstar Alphonso Davies.

Herr Seitz, Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge hat jüngst versprochen, dass in den nächsten zwei Jahren Spieler aus dem Campus bei den Profis durchstarten werden. Eine mutige Aussage.
Holger Seitz: Mit Joshua Zirksee und Sapreet Singh haben kürzlich bereits zwei Spieler ihr Debüt in der Profimannschaft gegeben. Wenn ich unsere Arbeit am Campus sehe und auf unsere ganzen Nachwuchsteams blicke, dann fallen mir noch weitere Spieler ein, die in der Lage sind, irgendwann im Kader unserer Profimannschaft Fuß zu fassen. Von daher ist die Aussage von Karl-Heinz Rummenigge zutreffend.

Und wer schafft den Durchbruch? Joshua Zirkzee vielleicht? Er hat ja mit seinen beiden Toren jüngst für ordentlich Schlagzeilen gesorgt.
Seitz: Wir haben einige Spieler, denen wir zutrauen, auch bei unseren Profis eine gute Rolle spielen zu können. Joshua ist sicher einer davon. Er hat ein sehr gutes Gesamtpakt und stand jetzt zweimal goldrichtig, aufgrund seines Torinstinktes sicher kein Zufall. Klar ist: Er ist aktuell seinem großen Traum einen halben Schritt näher gekommen. Beim U23-Spiel am Sonntag konnte man erneut seine Qualitäten, aber auch sein Verbesserungspotenzial erkennen. Er muss hart arbeiten, das Talent ist der Türöffner und ein bedingungsloser Ehrgeiz sich verbessern zu wollen, macht den Unterschied. Die Bundesliga-Einsätze von ihm zeigen, dass wir vor einiger Zeit die Weichen im Nachwuchs richtig gestellt haben. Auch Leon Dajaku feierte im übrigen sein Bundeliga-Debüt. Deswegen: Ich bin absolut nicht der Meinung, dass man es bei Bayern München nicht schaffen kann. Dieser Ruf eilt uns ja ein bisschen voraus. Aber gerade an Alphonso Davies sieht man doch, was möglich ist, wenn ein junger Spieler seine Chance bekommt.

Was macht Davies so stark?
Seitz: Alphonso hat eine extreme Waffe: Sein Tempo ist eine Sensation. Außerdem ist er Linksfuß. Grundsätzlich braucht ein Spieler beim FC Bayern etwas Besonderes, Durchschnitt reicht nicht. Ein anständiger Charakter und Persönlichkeit sind die Basis. Und auch das ist bei Alphonso absolut für den Leistungssport geeignet.

Keeper Christian Früchtl könnte der nächste sein, der den Durchbruch schafft.
Seitz: Was Christian schon jetzt geleistet hat, ist beeindruckend. Er hat ja sehr früh seine niederbayerische Heimat verlassen und sich wunderbar als Mensch und Torhüter kontinuierlich entwickelt. Wie Christian beispielsweise mittlerweile die Spieleröffnung angenommen hat und wie souverän er von hinten rausspielt, ist wirklich stark! Die Basis für diese Entwicklung - und da sind wir wieder beim Charakter eines Spielers - ist seine Persönlichkeit. Bayerisch bodenständig und trotzdem selbstbewusst, demütig bleiben, zuhören, wenn die Trainer was sagen - anders hätte Christian diese Entwicklung nicht nehmen können. Jetzt werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn in der Bundesliga sehen werden.

Sie haben den Charakter angesprochen. U17-Coach Miro Klose kritisiert, die jungen Spieler seien heute zu schnell satt, würden oft den bequemen Weg gehen.
Seitz: Leider kann ich das bei dem ein oder anderen auch erkennen, aber ich glaube nicht, dass die Jungs das bewusst machen. Vielmehr ist es doch eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, sich zu schnell mit Dingen zufrieden zu geben. Die Jungs und deren Verhalten "spiegeln" uns wider, sind ein Ergebnis. Die meisten Nachwuchsleistungszentren in Deutschland können ihren Spielern heute sehr hohe Standards bieten. Unsere Aufgabe ist es, die Jungs immer wieder zu erden und darauf aufmerksam zu machen, welche perfekten Voraussetzungen sie haben, das Ganze aber mit viel Schweiß verbunden ist. Aber wir dürfen ihnen auch nicht den Spaß und die Freude nehmen.

Das gesamte Interview und noch mehr Infos über den Bayern-Campus lesen Sie kostenlos mit PNP Plus und im Sportteil der Weihnachtsausgabe der Passauer Neuen Presse (Online-Kiosk).