Serie „Vergangene Fußballzeiten“
FC Vorderfreundorf: Nischensport statt Fußball – Stocksport, Damenturnen und Darts halten Verein aufrecht

20.12.2023 | Stand 20.12.2023, 14:33 Uhr
Norbert Kellermann

Als Spielgemeinschaft mit dem SV Grainet II war der FC Vorderfreundorf noch von 2013 bis 2020 in der A-Klasse aktiv. − Foto: Verein

Preisfrage: Was macht ein Fußball-Club, der keine Fußballabteilung mehr hat? Die Antwort auf diese Frage treibt seit drei Jahren einen Ortsteil der Gemeinde Grainet um. Der FC Vorderfreundorf hat nämlich im Jahr 2020 beschlossen, seine Fußballmannschaften komplett aus dem Spielbetrieb zurückzuziehen und sich zumindest vorübergehend von der Fußball-Landkarte zu verabschieden.

Vorstand Willi Ilg, der dem Verein seit über 30 Jahren vorsteht, lässt die Entwicklung, die zu der einschneidenden Entscheidung geführt hat, Revue passieren. „Im Jahr 1967 wurde in der damals noch eigenständigen Gemeinde Vorderfreundorf ein Fußball-Club aus der Taufe gehoben, um den zahlreichen begeisterten Fußballern eine sportliche Heimat zu bieten. Bereits in der Saison 1967/68 wurde eine Herrenmannschaft für den Punktspielbetrieb in der C-Klasse Waldkirchen gemeldet, in der man knapp 20 Jahre spielte.“ Seine Glanzzeit erlebte der FCV nach dem Aufstieg in die B-Klasse dann Ende der 80er und in den 90er Jahren, als die Kicker vom Fuße des Haidel im Jahr 1995 sogar Meisterschaft und Aufstieg in die damalige A-Klasse (heute Kreisliga) feiern konnten und dort ein einjähriges Gastspiel gaben.

Sieben Jahre lang Spielgemeinschaft mit Grainet



Mit der Rückkehr in die A-Klasse (früher C-Klasse) zeichnete sich eine Entwicklung ab, die Willi Ilg und seine Vorstandskollegen zu einer ersten maßgeblichen Weichenstellung zwang. „Nachdem auch wir nicht vom Nachwuchsmangel verschont wurden und die Anzahl der Aktiven kontinuierlich zurückging, haben wir uns im Jahr 2013 entschlossen, zusammen mit der Reserve des SV Grainet eine Spielgemeinschaft zu gründen. Diese Konstellation konnten wir sieben Jahre aufrechterhalten, doch im Jahr 2020 mussten wir schweren Herzens die Reißleine ziehen, die Spielgemeinschaft auflösen und die Mannschaft aus dem Spielbetrieb nehmen“, umreißt der FC-Vorstand mit einer gehörigen Portion Wehmut den schleichenden Niedergang der Sparte Fußball.

Wie steht es nun um das Vereinsleben des Fußball-Clubs ohne das runde Leder? Willi Ilg verweist auf die beiden Sparten, die noch im Verein aktiv sind. Neben den Stockschützen, die im Eisschützenkreis 107 ihrem Hobby nachgehen, ist es vor allem das weibliche Geschlecht, welches das Vereinsleben dominiert. In der Sparte Damenturnen findet sich wöchentlich eine Gymnastikgruppe zusammen; daneben wird auch dem Zeitgeist Rechnung getragen und ein Yogakurs angeboten, der sich reger Nachfrage erfreut. Ferner wurde eine Völkerballgruppe für Damen und Jugendliche ins Leben gerufen, die regelmäßig an entsprechenden Turnieren teilnimmt, die selbst organisiert oder im Umkreis ausgetragen werden. Und passend zur aktuellen Weltmeisterschaft im legendären Ally Pally zu London wird bei der nächsten Jahreshauptversammlung die Sparte Dart aus der Taufe gehoben.

Jugend im Dorf interessiert sich mehr für die Feuerwehr



Ilg sieht in diesem Angebot insofern einen positiven Nebeneffekt, als die Sporttreibenden für ihre Aktivitäten vielfach die vom Verein mit viel Eigenleistung erstellten Sportanlagen, das schmucke Rasenspielfeld als auch das Vereinsheim, in Anspruch nehmen können. Insofern bleiben diese Anlagen, die ursprünglich für den Fußballspielbetrieb errichtet wurden, nicht ungenutzt. „Darüber hinaus belegen auch umliegende Vereine regelmäßig unseren Sportplatz; so hält z.B. der SV Grainet etliche Trainingseinheiten für die Senioren- und Nachwuchsteams bei uns ab, und trägt mangels eigenen Flutlichts sogar Abendspiele hier aus. Auch der SV Hintereben trainiert ab und zu bei uns, um seinen Platz zu schonen.“ Natürlich entrichten die genannten Vereine hierfür ihren Obolus, um den kostenintensiven Unterhalt der Sportanlagen sicherstellen zu können.

Bei der Suche nach den Gründen für speziell die Fußballmüdigkeit in seinem Verein sieht Willi Ilg mehrere Faktoren. „Die Jugendlichen haben heutzutage vielfältige Freizeitmöglichkeiten, darüber hinaus fordert auch die Schule ihren Tribut. Und bei uns im Ort interessiert sich die Jugend momentan deutlich mehr für die Jugendfeuerwehr als für den Fußball.“ Vor diesem Hintergrund sieht Ilg eine Renaissance des Fußballs in Vorderfreundorf eher pessimistisch, weshalb wohl auf unbestimmte Zeit nur noch das Kürzel im Vereinsnamen beim FCV an den Fußball als Wurzel und Motor der Vereinsgründung erinnert.