Favres Idee, begnadetes Talent: Wie gefährlich ist dieser BVB für die Bayern?

26.10.2018 | Stand 19.09.2023, 0:44 Uhr

Starke Truppe: Dieses Foto postet der BVB nach dem grandiosen Sieg gegen Atletico Madrid. −Foto: Borussia Dortmund

Für Fußball-Ästheten war es erneut ein Festakt, für die Fans abermals ein Spektakel. Der BVB setzt seinen Höhenflug auch gegen Atlético Madrid in imposanter Manier fort. Das jugendlich-unbekümmerte Team erinnert an alte, glorreiche Zeiten.

Atético Madrid sollte der erste richtige Brocken in der Dortmunder Saison werden. Eine Mannschaft, bekannt für ihre stabile Abwehr, die in der Primera División nur fünf Tore aus neun Spielen kassierte. Dortmund schoss fast so viele in einem Spiel und die Abwehr der Madrilenen wirkte am Ende überfordert und orientierungslos.

Der kombinationssichere Angriffsfußball erinnerte an die Jahre unter Jürgen Klopp, der mit einer jungen Dortmunder Mannschaft 2011 und 2012 zwei Mal überraschend Meister wurde. So souverän wie damals ein junger Mats Hummels spielte, wirkt jetzt ein 19-jähriger Dan-Axel Zagadou. Auffällig war auch der ebenfalls erst 19 Jahre alte Achraf Hakimi, den der BVB für zwei Jahre von Real Madrid ausgeliehen hat und der in der Berichterstattung über Youngsters wie Christian Pulisic (20), Jacob Bruun Larsen (20) oder Jadon Sancho (18) etwas untergeht. Der Außenverteidiger lief zu großer Form auf und bereitete drei Treffer vor. "Was für eine unbeschreibliche Nacht", twitterte der Leihspieler von Real Madrid am Morgen danach.

Der BVB scheint das zu haben, was bei Ligakonkurrent Bayern zuletzt oft fehlte. Ein junges Team, im Schnitt 24,7 Jahre alt, einen breiten Kader, der den Ausfall von Torgarant Paco Alcácer kompensierte, und ein bisschen Glück. In einer starken Madrider Phase kurz nach der Halbzeit traf Saúl Niguez mit einem Schlenzer nur das Lattenkreuz, in der 78. Minute scheiterte Diego Godín beim Stand von 2:0 für Dortmund an Torwart Roman Bürki und am Pfosten. Stattdessen trafen Witsel (38. Minute), Raphael Guerreiro (73./89.) und Jadon Sancho (83.) für den BVB.

Zwar leistete der eigentlich für seine Abwehrstärke bekannte Königsklassenfinalist von 2014 und 2016 bis zur 70. Minute erbitterte Gegenwehr, war der Dortmunder Angriffspower am Ende aber nicht gewachsen. "Besser hätten wir uns das nicht vorstellen können. Den Schwung wollen wir nun mitnehmen", kommentierte der überraschend als Mittelstürmer eingesetzte Götze, der über 90 Minuten spielte und – auch das ist eine Parallele zum BVB unter Klopp – an den alten Mario Götze vor seinem Wechsel zum FC Bayern erinnerte.

Dabei hatte der BVB laut Kicker-Statistik weniger Torschüsse (11) als Atlético Madrid (13). Das Fußball-Magazin "11 Freunde" hat Favres Spielidee einmal analysiert und festgestellt, dass von ihm trainierte Teams so spielen, dass sie wenige, dafür aber hochwertige Chancen kreieren.

Und auch die breite Qualität des Kaders verdeutlichen die Zahlen. Mit Guerreiro und Sancho trafen erneut zwei eingewechselte Profis. Damit fielen 16 der wettbewerbsübergreifend 37 Dortmunder Treffer in dieser Saison durch Joker. "Das Team wächst langsam zusammen", urteilte Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl.

Selbst der gegnerische Trainer Diego Simeone war mächtig beeindruckt und zollte dem aufstrebenden Revierclub Respekt: "Die Dortmunder sind in einer tollen Phase, auf einem wunderbaren Weg. Hoffentlich können sie so weiterspielen, denn es macht Spaß, ihnen zuzusehen."

Mit drei Siegen in drei Spielen und einer beachtlichen Tordifferenz von 8:0 führt Borussia Dortmund die Gruppe A an und steht bei acht Zählern Vorsprung auf Brügge und Monaco vor dem Einzug in das Achtelfinale. Vor allem die Bilanz des Revierclubs vor eigener Kulisse ist imposant. Beim wettbewerbsübergreifend sechsten Sieg im sechsten Heimspiel besserte der BVB sein Konto auf 25 Tore auf. Das entspricht einem Schnitt von 4,2 Treffern pro Partie.

Sportdirektor Michael Zorc machte aus einem Stolz keinen Hehl: "Wir haben gegen eines der besten Teams Europas auf Augenhöhe gespielt."

Doch bei aller Euphorie mahnte Zorc zur Bescheidenheit: "Wir werden im Moment überall sehr gelobt. Das brauchen wir nicht noch zusätzlich zu befeuern." Schon am Samstag steht für den Bundesliga-Spitzenreiter gegen den Tabellenfünften Hertha BSC an gleicher Stätte die nächste Bewährungsprobe an. Nicht zuletzt deshalb übte sich auch Kapitän Reus in Zurückhaltung und vermied Kampfansagen: "Jetzt ist es ein Rausch. Aber diese Phase wird nicht die ganze Saison anhalten, da bin ich mir sicher. Wir sind alle Profis genug, das richtig einzuschätzen. Schon am Samstag geht es wieder bei Null los."