1:3-Pleite gegen Leipzig
Fans flüchten aus Stadion, Tuchel stinksauer, Titel-Weg für Dortmund ist frei: FC Bayern im Schockzustand

20.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:50 Uhr

Ein Bild sagt alles: Die Bayern-Bosse um Oliver Kahn, Hasan Salihamidzic und Herbert Hainer nach dem dritten Leipziger Treffer. −Foto: dpa

Thomas Tuchel fand nur langsam zu sich. Nach Minuten, die er in der Schlussphase vollkommen konsterniert auf der Bank gesessen hatte, stand er schwerfällig auf, sein Boss Oliver Kahn blickte von der VIP-Tribüne ganz allein schockiert auf den Rasen. Die Stadionregie spielte dazu „I don“t want to miss a thing„ aus dem Film Armageddon – und für Bayern München fühlte es sich auch an wie ein Weltuntergang.

Die Bundesliga bekommt ihr großes Meisterfinale, doch die Bayern halten die Schale nicht mehr in der Hand. Durch das brutal niederschmetternde 1:3 (1:0) im Topspiel gegen RB Leipzig legte der Dauermeister dem Rivalen Borussia Dortmund den Ball auf den Elfmeterpunkt. Ein Sieg beim FC Augsburg am Sonntag, dann kann der BVB am kommenden Wochenende aus eigener Kraft den Titel holen: Bayern wäre nach zehn Jahren entthront.

„Abgezockt sieht anders aus“, sagte Thomas Müller, als er auf den Konter zum 1:1 nach eigenem Eckball angesprochen wurde. Generell sei die zweite Halbzeit „sehr schwach“ von den Bayern gewesen: „Wir haben RB mit eigenen Fehlern aufgebaut. Aber wir müssen jetzt den Nackenschlag wegstecken.„ Zum Aufgeben sehe er keinen Grund: „Dortmund muss beide Spiele gewinnen, das will ich erst mal sehen.“ Er fühle, dass „da schon noch was geht.“

Trainer Thomas Tuchel wirkte nach der Pleite geschockt. „Man muss anders spielen, wenn man ein Spiel gewinnen will. Wenn man so weit konstant unter seinen Level spielt, dann verliert man.“ Nach guten 30 Minuten habe man komplett aufgehört. „Da hab ich im Moment keine Erklärung, wie sowas passieren kann“, stöhnte Tuchel und versuchte dann doch eine Analyse: „Es kommt auf die Kleinigkeiten drauf an. Wenn sich keiner mehr bewegt, keiner mehr auf Lücke geht. Wenn du das nicht machst, dann sieht es so aus, als ob RB gut war. Wenn ich verliere, will ich gegen eine bessere Mannschaft mit besserer Tagesform verlieren und nicht, weil uns das Spiel aus den Händen gleitet.“ Auch für das Fehlverhalten vor dem Ausgleich fand der Trainer deutliche Worte. „Da kann man nicht den Kopf einziehen. Und auch nicht versuchen, den Gegner überlupfen. Man muss sein Verhalten anpassen. Man muss auch anders über die Straße gehen, wenn man in New York oder Bogenhausen über die Straße geht.“

Laimer äußert sich zu möglichem Bayern-Wechsel

Serge Gnabry (25.) erzielte zwar sein fünftes Tor in den jüngsten vier Spielen, doch ausgerechnet der künftige Bayern-Profi Konrad Laimer (65.) glich aus. Anschließend wollte er das offene Geheimnis nicht lüften, er sagte aber bei Sky: „Generell ist es schon ganz schön hier...“

Benjamin Pavard brachte seinen französischen Landsmann Christopher Nkunku zu Fall, der den fälligen RB-Foulelfmeter verwandelte (76.) – Dominik Szoboszlai (86., Handelfmeter) sicherte Leipzig die Champions-League-Teilnahme. Tausende Bayern-Fans taten sich das gar nicht mehr an, sie verließen die Arena vorzeitig.

Dabei ist noch nichts verloren. Um die Meisterschaft kommt es am 34. Spieltag so oder so zum Fernduell: Die Bayern müssen in Köln ran, der BVB gegen Mainz.

Der Plan der Bayern gegen Leipzig? „Wir wollen angreifen und dominant sein“, sagte Tuchel, „dann geht die Arbeit los, die Räume zu schließen, bevor Leipzig sie bespielen kann.“ Umsetzen sollte dies dieselbe Elf, die Schalke 04 demontiert hatte (6:0) - mit einer Ausnahme: Leon Goretzka rückte als zweiter Sechser für Leroy Sane rein.

Doch den Bayern fehlte die Wucht. Allerdings half es, dass Tuchel erneut mit Müller begann. Der Kapitän dirigierte viel und hatte die erste gute Gelegenheit (18.).

Auch an der Führung war er beteiligt: Er passte zu Gnabry, der von links in den Strafraum eindrang und mit Hilfe des linken Innenpfostens traf. Die Gäste kamen ohne den erkälteten Timo Werner zunächst selten zu Umschaltmomenten.

Erst nach über einer halben Stunde kam Leipzig bedrohlich vors Tor. Torhüter Yann Sommer rettete gegen Szoboszlai und Nkunku (34.) sowie Dani Olmo (36.) gleich dreimal. Kingsley Coman hatte freistehend das 2:0 auf dem Kopf (39.).

Rose brachte mit Wiederbeginn Benjamin Henrichs, um den Vorwärtsdrang des starken Münchners Joao Cancelo einzubremsen. Dass RB mehr Kontrolle gewann, lag aber zuvorderst an der zunehmenden Passivität der Tuchel-Elf.

Diese rächte sich nach einer eigenen Ecke, als Laimer eiskalt abschloss. Und erneut, als Pavard völlig unnötig foulte. Noussair Mazraoui sprang dann auch noch der Ball an die Hand.

− sid/red