Der Stürmer mit dem Helm
Nach einem schweren Sportunfall wollte Lukas Biber nie wieder Fußball spielen – und wurde seinem Schwur untreu

25.04.2024 | Stand 25.04.2024, 16:47 Uhr

Der Rugby-Helm ist ein hervorragender Schutz gegen Kopfverletzungen, bringt aber auch aus psychologischer Sicht Sicherheit. Im Winter sei er angenehm zu tragen, berichtet Lukas Biber, im Sommer aber sehr heiß. Fotos: Bartenschlager

Nach einem furchtbaren Sportunfall – Schädelbruch, sein Leben hing an einem seidenen Faden – stand für Lukas Biber eines fest: nie wieder Fußball. Das ist jetzt noch keine zwei Jahre her und Biber wurde seinem Schwur untreu. Heute kämpft der 27-Jährige mit seinem Verein, dem TSV Burgheim, um die Meisterschaft in der Kreisklasse Neuburg.

An den Unfall erinnert sich Lukas Biber noch genau: Es war der 7. August 2022. Die Saison hatte gerade erst begonnen und Burgheim traf auf Steingriff. „Von der rechten Seite kam eine Flanke. Ich bin reingegrätscht, habe den Ball aber nicht erwischt“, erzählt Biber. Ein Steingriffer Verteidiger war ihm auf den Fersen und setzte zu einem Sprung über den am Boden Liegenden an – eine alltägliche Situation im Fußball. Aber in dem Moment richtete sich der Burgheimer auf und der Verteidiger krachte mit dem Knie gegen den Kopf von Biber. „Ich habe noch zwei bis drei Minuten etwas mitgekriegt, dann habe ich einen Krampf bekommen und dann weiß ich nichts mehr“, so der 27-Jährige. Sanka, Stiffneck zum Stabilisieren, Hubschrauber, CT im Klinikum Ingolstadt, es folgte eine dreieinhalbstündige Operation. Auf dem Röntgenbild ist die Einbuchtung im Schädel deutlich zu erkennen, die das Knie hinterlassen hat.

Erstaunlich rasche Erholung

Lukas Biber ist jung, kräftig und durchtrainiert. Er erholte sich erstaunlich rasch. Hinzu kam, dass bei jungen Menschen die Hirnhaut relativ dick ist. Wären Knochensplitter durch sie durchgedrungen, wäre das wohl das Ende gewesen. Gleichwohl: Ein Hirnstrang wäre beinahe gerissen. Die Konstitution des Burgheimers war offensichtlich bemerkenswert.

Bereits nach 24 Stunden wurde Biber von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt und am Donnerstag darauf ganz entlassen. Ins Leben zurückzufinden war mühsam. „Erstmal ging gar nichts“, berichtet der 27-Jährige. „Ich konnte nicht mal selber duschen.“ Erste Erfolge stellten sich ein: ein Spaziergang in den Hof, hin und zurück – zehn Meter insgesamt.

Geschenkkorb vom SV Steingriff

Zur Genesung trug vielleicht auch der SV Steingriff bei. „Es kamen eine Karte und ein Geschenkkorb der gegnerischen Mannschaft“, sagt Biber. Der in dem Unfall verwickelte Steingriffer Verteidiger besuchte ihn zu Hause.

Ende August begann eine dreiwöchige Reha in einem Neurozentrum in Bad Gögging. Ein bisschen Sport gehörte zum Programm, aber nicht zu viel, um Druck auf den Kopf zu vermeiden. Wie knapp die Sache tatsächlich war, wurde Biber erst bei einer Untersuchung bei seiner behandelnden Ärztin klar. Die deutete auf die Aufnahmen seines Schädels und sagte: „Solche Bilder kenne ich, aber Sie sind der erste mit einer solchen Verletzung, der mir gegenüber sitzt.“ Lukas Biber atmet bei der Erinnerung an dieses Gespräch kurz durch: „Da denkst du nach.“ Verständlich, dass der Stürmer dem Fußball endgültig Lebewohl sagen wollte.

Nur gab es auf Dauer ein kleines Problem: „Ich bin ein Bewegungsmensch“, definiert sich der 27-Jährige selbst. Er betreibt Wintersport, fährt Ski und Snowboard. Seine große Leidenschaft jedoch gilt dem Fußball, und das seit frühester Jugend. Er kickte bereits bei der F-Jugend des TSV Burgheim, war dann bei der JFG Rain und kehrte nach einer Stippvisite beim FC Ingolstadt zu seinem Heimatverein zurück. Im Dezember und Januar nach seinem Unfall begann er wieder mit dem Hallentraining: „Ich wollte auf den Ball draufhauen, aber es war klar: Ich spiele nie wieder Fußball.“

Aber er kickte nun mal so gerne. Nach einem Training stand der Entschluss fest: „Ich spiele doch wieder!“ Seine Ärztin erteilte die Freigabe. „Danach brach daheim die Hölle los“, sagt er. „So schlimm war’s nicht“, beschwichtigt seine Mutter. Aber dass seine Eltern sich nicht gerade vor Begeisterung überschlugen, war auch klar.

Heuer bereits ein Kopfballtor erzielt

Biber besorgte sich einen Rugby-Helm, schwarz, Neopren mit Schaumstoff und Noppen. „Er ist leicht, verhindert aber genau solche Unfälle. Der ist für die Psyche wichtig.“ Wer dachte , dass Lukas Biber nun Kopfbällen aus dem Weg gehen würde, sah sich getäuscht. „Ich war nie der große Kopfballer, aber ich habe heuer schon ein Kopfballtor geschossen“, berichtet er nicht ohne Stolz. Während des Matches legt sich der 27-Jährige voll ins Zeug. „Wenn du vorsichtig oder ängstlich bist, brauchst du gar nicht erst anzutreten.“

Soweit klingt alles nach einer makellosen Erfolgsgeschichte. Aber ganz so ist es nicht. Biber hat gewisse Probleme mit dem linken Arm: „Er fühlt sich an, als ob er eingeschlafen wäre. Die obere Hälfte ist besser als die untere. Aber das nehme ich gar nicht mehr wahr“, wiegelt er ab. Die medizinische Prognose: Wenn dieses Gefühl nach drei Jahren nicht weg ist, wird dieser Zustand so bleiben.

Ernster sind Panikmomente, von denen der 27-Jährige von Zeit zu Zeit heimgesucht wird. „Aber nie beim Fußball“, wie er sofort betont. So fit wie früher werde er nicht mehr, erklärt Biber weiter. Das liegt daran, dass er nur einmal pro Woche das Training besucht. Er arbeitet als Einkäufer bei BMW Motorsport in München, kümmert sich um die Beschaffung von Teilen für die Boliden und hält sich natürlich hauptsächlich in der bayerischen Landeshauptstadt auf.

Trainer als wichtige Bezugsperson

Mannschaft und Coach akzeptieren das. Überhaupt ist sein Trainer Harald Grimm eine wichtige Bezugsperson, die ihn stets unterstützt. „Mit Harry komme ich super klar“, erklärt Biber. Die Meisterschaft wäre natürlich schön. Momentan steht Burgheim auf dem ersten Platz. Ein wichtiges Spiel, gegen Untermaxfeld, ist bereits vorbei; es endete mit einem Unentschieden. An diesem Sonntag reist ein zweiter schwieriger Gegner an, die SG Münster/Holzheim, mit nur drei Punkten Unterschied auf Platz zwei stehend. „Das wird ein entscheidendes Match“, sagt der 27-Jährige.

Vor Kurzem war er übrigens wieder beim Arzt, ein blauer Fuß, eine ganz normale Sportverletzung, wie sie beim Fußball dazugehört. Nichts wirklich Ernstes also.

DK