Ex-Bayernliga-Spieler in Tampa
Einzelkämpfer auf dem Geister-Campus: Wie Michael Scheßl die Corona-Krise in den USA erlebt

06.04.2020 | Stand 19.09.2023, 1:33 Uhr

Glücklich in den USA: Nach einer langwierigen Knieverletzung ist Michael Scheßl (Mitte) schmerzfrei. Er hängt für den Master noch ein Jahr dran in Tampa (Florida).

Er ist einer der letzten, die noch die Stellung halten. Die Universität von Tampa gleicht derzeit einer Geisterstadt. Wo sonst 4000 Studenten wohnen und lernen, sind gerade einmal knapp 100 zurückgeblieben. Einer davon ist Michael Scheßl (25). Der Geiersthaler spielt seit zwei Jahren mit einem College-Stipendium im Bundesstaat Florida Fußball. Nebenbei hat er dort seinen Bachelor in Sportwissenschaften gemacht. Mit dem Abschluss in der Tasche hätte er angesichts der Corona-Krise nach Hause zurückkehren können, die Uni hatte ihm das sogar nahe gelegt. Doch Scheßl blieb. "Mir war das zu riskant, am Ende ziehe ich das Virus noch mit nach Hause", sagt der ehemalige Bayernliga-Spieler (Spvgg Ruhmannsfelden und TSV Bogen). In den kommenden beiden Semestern will er seinen Master machen. Auch deswegen war heimkehren erst einmal keine Option.

So bleibt er zurück auf einem Campus, der nicht mehr viel zu bieten hat. Eine Cafeteria hat noch geöffnet. Zwei Essenshallen, ein Starbucks, verschiedene Supermärkte – alles geschlossen. "Es ist alles sehr begrenzt gerade, aber es passt schon", sagt Scheßl am Telefon. Der Bayerwäldler lässt sich auch in dieser ungewohnten Situation seine Gelassenheit nicht nehmen. Er hat die Krise längst als Chance begriffen.

Scheßl will nach dem Studium als Fitnesscoach arbeiten - "am liebsten im Profifußball", wie er erzählt. Den Einstieg in die Branche schafft er in diesen Tagen. Er hat sich eine Webseite aufgebaut, auf der er individuelle Trainingskurse anbietet. "Zuletzt hat sich sogar ein Mann aus Aserbaidschan gemeldet, er ist jetzt mein Kunde." Wie dieser ausgerechnet auf Scheßl aufmerksam geworden ist? "Keine Ahnung." Scheßl lacht. Auch der ehemalige Schaldinger Adrian Gahabka vertraut auf die Expertise des 25-Jährigen mit der dunkelblonden Mähne. Bei Instagram zeigt er seinen Followern in kurzen Videos, wie sie sich in der Quarantäne fit halten können.

Doch natürlich hatte sich auch der Mittelfeldspieler diesen Frühling anders vorgestellt. Nach zwei Operationen – ein abgelöster Splitter der Kniescheibe hatte ihm fast zwei Jahre zu schaffen gemacht – ist Scheßl endlich schmerzfrei. "Es fühlt sich gerade so gut an wie lange nicht mehr." Fußballerisch bringt ihm das gerade nicht viel außer eine gute Perspektive.

Weil Scheßl so lange verletzt ausgefallen ist, darf er nun noch ein Jahr an der Universität von Tampa dranhängen − das reicht genau für den Master. Doch was kommt danach? "Ich werde nie mit Fußball aufhören, und wenn ich in der Freizeitliga spiele." Seine langfristige berufliche Zukunft sieht er aber neben dem Rasen. "Ich will irgendwo in Europa im Profisport arbeiten." Der Bayerische Wald kommt dafür freilich nicht infrage. "Es ist immer schön nach Hause zu kommen, aber auf Dauer wäre das nichts", sagt Scheßl. Aber auch in Amerika zu bleiben sei keine Option. "Es ist schön hier, aber langfristig kann ich mir das nicht vorstellen." Die kommenden Wochen auf einem Geister-Campus werden ihn da wohl auch nicht umstimmen.