Saisonfazit und Kaderpläne
Sportdirektor Tim Regan vom ERC Ingolstadt: „Wir sind gerade im Puzzle-Modus“

05.04.2024 | Stand 05.04.2024, 7:25 Uhr

Bei der 4:6-Niederlage zum Viertelfinalauftakt in Bremerhaven war Wayne Simpson mit vier Scorerpunkten auffälligster Ingolstädter. „Simpson war in den Play-offs einer unser besten Spieler. Es gibt keinen Zweifel, dass Wayne nach Ingolstadt gehört“, sagt Sportdirektor Tim Regan. Foto: Traub

Wie wird sich das Team des ERC Ingolstadt für die kommende Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) verändern? Auf welchen Positionen braucht es Verstärkung? Das sind zentrale Fragen für Sportdirektor Tim Regan, der im großen Interview Bilanz zieht und seine Planungen umreißt.



Herr Regan, in der Saisonrückschau von Trainer Mark French kam häufig das Wort „frustrierend“ vor, zudem zeigte er sich selbstkritisch. Wie blicken Sie auf die abgelaufene Spielzeit?

Tim Regan: Wahrscheinlich genauso. Nach der Vorbereitung inklusive Champions Hockey League haben alle Beobachter der Mannschaft Potenzial bescheinigt, spielerisch und läuferisch. Dann hatten wir einen schlechten Start in die Liga, was einen gewissen Druck aufgebaut hat. Wir sind immer hinterhergelaufen. Das Wort, das unsere Saison am besten beschreibt, heißt Inkonstanz.

Würden Sie aus heutiger Sicht bestimmte Entscheidungen anders treffen?

Regan: Die Situation mit der Champions League hatte von uns kaum jemand schon mal erlebt, weder die Trainer, noch die meisten Spieler und ich auch nicht. Zusätzlich zu der Doppelbelastung hatten wir elf Neuzugänge zu integrieren, dazu kamen die hohen Erwartungen – auch von uns selbst – an den Vizemeister und eine andere Struktur mit nur zwei Ausländern in der Verteidigung. Das soll keine Ausrede sein. Die Champions League ist ein schöner Wettbewerb, den wir ernst genommen haben. Ich würde nicht sagen, dass wir in dieser Phase einen Fehler gemacht haben. Wir sollten nur schauen, was wir daraus lernen können.

Wie läuft so eine Saisonanalyse eigentlich ab? Völlig neue Erkenntnisse dürfte es nach dem Viertelfinal-Aus gegen Bremerhaven nicht gegeben haben, denn Sie sprechen ja ohnehin ständig mit den Trainern.

Regan: Ja. Es fängt mit der Mannschaftsplanung an: Welche Struktur wollen wir haben, welche Spieler holen wir? Dann gibt es eine Analyse der Vorbereitung, und nach jedem Quartal, das aus 13 Spielen besteht, gibt es auch ein Treffen. Nach der Saison führen wir die Schlussgespräche mit allen Beteiligten, in denen die Play-offs enthalten sind. Da gibt es keine Überraschungen, weil man im ständigen Austausch ist.

Sind Sie und Mark French meistens einer Meinung?

Regan: Viele Meinungsverschiedenheiten haben wir nicht. Ich vertraue meinem Trainerteam. Mark hat fast 30 Jahre Erfahrung, das ist bei einem modernen Coach schwer zu finden. Er kann seine Meinung immer fachlich begründen. Ich bringe meine Erfahrung als Spieler und Trainer ein. Das ist eine gute Kommunikationsbasis.

Der ERC hat schon einige Abgänge bekanntgegeben. Was sprach gegen einen neuen Vertrag für Casey Bailey und Andrew Rowe?

Regan: Bailey hatte einen schweren Start, dann kam seine Verletzung. Wir brauchen aber auch Spielraum für Veränderungen und wollen diese Position mit einem anderen Spieler besetzen.

Mit einem schnelleren Spieler?

Regan: Unser Fokus auf Tempo und Umschaltspiel bleibt, aber wir wollen das System von Mark und Co-Trainer Brad Tapper verbessern. Punktuell haben wir bestimmte Positionen während der Saison analysiert und sehen Verbesserungspotenzial.

Auch bei Rowe?

Regan: Auch diese Position möchten wir anderweitig vergeben. Wir haben zuvor über die Inkonstanz als Team gesprochen, da war auch er keine Ausnahme.

Weil Sie Tapper angesprochen haben: Bleibt er Assistenzcoach?

Regan: Brad hat noch einen laufenden Vertrag für die kommende Saison. Aber er war schon Cheftrainer in der DEL, und wenn er den Ehrgeiz und das Ziel hat, das irgendwann wieder zu sein, unterstützen wir ihn. Er hat es verdient, weil er sehr hart arbeitet und über große Fachkenntnisse verfügt.

Wird der Kaderplatz von Marko Friedrich künftig durch einen U23-Spieler besetzt?

Regan: Unser Konzept ist es, Talente zu entwickeln und ihnen eine Chance zu geben. Wenn sie den Durchbruch schaffen, wie beispielsweise Philipp Krauß, muss ein älterer Spieler wie Marko eben Platz machen. Das ist die Folge der U23-Regel, bei der die jungen Spieler die Plätze der erfahrenen Deutschen einnehmen.

Wer soll die Rolle von Colton Jobke übernehmen, der eigentlich als Einziger auch mal die Handschuhe fallen ließ?

Regan: Die werden wir mit einem ähnlichen Spielertyp besetzen.

Bei vier Profis ist die Zukunft noch ungeklärt. Maury Edwards und Wayne Simpson haben sich große Verdienste beim ERC erworben, werden aber nicht jünger. Sind beide nur noch mit deutschem Pass, den sie beantragen könnten, ein Thema? Laufen die Verfahren schon?

Regan: Das liegt in den Händen der Spieler. Sie müssen Engagement zeigen und die entsprechenden Qualifikationen wie einen Sprachtest nachweisen.

Das klingt so, als wäre ein deutscher Pass für die kommende Saison kein Thema. Wie lange können Sie warten?

Regan: Ich habe keinen Einblick, wie lange ein solcher Prozess dauern würde. Das ist sicherlich individuell ganz unterschiedlich. Aber kurzfristig tut sich da eher nichts.

Würden Sie die beiden auch als Ausländer halten? Ist es eine Gehaltsfrage?

Regan: Beide haben hier große Verdienste. Simpson war in den Play-offs einer unser besten Spieler. Es gibt keinen Zweifel, dass Wayne nach Ingolstadt gehört. Es geht eher darum, wie wir welche Positionen im Kader besetzen können, welche Spielertypen wir bekommen. Ergänzt Spieler X vielleicht Spieler Y perfekt? Wir sind gerade im Puzzle-Modus, wo wir die Teile zusammenfügen.

Bei Brandon Kozun und David Farrance ist es wohl ähnlich?

Regan: Genau. Wir werden in der kommenden Saison drei ausländische Verteidiger haben. In Sachen Speed, Passspiel und offensivem Drang ist Farrance ein Kandidat. Wir sondieren immer noch den Markt. Wenn wir Farrance halten, brauchen wir vielleicht noch einen Rechtsschützen. Wenn nicht, womöglich einen Linksschützen. Nächste Woche sind wir vielleicht schon wieder einen Schritt weiter.

Schließen Sie eine Auflösung der noch bis 2025 laufenden Verträge von den enttäuschenden Kevin Maginot, Charles Bertrand und Travis St. Denis aus?

Regan: Im Profisport kann man schwer etwas ausschließen, aber alle haben gültige Arbeitspapiere. Wenn der eine oder andere sich verändern möchte, können wir reden.

Bleibt die wichtigste und am schwierigsten neu zu besetzende Position wie gewohnt die des Top-Centers?

Regan: (seufzt) Den suchen wir seit Jahren. Es wäre aber unfair, die Schuld bei Rowe zu suchen. Hätten wir insgesamt konstanter gespielt und hätte er mehr Unterstützung gehabt, wäre seine Saison vielleicht ganz anders gelaufen. Wir sind gerade dabei, ein genaues Anforderungsprofil zu erstellen.

Welche Märkte kommen überhaupt in Frage? In der Schweiz, in Schweden und in Nordamerika wird deutlich besser gezahlt als noch vor ein paar Jahren.

Regan: Die Leute fordern immer, man solle Spieler aus der American Hockey League holen. Aber die Inflation wird nicht nur bei den Lebensmitteln sichtbar, sondern auch auf dem Spielermarkt. Das ist eine Herausforderung. Die russische KHL zum Beispiel erhöht die Ausländerzahl von vier auf sechs, da träumen auch viele Spieler wieder vom Geld. Der Krieg in der Ukraine ist medial ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Wir können schon interessante Spieler für unsere Art von Eishockey identifizieren, aber dann gibt es auch noch die DEL-interne Konkurrenz. Und die schläft auch nicht.

Müssen Sie eventuell bei einem finanziell angeschlagenen Klub wie der Düsseldorfer EG „wildern“, wenn die teure Altverträge nicht mehr bezahlen können oder wollen? Wird vielleicht ein Alexander Ehl verfügbar?

Regan: Wir schauen auf uns. Die Krise der DEG hat uns überrascht, weil sie seit Jahren teure Spieler in der Mannschaft haben. Aber das ist die Hausaufgabe der DEG. Wenn Spieler auf den Markt kommen, bekommt man das sofort mit.

Wird aus finanziellen Gründen auch die DEL2 immer interessanter? Im Vorjahr holten Sie Devin Williams aus Regensburg, diesmal soll Stürmer Abbott Girduckis kommen.

Regan: In dieser Liga werden unsere jungen Spieler entwickelt. Vor allem die Spieler mit deutschem Pass in der DEL2 sind nicht uninteressant.