Schanzer sechs Spiele sieglos
FC Ingolstadt: Sportdirektor Grlic über die aktuelle Misere der Schanzer und ihre Gründe

23.03.2024 | Stand 25.03.2024, 7:15 Uhr

Bereitet die zweite Phase des Umbruchs vor: Ivica Grlic. Aktuell ist der FCI-Sportdirektor „total unzufrieden“ mit der Punkteausbeute der Schanzer. Foto: Bösl

Die Formkurve beim FC Ingolstadt zeigt klar nach unten – dafür gibt es Gründe, findet Sportdirektor Ivica Grlic. Im Interview spricht der 48-Jährige über die aktuelle sportliche Misere, seine Forderungen an Mannschaft und Trainer sowie Schwierigkeiten in seinem ersten Jahr bei den Schanzern.



Herr Grlic, nach dem 2:1-Sieg gegen Dynamo Dresden und dem 20. Geburtstag des Klubs war die Welt des FC Ingolstadt rosarot. Seither gewannen die Schanzer kein Spiel mehr. Was ist passiert?

Ivica Grlic: Rosarot – so weit würde ich bezogen auf damals nicht gehen, da ich eine jede Saison erst nach deren Ende bewerte. Wir hatten eine gute Hinrunde mit Platz fünf. 2024 gelang es uns bislang nur punktuell, unser wahres Können zu zeigen, wie eben gegen Dresden. In den darauffolgenden Spielen haben wir uns leider oft selbst geschlagen und sicherlich keine guten Leistungen gezeigt. Die Ergebnisse waren bisweilen für den gesamten Verein enttäuschend, weil die Mannschaft in der Hinrunde mehrfach gezeigt hat, was sie kann. Wir müssen nun daran arbeiten, dass wir das, was uns in der Hinrunde stark gemacht hat, wieder auf den Platz bringen, sowohl jeder Einzelspieler als auch die Mannschaft als Ganzes. Verschenkt haben wir die Punkte nicht etwa bei den beiden Unentschieden beim aktuellen Spitzenreiter Ulm oder dem ehemaligen Ersten Regensburg.

Was macht die Ursachenforschung kompliziert?

Grlic: Ich habe in der Vergangenheit nie Internas mit der Öffentlichkeit geteilt und werde es auch jetzt nicht machen. Wir besprechen die Dinge intern, wo es sicher auch mal die eine oder andere härtere Gangart gibt – das ist aber vollkommen normal im Fußball. Ich stelle mich immer vor die Mannschaft. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber viele Dinge daraus mitnehmen, um sie in der Zukunft besser zu machen. Das ist unsere Hauptaufgabe in den nächsten Wochen. Wir brauchen bessere Ergebnisse und wollen den Toto-Pokal unbedingt gewinnen. Beides muss unser Anspruch sein.

Einige Fans befürchten, dass der FCI in der 3. Liga wie in der Vorsaison noch unten reinrutschen könnte. Sie auch?

Grlic: Es wäre vermessen zu sagen, dass wir den Blick nicht auch nach unten richten. Das ist unsere Pflicht als sportlich Verantwortliche. Wir brauchen noch Punkte, und unser Anspruch ist natürlich, diese so schnell wie möglich einzufahren, damit erst gar keine Zweifel entstehen, dass wir in dieser Saison nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben. In den nächsten Wochen müssen wir unsere Hausaufgaben machen, angefangen in Unterhaching, wo wir drei Punkte einfahren wollen. Nicht mehr und nicht weniger.

Was kann Trainer Michael Köllner tun, um die Mannschaft wieder in Form zu bekommen?

Grlic: Unser Trainer ist erfahren genug und weiß, was zu tun ist. Seine Kommunikation mit den Spielern ist immer hilfreich und klar. Diese Erwartungshaltung habe ich, auch bei unserer Mannschaft, weil wir die Hinrunde so gespielt haben wie wir sie gespielt haben. Wir haben gezeigt, was in uns steckt, dadurch sind die Ansprüche an uns selbst im Saisonverlauf auch gewachsen. Den Erwartungen sind wir im Jahr 2024 bislang nicht gerecht geworden.

Was erhoffen Sie sich konkret von Ihrer Mannschaft?

Grlic: Dass sie Ergebnisse liefert, den Toto-Pokal gewinnt und dahin kommt, wo wir von der Art und Weise spielerisch schon mal waren. Das möchte ich vom gesamten Team sehen.

Inwieweit hängt die Sturmflaute mit Pascal Testroets Fußverletzung zusammen?

Grlic: Natürlich hat „Paco“ eine gewisse Qualität, er ist torgefährlich und kann seine Mitspieler gut in Szene setzen. Aufgrund seiner Fußverletzung mussten wir unseren Winterneuzugang Sebastian Grönning, den wir in Ruhe aufbauen wollten, gleich ins kalte Wasser schmeißen, sodass die Abläufe noch nicht zu 100 Prozent stimmen konnten. Dazu kam der zeitweilige Wechsel zu einem System mit nur einem Stürmer, weil neben Testroet auch Jannik Mause angeschlagen war. Beide hätten nicht von Anfang an spielen können.

Das könnte wieder passieren.

Grlic: Natürlich wäre es von Vorteil, immer mit derselben Aufstellung spielen zu können. Das Glück hatten wir in dieser Saison noch nicht, aber wir haben diesen Umstand in der Hinrunde besser gemeistert. Gegen Verl haben wir seit Langem mal wieder mit einer Doppelspitze gespielt. Das wird auch in Zukunft wieder der Fall sein. Grönning haben wir verpflichtet, um nachlegen zu können, wenn „Paco“ beispielsweise in der 60. oder 70. Minute rausgehen sollte, die Offensivspieler drumherum haben wir ja. Grönning hat es bei seinen ersten beiden Einsätzen hervorragend gemacht, jedoch danach gesundheitlich etwas zu knabbern gehabt.

Selbst Mause ist nach einem kometenhaften ersten Halbjahr mit 13 Treffern etwas im Tief.

Grlic: Auch er hatte temporär gesundheitliche Probleme. Dann ist ihm sein Sturmpartner weggebrochen, dazu die Systemumstellung. Und nicht zu vergessen: Er hat Max (Dittgen; d. Red.) an dessen Geburtstag (Spiel gegen Viktoria Köln; d. Red.) den Elfmeter überlassen. Er hätte normalerweise ein Tor mehr. Das schätze ich sehr an Jannik und all seinen Mitspielern. Sie haben ein Gespür für die Situation und stellen das eigene Ego immer hinten an.

Auch die Schanzer Defensive ist derzeit eine Baustelle.

Grlic: Es ist wichtig, dass wir stabiler stehen und weniger Gegentore bekommen. Das Defensiv-Verhalten ist jedoch ein Manko, bei dem ich die ganze Mannschaft in die Pflicht nehme. Wir haben auch in der Anfangsviertelstunde viel zu viele Gegentore kassiert. Durch die frühen Rückstände machen wir uns das Leben selbst schwer.

Nach 30 Spielen der Vorsaison hatte der FCI nur sechs Punkte mehr. Stagnieren die Schanzer?

Grlic: Wer gedacht hat, dass Michael Köllner und Ivica Grlic kommen, und dann steigt der FCI sofort ohne Wenn und Aber auf, der lag falsch. Sonst würden das alle Vereine so machen. Wir haben den Verein, der relativ nah am Abstieg war, noch recht souverän zum Klassenerhalt geführt und im Sommer einen großen Umbruch im Kader vollzogen. Man muss den Spielern Zeit einräumen, sich zusammenzufinden. Im zweiten Jahr können die Automatismen noch besser greifen.

Mit einer zweiten Phase des besagten Umbruchs?

Grlic: Wir wollen uns punktuell verstärken. Möglicherweise durch Top-Talente, die zum FCI passen. Natürlich wird aktuell vieles infrage gestellt, weil es 2024 nicht so läuft, wie auch wir uns das vorgestellt haben. Auch wenn wir aktuell total unzufrieden mit der Punkteausbeute sind, blicken wir sehr zuversichtlich in die Zukunft.

Sie sind nun knapp ein Jahr bei den Schanzern. Was war Ihre größte Schwierigkeit?

Grlic: In der vergangenen Saison den Klassenerhalt zu schaffen, den Kader zu durchleuchten und gleichzeitig daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Normalerweise hat ein Sportdirektor dafür beinahe ein Jahr Zeit. Bei mir waren es keine vier Wochen. Das war schon sehr ambitioniert in knapp einem Monat. Von einfach kann keine Rede sein.