Doch kein Weihnachtsfriede bei 1860: Es brodelt heftig, weil der Chef-Ausbilder gehen muss

12.12.2017 | Stand 19.09.2023, 0:15 Uhr

Wolfgang Schellenberg. − Foto: dfb.de

Als Spitzenreiter geht der TSV 1860 München in die Winterpause der Regionalliga Bayern. Nach einem mehr als turbulenten Jahr schien sich die Lage bei den Löwen beruhigt zu haben, Hoffnung und Optimismus überwogen beim Blick in die Zukunft. Nun, kurz vor Weihnachten, ist es allerdings doch wieder vorbei mit dem Frieden. Eine Nachricht, die auf den ersten Blick nur als Randnotiz erscheinen mag, sorgt für mächtig Wirbel – und könnte die Ausrichtung des Vereins nachhaltig beeinflussen. Denn: Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg, 46, muss gehen – die Löwen setzen ihren Chefausbilder, der maßgeblichen Anteil an der starken Jugendarbeit des TSV in den vergangenen Jahren hat, vor die Tür. Eine merkwürdige Personalentscheidung, die vielen Fans sauer aufstößt − und Fragen aufwirft.

Wer ist Wolfgang Schellenberg? Der 46-Jährige, der mit Unterbrechungen seit 1997 für 1860 tätig ist, leitet seit 2012 das NLZ bei den Löwen. Von Julian Weigl über Marius Wolf oder zuletzt Felix Uduokhai und Florian Neuhaus wurden zahlreiche Talente unter seiner Verantwortung ausgebildet. Mehrfach retteten den Löwen Notverkäufe von Eigengewächsen die Lizenz. Als Trainer gewann Schellenberg 2006 mit der U17 um die Bender-Zwillinge den bis heute einzigen deutschen Meistertitel im Nachwuchsbereich für den TSV. Schellenberg ist auch hauptverantwortlich dafür, dass sich die Löwen trotz zuletzt schwieriger Jahre im Nachwuchsbereich stets an der nationalen Spitze behaupten konnten, das Nachwuchsleistungszentrum blieb stets mit drei Sternen – der höchstmöglichen Klassifizierung – zertifiziert.

Warum muss der Chefausbilder gehen? Ausbleibende Erfolge im Juniorenbereich werden dem NLZ-Leiter angekreidet. Im Sommer stiegen sowohl die U19 als auch die U17 aus der Bundesliga ab. Für beide Mannschaften läuft es auch in dieser Saison in der Bayernliga nicht nach Wunsch. Die U19 hat auf Spitzenreiter Ingolstadt bereits acht Punkte Rückstand. Die U17 liegt zwar nur drei Zähler hinter dem Tabellenführer (ebenfalls Ingolstadt), schwache Auftritte, wie kürzlich beim 1:1 gegen Unterhaching II, sorgen allerdings für Unmut. Laut der Münchner Zeitung "tz" sind die fehlenden Erfolge aber nicht der einzige Grund für die Trennung. Das Verhältnis zwischen Schellenberg und Chefcoach Daniel Bierofka soll schon seit Längerem nicht mehr intakt sein. "Seit einem Zerwürfnis über die Ausbildungsphilosophie der Löwen zu Bierofkas U21-Zeit ist die Harmonie dahin. Auch mit Chefscout Jürgen Jung, der kommissarisch Schellenbergs-Amts übernehmen soll, gibt es keinen Konsens über die Zukunft der Löwen. Intern ist von einem Machtkampf die Rede", berichtet die "tz".

Was sagt Schellenberg? Offiziell hieß es in einer von 1860 veröffentlichten Erklärung: "Es ist ein Abschied ohne Groll. Für beide Seiten ist es Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen." Gegenüber Medien äußerte sich Schellenberg allerdings "geschockt" über die Entscheidung. Ihm sei "von verschiedenen Seiten" vorgeworfen worden, dass das Nachwuchsleistungszentrum "am Boden liegt", sagte der Nachwuchschef gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". "Vielleicht war es ein Fehler, dass ich nicht auch an die Öffentlichkeit gegangen und dem entgegengetreten bin." Denn: Der zwischenzeitliche Aufenthalt in der Bayernliga ist auch bei andere ambitionierten Nachwuchsabteilungen nicht wirklich ungewöhnlich, wie an Fürth, Nürnberg oder Ingolstadt zu sehen ist. "So eine Entwicklung, abgesehen von den ganz großen Vereinen wie dem FC Bayern oder Hoffenheim, passiert regelmäßig auch anderen Klubs", sagt Schellenberg. "Die Spielklasse behindert die Talentförderung nicht, wenn man Möglichkeiten findet, das zu kompensieren." Auch beim Anwerben von Talenten, das meist im Alter von 13 oder 14 Jahren stattfindet, sei die Ligazugehörigkeit meist kein entscheidendes Argument.

Wie geht es weiter mit dem Löwen-Nachwuchs? Die Entscheidung des Vereins stößt vielen Fans sauer auf. Im Internet kursiert sogar ein Aufruf mit dem Hashtag #SchelleMussBleiben. Die Löwen-Anhänger schreiben Schellenberg die Entdeckung und Förderung vieler Talente zu, etwa die der Bender-Zwillinge, Kevin Volland, Fabian Johnson oder Timo Gebhart, der im Sommer wieder zu 1860 zurückgekehrt ist. Auch im Verein soll die Entscheidung nicht überall gutgeheißen werden. Die Proteste halfen allerdings nichts, gestern gab 1860 die Trennung offiziell bekannt, verpackte diese jedoch in warme Worte: "Wir gehen als Freunde auseinander", wird Geschäftsführer Markus Fauser zitiert. Der Vertrag werde in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst. Nach einer gemeinsamen Analyse sei man übereinstimmend zu dem Entschluss gekommen, dass ein Wechsel auf der Position des NLZ-Leiters zu neuen Impulsen führen werde. Offen ist, wie 1860 München die künftige Ausrichtung plant. Nach Informationen der "SZ" hat Fauser in seinem Budget für die kommende Saison eine Einsparung von über 100000 Euro im Nachwuchsbreich vorgesehen, es stünden dann nur noch unter 800000 Euro zur Verfügung.