An der Zugspitze und am Großglockner
„Musste nichts mehr riskieren“: Marcel Geißler mit Top-Vorstellungen – Pidinger überzeugt bei Trail-Läufen

08.08.2023 | Stand 12.09.2023, 23:57 Uhr
Hans-Joachim Bittner

Marcel Geißler aus Piding im Anstieg auf dem Weg Richtung Pfandlscharte am Großglockner. −Foto: Sportfotograf

Ausdauersportler Marcel Geißler aus Piding hat bei zwei schweren Trail-Bewerben überzeugt. Der 37-Jährige holte sich sowohl beim „Zugspitz Ultratrail“ als auch beim „Großglockner Ultra-Trail“ den Triumph.

Deutschlands größtes und bekanntestes Trailrennen mit einem 3000 teilnehmerstarken und internationalen Starterfeld in Garmisch-Partenkirchen führte über 116 Kilometer und 5670 Höhenmeter. Auf den ersten 5000 Metern ging’s flach zum Eibsee. „Das Tempo war angenehm, unter meiner geplanten Herzfrequenz. Dann kamen die ersten Steigungen. Ich war überrascht, wie die Mitläufer vorne Gas gaben und auch mein Puls zu leicht nach oben ging“, sagt Geißler. Bergab und im Single-Trail schloss der Pidinger immer wieder auf. Er überlegte, wie er am Berg den Abstand für den zweiten Rennabschnitt gering halten würde. Denn nun folgten die langen Anstiege.

Die Lage änderte sich rasch: „Über die Skipisten nach Ehrwald habe ich gemerkt, dass die Jungs Probleme bekamen und dem Tempo bergauf nicht standhalten konnten. Durch die nächste Verpflegungsstation zum Wannigsattel bei Kilometer 40, dem höchsten Punkt, wurde der Abstand immer größer – und meine Nacht einsamer“, erzählt Geißler. Ab der Gamsalm vergrößerte er den Abstand auf die Verfolger. Wegen des Neumonds war’s eine finstere Nacht. „Ich fühlte mich stabil.“ Es ging in den Downhill zur Hämmermoosalm. Die Schneefelder und der schmierige Untergrund forderten von allen Athleten volle Konzentration. „Trotzdem lag ich mehr im Dreck als zu laufen“, so der heimische Sportler.

Über das Scharnitzjoch ging’s in die zweite Rennhälfte. „Anfangs noch frisch habe ich gemerkt, dass der Kopf auf einmal nicht mehr richtig mitspielte. Ich habe mich ausgelaugt gefühlt. Die Werte auf der Uhr sprachen eine andere Sprache. Und so ging’s mit dem Gedanken, dass der Körper noch kann und eine Verpflegungsstation wartet, einfach weiter – plötzlich war der Sattel da. Der Downhill zum Hubertushaus war die perfekte Erholung.“ Der Sonnenaufgang leistete sein Übriges: Wie ausgewechselt ging’s auf flachen Forststraßen nach Mittenwald. „Das Laufen fühlte sich für über 70 Kilometer und 4000 Höhenmeter noch super an, ehe nach Schloss Ellmau die letzten großen Anstiege warteten. In Wamberg habe ich meinen zweiten Einbruch erlebt.“ Geißler war müde und drehte sich – in Erwartung, eingeholt zu werden – immer wieder um. Der Lichtblick: „Bergauf hatte ich immer ein starkes Gefühl. Auf den letzten 1000 Höhenmetern zum Osterfelderkopf habe ich mich wieder fit gefühlt und den Vorsprung erheblich ausgebaut.“ Oben angekommen hatte Geißler knapp 40 Minuten auf Platz 2 gutgemacht. „So musste ich auf dem Weg ins Ziel nichts mehr riskieren.“ Der Pidinger (12:36 Stunden) setzte sich deutlich vor Michael Zweigart (13:06) und André Purschke (13:19) durch.

Beim Großglockner Ultra-Trail über 85 Kilometer und 4500 Höhenmeter fuhr Geißler einen weiteren Erfolg ein: In 9:40 Stunden gewann der 37-Jährige den Bewerb mit fast 3000 Teilnehmern souverän. Bereits um 5 Uhr ging’s am Enzingerboden los. Die ersten 1200 Höhenmeter und 25 Kilometer führten steil nach oben, technisch anspruchsvoll an der Rudolfshütte vorbei und nach Kals am Großglockner. „Ich habe wie gewohnt zurückhaltend losgelegt. Ziel war es, zuerst nicht zu schnell zu sein, um die Leistungsfähigkeit über die 85 Kilometer zu halten. Leider fühlte ich mich im Anstieg ausgelaugt. Einzig die geplanten Zeit- und Leistungswerte passten“, berichtet Geißler. Er war ein wenig schneller als erwartet. Mit diesen Gefühlen ging‘s in den Downhill. Hier fühlte sich der junge Familienvater stark und drückte aufs Tempo – Rang 6 in Kals.

Ab hier hieß es, 1300 Höhenmeter steil bergauf zu bewältigen. „Irgendwie war nicht mein Tag.“ Hinzu kam, dass drei Minuten bevor Geißler in Kals angekommen war, das 55 Kilometer-Rennen startete und er über 500 Läufer bergauf überholen musste. Über das Lucknerhaus ging’s zur Glorerhütte, dann auf Trails zur Salmhütte mit Blick auf die Pasterze. „Auf dem Weg zur Stockscharte habe ich überlegte, auszusteigen. Ich war weiterhin Sechster und fühlte mich nicht stark genug, um vorne mitlaufen zu können.“ Doch Geißlers Gefühl täuschte: Kurz vor dem Glocknerhaus lief er auf die Zweit- bis Fünftplatzierten auf. „Die Jungs wirkten müder als ich, das gab mir Selbstvertrauen zurück.“ So blies er zur Attacke, der niemand folgen konnte. Am Glocknerhaus lag er auf Rang 2.

Es ging in die heiße Phase: Noch einmal 600 Höhenmeter über die Pfandlscharte und in den langen Abstieg nach Ferleiten. „An der Station teilte man mir mit, dass der Abstand auf Platz 1 auf eine Minute gesunken war. Meine Taktik der Renneinteilung ging auf. Ich habe mich müde gefühlt, hatte jedoch noch genug Energie, um Druck machen zu können. Bei Kilometer 73 habe ich die Führung übernommen.“ Die letzten 1000 Höhenmeter zum Ziel warteten auf Geißler: Nun war er im Flow, baute den Vorsprung aus und musste nach dem letzten Anstieg nichts mehr riskieren. Nach 9:40 Stunden tütete der Pidinger den nächsten klaren Erfolg vor Markus Stock (9:55) und Tomas Kubicik (10:07) in Kaprun ein.