Ex-Löwe und U18-Nationalspieler
Herbert Paul und der verpasste Durchbruch: „Es war immer so, als hätte es nicht sein sollen“

23.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:17 Uhr

In der österreichischen Bundesliga hatte sich der gebürtige Ingolstädter Herbert Paul bei Peter Pacults Klagenfurtern einen Stammplatz erkämpft, bis ihn ein Kreuzbandriss stoppte. Foto: Imago Images

Auf den gebürtigen Ingolstädter wartet als Spielertrainer des FC Pipinsried eine anspruchsvolle Aufgabe: Er soll den Dorfklub vor dem Abstieg retten.

Eigentlich wollte Herbert Paul nach den drei Spielen im vergangenen November, in denen er mit Atdhedon Lushi den abstiegsbedrohten Fußball-Regionalligisten FC Pipinsried trainiert hatte, wieder als Spieler zurück in den Profibereich. Kurz vor Weihnachten wurde der gebürtige Ingolstädter, der aus einer Familie von Spätaussiedlern stammt, dann zum Spielertrainer des Dorfklubs befördert. Auf den ehemaligen Löwen, der zwei Länderspiele für die deutsche U 18-Nationalmannschaft bestritten hat, wartet in der Frühjahrsrunde eine anspruchsvolle Aufgabe. Der FCP ist Tabellenvorletzter, der Rückstand auf einen Relegationsplatz beträgt vier, aufs rettende Ufer, an dem sich der TSV Rain, Auftaktgegner am Samstag, befindet, fünf Zähler. Wie die Rettung trotzdem gelingen soll, erklärt der 29-Jährige im Interview.

Herr Paul, im Dezember 2021 haben Sie sich das Kreuzband im rechten Knie gerissen. Haben Sie noch Beschwerden oder sind Sie wieder zu 100 Prozent fit?
Herbert Paul: Die Beschwerden werden, glaube ich, immer ein bisschen bleiben, gerade in der Früh. Das Gute ist, dass ich mich in Pipinsried langsam herantasten und die Belastung selbst steuern konnte. Daher kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich für die Spiele fit bin. Aber das war auch ein Prozess, der die ganze Vorbereitung über gedauert hat.

Kreuzbandriss bei Austria Klagenfurt und Trainer Peter Pacult


Nach Ihrem Wechsel 2020 von 1860 München zu Austria Klagenfurt sind Sie in ihrer ersten Saison bei den Kärntnern gleich in die österreichische Bundesliga aufgestiegen und haben sich einen Stammplatz als rechter Außenverteidiger erkämpft – bis zu Ihrer schweren Knieverletzung. Blickt man da noch zurück und hadert mit dem Los, dass der Kreuzbandriss womöglich das Ende ihrer höherklassigen Profi-Laufbahn bedeutete?
Paul: In meiner Karriere war es gefühlt immer so, dass etwas dazwischengekommen ist, wenn es gerade bergauf hätte gehen können, sei es eine falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt oder eine Verletzung. In Fürth habe ich schon bei den Profis mittrainiert, als der Verein in der Bundesliga spielte. Der damalige Sportliche Leiter Martin Meichelbeck, der auch Sportpsychologe ist, wollte mit mir reden, weil er meinte, ich würde auf dem Platz zu ängstlich wirken. Ich habe mich ihm mit 18 Jahren komplett geöffnet, erzählte, dass ich Angst habe, Fehler zu machen und dass ich mich bei den Profis nicht so zeige, weil ich eben noch schüchtern war. Ab diesem Zeitpunkt habe ich oben nie wieder trainiert. Eigentlich wäre Fürth damals für einen Spieler wie mich ein prädestinierter Verein gewesen, um Profi zu werden. Dann habe ich bei Bayern, bei den Amateuren, unterschrieben, die dann nicht in die 3. Liga aufgestiegen sind. Später, mit 21 Jahren, habe ich den Vertrag bei den Bayern aufgelöst, weil mich der Trainer nicht spielen ließ (Ex-FCI-Co-Trainer Heiko Vogel/Anm. d. Red.). Ich habe darauf als junger Spieler schon immer sehr emotional reagiert. Zuletzt, in Klagenfurt, spielte ich Bundesliga, hatte mir einen Stammplatz erkämpft und mich in der Mannschaft und der Stadt sehr wohl gefühlt – bis zur letzten Trainingswoche. Weil es über Nacht 40 Zentimeter geschneit hatte, sind wir in die Halle gegangen, und bei diesem Training habe ich mir das Kreuzband gerissen. Das war denkbar ärgerlich. Es war für mich in der Karriere immer ein bisschen so, als hätte es nicht sein sollen.

Austria Klagenfurt hatte Ihnen trotz der Knieverletzung einen neuen Vertrag angeboten, den Sie aber nicht unterschrieben haben. Warum?
Paul: Den Anschlussvertrag, der mir angeboten wurde, empfand ich für einen Stammspieler als relativ respektlos; da habe ich mich nicht wirklich wertgeschätzt gefühlt.

Ihr Plan im vergangenen Herbst war die Rückkehr zu den Profis. Es gab auch Anfragen aus der 3. Liga. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, in Pipinsried zu bleiben und dort die Laufbahn als Spielertrainer einzuschlagen?
Paul: Wer über ein Jahr raus ist, macht sich natürlich Gedanken, ob er wieder an sein vorheriges Leistungsniveau herankommt. Mein Berater (Tobias Lempe/Anm. d. Red.) hat Gespräche geführt, aber er konnte den Vereinen nie sagen, wie weit ich gerade bin, weil sich das Knie nicht so verhalten hat, wie ich es mir gewünscht hätte. Inzwischen würde ich es mir zutrauen, irgendwo ein Probetraining zu absolvieren. Zum damaligen Zeitpunkt war es für mich dann die beste Option, Spielertrainer in Pipinsried zu machen. Ich habe bei der Entscheidung auch ein wenig auf mein Bauchgefühl gehört, gerade in der Konstellation mit Ati (FCP-Teammanager Atdhedon Lushi/ Anm. d. Red.), der ein sehr guter Freund von mir ist. Mich hat auch die nicht leichte Aufgabe gereizt, mit der Mannschaft den Klassenerhalt zu schaffen. Wenn ich davon nicht überzeugt gewesen wäre, hätte ich es nicht gemacht.

Sie sind vor Kurzem 29 geworden und eigentlich nicht zu alt, um noch einmal als Profi zu spielen.
Paul: Ich gebe mir jetzt das halbe Jahr Zeit, um mir anzuschauen, wie es als Trainer ist, ob ich es überhaupt kann. Im Sommer werde ich dann für mich eine Entscheidung treffen, wie es weitergeht.

Fabian Hürzeler und Tobias Strobl könnten Vorbilder sein


Als Trainerneuling setzen Sie in Pipinsried eine lange und vor allem gute Tradition fort. Für manchen Ihrer Vorgänger wie Fabian Hürzeler oder Tobias Strobl war der FCP ein Sprungbrett in den Profibereich. Denken Sie daran, einen ähnlichen Weg zu gehen?
Paul: Fabian Hürzeler ist da wirklich das beste Beispiel. Respekt, was er bei St. Pauli gerade leistet; auch Tobi Strobl (aktuell Trainer des Regionalligisten FC Augsburg II/Anm. d. Red.), der über Pipinsried diesen Weg gegangen ist. Als Neuling in diesem Geschäft lernt man viel dazu, das merke ich derzeit selbst. Deshalb bin ich froh, nicht alleine zu sein, sondern mit Enver Maltas als Co-Trainer und Ati als Teammanager zwei Leute an meiner Seite habe, mit denen ich mich austauschen kann.

Sie hatten in Ihrer Profi-Laufbahn mit Erik ten Hag, Mike Büskens, Michael Köllner und zuletzt Peter Pacult unterschiedliche Trainertypen. Was nehmen Sie von diesen Trainern nun für sich mit?

Paul: Jeder verfolgt einen anderen Ansatz. Mit Pacult, der noch von der alten Trainerschule ist und auf die Grundtugenden des Fußballs wie Disziplin, Laufbereitschaft und Zweikampfhärte Wert legt, hat es in Klagenfurt überragend funktioniert. Dort habe ich gesehen, wie wichtig das Mannschaftsgefüge ist, und wie sich ein Team selber finden kann, ohne dass der Trainer den Spielern großartig sagen muss, wie sie den Ball annehmen müssen. Ich habe es andererseits aber auch erlebt, dass Trainer wie ten Hag auf jeden Meter geachtet haben, wo man gestanden ist und wie man den Ball beim Passspiel trifft. Auch das hat funktioniert. Es gibt mehrere Wege, um erfolgreich zu sein. Für mich war es spannend zu sehen, dass beide Kontraste funktionieren.

Rote Karte im letzten Spiel für den TSV 1860 München



In Ihrem letzten Spiel für 1860 München, im Juli 2020 gegen den FC Ingolstadt, sahen Sie die Rote Karte, die Sie bis zum heutigen Tag begleitet. Sie wurden seinerzeit für zwei Spiele gesperrt. Müssen Sie jetzt noch immer diese Sperre abbüßen?
Paul: Vom DFB kam seinerzeit die Aussage, dass ich in Österreich nicht gesperrt bin. Dazu gibt es auch E-Mails, die ich gelesen habe. Stand jetzt bin ich aber hier noch für zwei Spiele gesperrt, was natürlich schwer nachzuvollziehen ist. Schauen wir mal, ob sich der BFV noch bewegt.

Beim Auftaktgegner TSV Rain ging es drunter und drüber. Wie beurteilt man beim FCP die Vorgänge. Sind diese für das Spiel am Samstag ein Vor- oder Nachteil für Ihre Mannschaft?
Paul: Ich versuche, mich so wenig wie möglich damit zu beschäftigen. Das bringt uns nichts. Fakt ist, dass am Samstag bei Rain elf Spieler auf dem Platz stehen werden, die alle Lust haben, das Spiel zu gewinnen. Wer jetzt in dieser Situation bei Rain noch weiterspielt, hat Charakter.

DK


Das Gespräch führte
Herbert Walther.