In München gegen Isabell Werth und Co.
Dressur-Amateurin Yara Reichert: Aus Niederbayern in den Kreis der Besten

08.05.2024 | Stand 08.05.2024, 8:00 Uhr
Sabine Neumann

Als Amateurin unter Profis: Yara Reichert sattelt ihren Springbank erstmals im Drei-Sterne-CDI in München. − Foto: Dill

Christi Himmelfahrt wird für Yara Reichert und ihre pferdebegeisterte Familie ein besonderer Tag. Zum ersten Mal darf die 55-Jährige bei der Pferd International in München-Riem im Drei-Sterne CDI starten.

Zur Konkurrenz gehören Top-Reiterinnen wie Isabell Werth, Ingrid Klimke und Dorothee Schneider. Die drei werden im Grand Prix und im Grand Prix Special ihre Zukunftshoffnungen satteln. Reicherts vierbeiniger Partner Springbank II VH kann in dieser Liga mithalten. Der zehnjährige Hengst gilt als eines der weltbesten Pferde seines Jahrgangs.

Auf Reicherts privater Reitanlage in Buch am Erlbach nahe Landshut stehen gut 20 Pferde, auch der ebenso qualitätsvolle, gleichaltrige Valverde NRW. Beide Hengste waren schon im jugendlichen Alter vierbeinige Stars. Sie verließen ihre Körplätze als Sieger, sammelten Medaillen und Titel bei Jungpferde-Championaten und ihre Fohlen erzielten Höchstpreise. Als der dänische Luxus-Pferdehändler Helgstrand Dressage im Mai 2021 in den sozialen Medien verkündete, die Hengste seien an Yara Reichert verkauft worden, hagelte es einen Shitstorm. „Wieder eine, die sich den Erfolg kaufen will“, empörte man sich. So einfach ist es freilich nicht. Wer in der Formel Eins fahren will, muss einen Rennwagen bedienen können. Nicht anders verhält es sich mit Pferden. Die Hochleistungsathleten unter ihnen haben eine Menge PS und reagieren überaus sensibel und zuweilen auch heftig. Hengste sind oft besonders dominant. Ein Pferd bis zur Königsklasse auszubilden und gemeinsam im Viereck zu tanzen, ist eine Herkulesaufgabe. Gefühl, Technik, Balance, Feinabstimmung, kontinuierliches, geduldiges Training, Augenmaß, die Bereitschaft, sich immer wieder selbst zu hinterfragen, und nicht zuletzt Erfahrung entscheiden neben vielen anderen Faktoren über den Erfolg.

Reichert kennt inzwischen die Tücken der Formel Eins. „Ich versuche mich hochzuarbeiten und lerne, aber es haut mich noch so oft aus der Kurve! Man muss in den Grand Prix-Sport reinwachsen“, weiß sie. In der Dressur gehe es um Nuancen und um Millimeter-Arbeit. „Die vielen Details und die Komplexität faszinieren mich“, sagt sie. Die Unternehmertochter wuchs mit Pferden auf. Ihre Eltern, Claude und Ragnhild Wortmann, ritten Vielseitigkeit. Yara und ihre Schwester Ratna übernahmen schon als Schülerinnen das Konditionstraining im Gelände. Nach Prädikats-Examen und Karriere als Model gründete Yara ihre eigenen Unternehmen. Dem Reitsport blieb sie treu, wechselte aber Familie und Beruf zuliebe in die Dressur.

Zur Geburt des ersten Kindes schenkte Oliver Reichert, CEO eines internationalen Unternehmens, seiner Frau ein Fohlen. Mit Schwarze Perle und anderen Pferden entwickelte sie sich über die Jahre von der Klasse A bis zum Grand Prix, nahm Unterricht bei Olympiasiegerin Ulla Salzgeber und Co-Bundestrainer Jonny Hilberath. Aktuell trainiert sie mit Rudi Widmann und online mit Bundestrainerin Monica Theodorescu. Ab 6.30 Uhr morgens sitzt sie im Sattel. „Bis zum Mittag reite ich sechs bis acht Pferde. Danach rase ich nach Hause und kümmere mich am Nachmittag um meine Kinder und Geschäftliches“, berichtet sie. Ihr sportlicher Einsatz lohnt sich. 2022 erhielt Reichert das Goldene Reitabzeichen und reitet seit 2023 in der Leistungsklasse 1. Dieser Aufstieg gelingt wenigen. Bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) waren im vergangenen Jahr bundesweit nur 77 Dressurreiterinnen und -reiter in LK1 gelistet – bei insgesamt 68343 Aktiven.

Reichert gehörte 2023 mit ihren beiden Hengsten zu den besten Finalisten des „Louisdor Preises“ und der „Stars von Morgen“. Die hochkarätig besetzten Turnierserien für den Grand Prix-Nachwuchs gelten als Sprungbrett in den internationalen Spitzensport. Der Erfolg der Nicht-Berufsreiterin war ein reiterlicher Ritterschlag, doch danach fühlte sie sich „etwas verloren“. Für Neulinge ist es nicht so einfach, die Saison sinnvoll zu planen, passende internationale Turniere herauszusuchen und Startgenehmigungen zu erhalten. Reichert gelang im April in Stadl-Paura/Oberösterreich mit Springbank II VH ein erfolgreiches internationales Grand Prix-Debüt. Am Donnerstag steht in München der Einstieg in die Grüne Saison bevor. Egal, wie es ausgeht, profitieren wird Reichert in jedem Fall. „Auf dem Turnier lernt man immer am meisten“, hat sie erkannt.