Zwei Abstiege in zwei Jahren
Der Absturz eines Vorzeigeklubs: SV Seligenporten – „so kann es hier nicht weitergehen“

21.06.2023 | Stand 14.09.2023, 22:58 Uhr

Der Arzt kann hier nicht mehr helfen: Die Reise des einstigen Vorzeige-Amateurvereins SV Seligenporten hat in die Bezirksliga geführt. −Foto: Udo Weller

Der SV Seligenporten war bayerischer Pokalsieger, hatte Fußballgrößen wie Roland Grahammer und Thomas Helmer in seinen Reihen, prägte als feste Regionalliga-Größe über Jahre das Gesicht des bayerischen Amateurfußballs mit – alles Geschichte. In den vergangenen eineinhalb Jahren kannte die Entwicklung des einstigen fußballerischen Aushängeschilds im Landkreis Neumarkt nur eine Richtung: abwärts. Zwei Abstiege in Serie haben den SVS bis in die Bezirksliga abstürzen lassen. Wie es weitergeht, versuchen sie gerade zu klären im Klosterdorf.

„Klar ist: So wie in den vergangenen zwei Jahren kann es nicht weitergehen“, sagt Spielertrainer Bernd Rosinger. „Entweder wir packen wieder gemeinsam an, oder wir lassen das hier zugrunde gehen“, setzt er hinzu. Worte, die die ganze desillusionierende Gesamtlage beim einstigen Vorzeige-Klub zeigen.

Offiziell finden bis zu 5000 Zuschauer im Fußballstadion des 1400-Seelen-Dorfs Platz. In der jüngst beendeten Abstiegssaison kamen im Schnitt noch rund 130 interessierte Beobachter zu den Heimspielen. Es ist ein beispielloser Absturz, den die „Klosterer“ seit Mitte 2022 erleben. Ein Sturzflug, der wohl in der Corona-Zeit seinen Anfang nahm, als Hauptsponsor Max Aicher beschloss, die Unterstützung für die Klosterer merklich zurückzuschrauben. Die Mittel aus der Geldschatulle des Firmenmagnaten hatten wesentlich dazu beigetragen, dass der Verein von 2008 an bis Mitte des Vorjahres sich immer in Bayern- oder Regionalliga behaupten konnte. Die Fußballer waren Botschafter eines kleinen Dorfes in der Gemeinde Pyrbaum, das vor allem aufgrund des SVS-Erfolgs heute bayernweit bekannt ist.

In den goldenen SVS-Jahren halfen vom Rentner bis zum Fußballspieler alle mit, packten sie ebenso entschlossen wie selbstverständlich für ihren SVS an. Wie man das eben in einer verschworenen Gemeinschaft so macht. Kein Wunder also, wenn Trainerlegende Karsten Wettberg, von 2009 bis 2013 SVS-Coach, heute noch von seiner Zeit in Seligenporten schwärmt. „Was damals dort geleistet wurde, so was habe ich noch nie gesehen. Es war eine wunderschöne Zeit und eine tolle Zusammenarbeit mit der Mannschaft und den Verantwortlichen. Dass der Verein nun in der Bezirksliga spielt, tut weh. Ich wünsche, dass es möglichst schnell wieder aufwärts geht beim SVS“, sagt der mittlerweile 81-Jährige, der entscheidenden Anteil am Höhenflug der Kloster-Kicker hatte. Im besten Jahr seiner Vereinshistorie schnitt der SVS als Siebter der Regionalliga ab. 2014 war das, im ersten Jahr nach Wettberg. Der damalige Coach war der langjährige Kapitän Florian Schlicker. „Schlicko“ stand für den personifizierten Klosterer-Kicker – entschlossen, loyal, fähig, motiviert und talentiert.

Mittlerweile trainiert Schlicker, der acht Jahre den SVS mit prägte, den Bayernligisten DJK Ammerthal. Über den SVS sagt der 42-Jährige: „Es ist nicht schön, das von der Ferne mitanzusehen, weil ich den Verein immer noch im Herzen trage.“ Er hoffe, dass sich der Klub nach zuletzt zwei schwierigen Jahren in der Bezirksliga nun wieder fange und im Kloster wieder etwas zusammenwachse.

Das wünscht sich auch Karlheinz Wild, viele Jahre lang einer der treibenden Architekten des SVS-Höhenflugs. Zwar ist Wild längst nicht mehr aktiv an der Gestaltung der Kloster-Kicker beteiligt, doch „ein Fan bin ich auch heute noch. Momentan bin ich in leidender Fan“.

Er musste mit ansehen, wie seine ehemals so ruhmreichen Klosterer ab dem ersten Spieltag durchgängig auf einem direkten oder aber Relegations-Abstiegsplatz standen. Nachfolger Rosinger hat vor allem den fehlenden Zusammenhalt und die mangelnde Identifikation der Spieler mit dem SVS als Hauptgründe für den neuerlichen Abstieg ausgemacht.

Entscheidend für den künftigen Erfolg des Vereins sei deshalb vor allem, dass man wieder eine verschworene Klosterer-Familie auf und neben dem Platz werde. Rosinger will zurück zur SVS-DNA aus erfolgreicheren, besseren Zeiten. Klar ist: Das wird er mit einem abermals rundum erneuerten Kader schaffen müssen. Im dritten Sommer in Folge wird es einen Totalumbruch geben. Im Gegensatz zum Vorjahr, als Trainernovize Rosinger nur knapp drei Wochen zur Spielerakquise hatte, laufen bereits Gespräche mit potenziellen Neuzugängen, sagt der 33-Jährige. Mit fünf Spielern aus dem letztjährigen Kader wolle man weitermachen, der Rest wird das Kloster definitiv verlassen. Zurück bleibt ein einstiger Erfolgsverein auf der Suche nach einer Identität.

− MZ/pnp