Handball in Schrobenhausen
Hexenkessel „Dreifachtempel“

22.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:20 Uhr

Prächtige Stimmung allerorts: Die Zuschauer in der Dreifachsporthalle stehen stets wie eine Wand hinter „ihren“ SSV-Teams. Und wenn diese dann tatsächlich erfolgreich sind, gibt’s natürlich sofort den den Dank in die andere Richtung für die tolle Unterstützung. Fotos: M. Schalk

Die Damen auf Tabellenposition sieben unter neun Teams, die Herren auf Rang vier unter sechs Mannschaften: Das sieht doch eher nach grauem Mittelmaß aus. Aber der erste Eindruck täuscht. Handball beim SSV Schrobenhausen ist alles andere als farblos. Gerade seine Heimspieltage gelten als echte Events mit einer unvergleichlichen Stimmung. Woanders würde da wohl sehr schnell von einem Hexenkessel gesprochen werden. Nicht so jedoch an der Paar. Dort sind sie einfach nur stolz auf ihren Dreifachtempel.

Auch zuletzt wurde getanzt. Wieder einmal. 39:38 gegen die HF Scheyern aus dem benachbarten Landkreis Pfaffenhofen gewonnen, dabei einen regelrechten Handballkrimi auf die Platte gelegt – das musste natürlich gefeiert werden: enthusiastisch von der Schrobenhausener Herrenmannschaft auf dem Feld, begeistert von den Fans auf der Tribüne. Als Außenstehender hätte man da tatsächlich meinen können, dass der SSV durch diesen Triumph die Tabellenführung in der Bezirksliga Altbayern West übernommen hat. In Wirklichkeit ging’s jedoch nur vom vorletzten auf den drittletzten Rang nach oben.

„Eine große Familie, in der jeder mit jedem mitfiebert“

Einer der vielen umjubelten Helden des Tages: Ferdinand Huber – seines Zeichens Leistungsträger in den Schrobenhausener Reihen, der in seiner Karriere wahrlich schon eine Menge gesehen hat. Ja, sogar für einen anderen Klub (TSV Indersdorf) war er zwischenzeitlich auf Punktejagd gegangen. „Aber die Atmosphäre bei uns ist einzigartig“, so seine feste Überzeugung. Weil es beim SSV nicht nur eine Ansammlung von zahlreichen Teams im Nachwuchs- beziehungsweise Erwachsenenbereich gebe – „sondern weil wir so etwas wie eine große Handballfamilie sind, in der jeder mit jedem mitfiebert“, so Huber: „Und dazu gehören natürlich auch unsere zahlreichen Fans.“

Nein: Das Motto „Alles in Rot“ in Schrobenhausen sei nicht nur schnell so dahergesagt, weil es nach außen hin vielleicht gut aussieht. „Es wird hier auch hundertprozentig gelebt“, betont der Routinier. Es werde sich über Erfolge gefreut, es werde bei Misserfolgen mitgelitten. Wobei Letzterwähntes in der bisherigen Saison öfter der Fall war als Erstgenanntes. So haben die SSV-Herren erst drei Siege auf dem Konto – bei einem Remis sowie bereits fünf Niederlagen. Selbst in eigener Dreifachsporthalle wurden nur zwei von bislang vier Matches gewonnen. Trotz Hexenkessels.

Huber gibt zu: „Insgeheim hatten wir schon mehr erhofft als die vierte Tabellenposition“, gibt Huber zu. Diese ist’s ja aktuell – aber wenn es ganz dumm läuft, dann könnte es für die Schrobenhausener sogar noch einen Platz zurückgehen. Eine Niederlage in ihrem letzten Saisonspiel, am kommenden Sonntag (Beginn um 16.30 Uhr) gegen den TSV Gaimersheim – und schon wäre es passiert. „Aber dazu wird es nicht kommen“, verspricht Huber: „Wir wollen unbedingt gewinnen.“ Erst recht, weil diese Partie wieder in der eigenen Dreifachsporthalle stattfindet. Beziehungsweise im eigenen „Dreifachtempel“, wie die Schrobenhausener Handballer ihre Heimspielstätte so liebevoll nennen.

Weshalb eigentlich? Von Huber gibt’s bei dieser Frage zunächst mal ein Achselzucken. Aber dann, nach ein bisschen Nachdenken: „Ich glaube, dass dieser Begriff einst vom Häusler Andi erfunden wurde.“ Nur zu welchem Anlass soll das jener „Andi“, der offiziell natürlich Andreas heißt und ganz nebenbei bester SSV-Torschütze in der laufenden Saison ist, getan haben? Spätestens jetzt muss Huber mit einer konkreten Antwort passen.

Andreas Häusler und Dirk Miketta als Liedtextdichter

Die gibt’s dafür ganz spontan von Laura Wittkamp, ihres Zeichens Leistungsträgerin in der SSV-Damenvertretung: „Da war doch mal was bei einer Weihnachtsfeier, das Ganze noch vor Corona“. Zugegeben, auch das wirkt zunächst sehr dürftig – was der 27-Jährigen keine Ruhe lässt. Also zapft sie schnell ein paar Quellen an – und bringt endgültig Licht ins Dunkel. „Das Ganze ist tatsächlich dem Andi zuzuschreiben“, berichtet sie mit einem breiten Grinsen ins Gesicht: „Gemeinsam mit dem Dirk (Miketta; Anm. der Redaktion) hat er damals einfach mal ,Sig’s Kneipe’ vom Schwarzbauer Kurt umgedichtet. Aber ich nun bitte herzlich darum, dieses Lied nicht vorsingen zu müssen.“

Jener Wunsch von ihr wirkt verständlich – denn allein schon das kurze Teilstück „Dreifachtempel wunderbar, do geh i so gern hi. Do spuit der SSV dahoam mit Stolz und Sympathie“ stellt für eine Person, die ein so gepflegtes Hochdeutsch spricht wie die 27-Jährige, eine nahezu unlösbare Aufgabe dar. Andererseits: Ins Nicht-Bayerische übersetzt („Dreifachtempel, wunderbar, da gehe ich so gerne hin. Da spielt der SSV zu Hause mit stolz und Sympathie“) klingt das Ganze bei Weitem nicht mehr so schön.

Unterstützung gerade nach Umbruch immens wichtig

Also lassen wir es gut sein – und schauen mit Wittkamp lieber auf das SSV-Damenteam. „Wir brauchen unsere Fans und die riesige Unterstützung durch sie gerade in der laufenden Saison ganz dringend“, betont die 27-Jährige. In der Tat haben die Schrobenhausenerinnen eine schwierige Zeit hinter sich, nach ihrem freiwilligen Rückzug aus der Bezirksoberliga in die Bezirksliga hatten sie einen Riesenumbruch zu meistern. „Aus der vorherigen Saison waren nur vier Stammfeldspielerinnen und eine Torfrau übrig geblieben“, erinnert sich Wittkamp: „Deshalb wurde von uns auch nie über irgendwelche Ziele für 2022/23 gesprochen. Wir wollten und wollen einfach nur gemeinsam Freude am Handball haben – natürlich mit der Hoffnung, dass es am Ende am doch zum Klassenerhalt reicht.“

Momentan sind die zum Teil sehr jungen SSV-Frauen auf Tabellenposition sieben zu finden – lediglich drei Punkte vor dem Vorletzten des Klassements, aber auch nur zwei Zähler hinter Rang drei. Was es am Ende genau sein müsste, um zumindest nicht absteigen zu müssen? Achselzucken bei Wittkamp. „Das hängt von vielen Faktoren ab und steht leider noch nicht fest“, so die 27-Jährige: „Aber wenn wir zum Schluss mindestens Sechster sind, sollte es passen.“

Zwei Erfolge in den beiden noch ausstehenden Heimpartien 2022/23 würden da auf alle Fälle weiterhelfen. Womit wir wieder beim Hexenkessel „Dreifachtempel“ sind. Ihre beiden bisherigen Auftritte dort im neuen Kalenderjahr wurden von den Schrobenhausenerinnen siegreich gestaltet. Wieso sollte diese Serie nun ausgerechnet am Sonntag (14.30 Uhr) gegen den ETSV 09 Landshut enden – also einem Team, das im Klassement noch hinter den SSV-Damen liegt?

Wittkamp und Huber anstelle von Gnabry und Müller

„Meine Vorfreude auf das Wochenende ist sehr groß“, sagt Wittkamp. Aber das sei nichts Außergewöhnliches – sondern immer so, wenn ein der Schrobenhausener Heimspieltag auf dem Programm steht. „Da geht man bereits am Vormittag in die Halle, freut sich über viele bekannte Gesichter und geht erst wieder nach Hause, wenn die allerletzte Mannschaft von uns gespielt hat“, sagt die 27-Jährige. Sie bestätigt damit auch sehr gerne das, was Huber bereits zuvor erwähnt hatte: „Wir sind einfach eine große Handballfamilie mit vielen Freunden und Fans, die mit richtig viel Herzblut dabei sind. Diese tolle Stimmung ist ansteckend.“

Wie weit das gehen kann, dafür hat Huber abschließend noch ein schönes Beispiel parat: „Die Eltern eines Spielers aus unserer ersten Herrenmannschaft sind eigentlich glühende Fans des FC Bayern München – und für den kommenden Sonntagabend hätten sie sogar Eintrittskarten für das Spitzenspiel gegen Union Berlin. Aber schon jetzt kam von ihrer Seite die klare Ansage, dass sie auf die Fahrt in die Allianz-Arena verzichten werden – weil zu Hause in Schrobenhausen Handball auf dem Programm steht.“

Also beispielsweise René Sperrer/Michael Häusler anstelle von Julian Nagelsmann, Wittkamp anstelle von Gnabry, Huber anstelle von Müller. Und wenn am Ende vielleicht sogar wieder getanzt wird, dann hätten die diesmal auf die Allianz-Arena verzichtenden Eltern endgültig alles richtig gemacht. Denn was gibt es schon Schöneres, als im Hexenkessel „Dreifachtempel“ irgendwelche SSV-Heimsiege zu feiern? Aus Sicht der Schrobenhausener Handballfamilie wohl nicht viel.

SZ