Deutliche Worte
„Mannschaft disziplinlos“, Tuchel „macht konfusen Eindruck“: Das sagen Experten zur Bayern-Krise

24.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:11 Uhr

Wirkte ratlos: Trainer Thomas Tuchel. −Foto: dpa

Trainer Thomas Tuchel trägt nach Ansicht von Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann Mitschuld an der sportlichen Krise des FC Bayern. „Die Führung mag konfus sein, aber der Trainer macht in seinen bisherigen vier Wochen auch einen sehr konfusen Eindruck“, sagte der frühere Bayern-Profi bei Sky90. „Wenn er die Meisterschaft auch noch verspielt, ist es klar, dass er angeschossen sein wird.“ Die Münchner hatten nach dem 1:3 bei Mainz 05 die Tabellenführung der Fußball-Bundesliga an Borussia Dortmund verloren.

„Ich habe selten einen Trainerwechsel erlebt, wo es kurzfristig schlechter wird. Genau das ist bei den Bayern passiert“, sagte Hamann. Gegen Mainz habe die Mannschaft „wie von allen guten Geistern verlassen“ gespielt, beim Pokal-Aus im Viertelfinale gegen den SC Freiburg habe der Auftritt des Teams einem „Hühnerhaufen“ geglichen. Hamann kritisierte auch Tuchels Aussagen in der Öffentlichkeit sowie die Aufstellungen. „Du hast keinen Wettbewerb mehr außer der Bundesliga. Du hast zwei Spieler, die in Form sind: Coman und Sané. Und die spielen nicht.“ In der Champions League waren die Bayern an Manchester City gescheitert.

Der ehemalige Bayern-Profi Thorsten Fink sieht die Probleme bei den Münchnern eher nicht beim neuen Trainer Tuchel, der vor einem Monat auf Julian Nagelsmann gefolgt war. „Es muss etwas nicht stimmen und das muss innerhalb der Mannschaft sein“, sagte der 55-Jährige. „Ich bin überzeugt, dass Thomas Tuchel die richtigen Hebel ansetzt.“


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Hamann sieht die Stimmung im Team ebenfalls als Problem. „Da gibt es zerstrittene Grüppchen, aber keine Mannschaft“, sagte der 49-Jährige, der „tiefe Gräben“ im Kader des Rekordmeisters sieht. „Die Mannschaft zerfällt im Moment in ihre Einzelteile.“ Die deutliche Kritik von Vorstandschef Oliver Kahn nach dem 1:3 in Mainz hätte er sich „vor sechs bis acht Wochen gewünscht. Man hat sich zu lange schützend vor die Mannschaft gestellt“.

Im Titelkampf der Bundesliga traut Hamann den Dortmundern die erste Meisterschaft seit 2012 zu. „Jetzt haben sie es selbst in der Hand und sollten die Tabellenführung nicht mehr hergeben“, sagte er. „Ich kann mir gut vorstellen, dass sie die letzten fünf Spiele gewinnen. Fink hat dagegen Zweifel am BVB, der aktuell einen Punkt Vorsprung hat, und glaubt an den elften Titel in Serie für die Münchner. „Ich bin sicher, dass die Bayern alle fünf Spiele gewinnen werden. Dortmund hat jetzt etwas zu verlieren“, sagte er.

Magath: „Trainerwechsel kam zu spät“

Für Felix Magath macht derweil die Mannschaft des derzeit strauchelnden Fußball-Meisters einen „führungslosen und disziplinlosen“ Eindruck. „Der Trainerwechsel kam zu spät“, sagte der 69-Jährige am Sonntag im Sport1-Doppelpass mit Bezug auf die Trennung von Julian Nagelsmann. Die Bayern hätten den besten Kader in der Fußball-Bundesliga. Das zu moderieren, sei die Aufgabe des Trainers. Doch Nagelsmann habe nicht das Richtige gemacht, um so eine Mannschaft zusammenzuhalten.

Zudem sei Manuel Neuer nicht zu ersetzen. „Er wurde einfach zu wenig und nicht zu viel geschätzt früher, er ist mehr als nur ein Torhüter“, sagte Magath, der mit den Münchnern zwischen 2004 und 2007 unter anderem zwei Meistertitel holte.

Der verletzte Nationalkeeper sei als Persönlichkeit im Verein nicht zu ersetzen, „sie haben sonst keine derartige Persönlichkeit im Kader. Lewandowski ist weg und Neuer fehlt jetzt am meisten. Wenn Neuer zurückkommt, garantiere ich Ihnen, dann wird der Meister wieder München heißen“, meinte Magath. Unter Nagelsmann kam es zur Trennung vom Neuer-Vertrauten und Torwarttrainer Toni Tapalovic, was Neuer (37) zu öffentlicher Kritik veranlasste.

Die Bayern hatten am Samstag durch das 1:3 beim FSV Mainz 05 die Tabellenführung an Borussia Dortmund verloren, das nach dem 4:0 gegen Eintracht Frankfurt einen Punkt vor den Bayern liegt. Laut Magath wirke die Mannschaft auch konditionell nicht ganz fit. Es sei zudem keine Führung auf dem Platz zu sehen, sagte er.

Auch Matthäus übt scharfe Kritik: „Unterirdisch“

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hat nach der nächsten Niederlage des FC Bayern scharfe Kritik an den Münchnern geübt. „Es stimmt vorne und hinten nicht“, sagte Matthäus in seiner Funktion als Experte des TV-Senders Sky Die Leistung gegen Mainz sei insbesondere in der zweiten Halbzeit „unterirdisch“ gewesen. „Das war schlecht, es war nicht der Kampfgeist da, es war nicht der Wille da“, sagte Matthäus. „Das ist keine Mannschaft.“

Es würde jetzt „alles“ hinterfragt werden beim FC Bayern. Der Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel habe „im Endeffekt gar nichts gebracht“. Es müsse „Tacheles“ geredet werden. „Und vielleicht werden dann auch gewisse Positionen im Verein geändert - nicht nur auf dem Platz.“

− red/sid