Der Held vom Oberwiesenfeld
Jonas Stettmer schreibt beim 4:3-Sieg die nächste verrückte Torhütergeschichte beim ERC Ingolstadt

19.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:22 Uhr

Großes Kino: Mit seinen 1,94 Metern und 96 Kilos wehrte Jonas Stettmer 23 Schüsse der Münchner ab und machte das Fehlen des verletzten Stammtorhüters Michael Garteig und der erkrankten Nummer zwei Kevin Reich vergessen. Foto: Red Bull München/City-Press GmbH

Mit einem aufopferungsvoll erkämpften 4:3 (2:2, 0:1, 2:0)-Erfolg hat der ERC Ingolstadt am Dienstagabend seinen ersten Sieg in der Finalserie gegen den EHC München gefeiert und die Chance auf den zweiten Meistertitel gewahrt. Umjubelter Held wurde dabei der junge Goalie Jonas Stettmer, der den Sieg festhielt und den Titelkampf damit wieder spannend machte.



Torhütergeschichten fürs Herz gehören zum ERC Ingolstadt in dieser Saison wie spektakuläre Aufholjagden nach Rückständen. Da war dieses Märchen vom verlorenen Sohn Michael Garteig, der zur großen Freude der Panther-Fans in die Schanz zurückkehrte. Da gab es das Heldenepos von Kevin Reich, der nach einer schwierigen Saison und einem privaten Schicksalsschlag für den verletzten Garteig einsprang und den ERC in herausragender Manier ins Finale führte.

Dass dann auch noch ein 21 Jahre alter Goalie, nur Nummer drei in Ingolstadt und normalerweise in der DEL2 zwischen den Pfosten, in einer aussichtslos scheinenden Partie den Sieg der Panther gegen die Münchner festhält und in seinem ersten DEL-Spiel von Beginn an zum gefeierten Matchwinner wird, ist fast zu kitschig und unglaublich, um wahr zu sein.

Erstmals in der DEL im Einsatz



Die Hauptrolle in diesem Drama mit Happy End besetzte am Dienstagabend Jonas Stettmer. „Ich bin so alle, ich brauch’ erst mal ein, zwei Tage, bis ich das realisieren kann“, meinte der Torhüter nach diesem Blockbuster, vollgepumpt mit Endorphinen. Nach der Verletzung von Garteig und der Erkrankung von Reich kam der 21-Jährige, der bei der 1:7-Niederlage zwei Tage zuvor zum dritten Mal in einem DEL-Spiel eingewechselt worden war, erstmals in der höchsten deutschen Eishockey-Liga von Beginn zum Einsatz.

Er habe vor der Partie versucht, so ruhig wie möglich zu bleiben, erzählte Stettmer, „entspannt vor mich hingelebt“. Die ausverkaufte Halle, die Nationalhymne, das Bewusstsein um die Bedeutung der Partie ließen die Emotionen jedoch unweigerlich steigen. „Man macht sich natürlich selber Druck, man will ja die Jungs nicht enttäuschen“, meinte der Goalie. In der Kabine beruhigten die Teamkollegen den Youngster, draußen ermutigten ihn die Panther-Fans schon vor Beginn der Partie mit „Jonas-Stettmer“-Rufen.

Stettmer wird zum großen Rückhalt



Doch was wohl nicht nur der Gegner als mögliche Schwachstelle ausgemacht hatte, wurde für die Panther zum großen Rückhalt: Stettmer wehrte 23 Schüsse der Münchner ab, stoppte auch EHC-Kapitän Patrick Hager bei einem Alleingang mit dem linken Schoner und überragte in einer dramatischen Schlussphase. „Die letzten zehn Minuten waren wirklich ein Kampf“, erzählte Stettmer. „Aber der Körper wird sich erholen, der Sieg bleibt.“ Am trainingsfreien Mittwoch wollte er sich seine Belohnung abholen: „Ich lass’ mich erst mal in die Eistonne setzen und schön durchmassieren.“

Ein Wahnsinnstorhüter sei Stettmer, der eine überragende Leistung gezeigt habe, befand Stürmer Ty Ronning – und der sich auch von mehreren Rückschlägen nicht beirren ließ. Denn obwohl Wojciech Stachowiak und Frederik Storm mit ihren Treffern im ersten Drittel unterstrichen, dass die Panther längst nicht aufgegeben hatten, schlugen die Münchner zweimal zurück. Und auch wenn Stettmer sowohl beim 1:1 durch Ben Smith als auch beim 2:2, als der Puck von Justin Schütz’ Schlittschuh ins Tor sprang, chancenlos war, sei er in den ersten 20 Minuten „nicht allzu zufrieden“ mit seiner Leistung gewesen.

Doppelschlag der Panther führt zum Sieg



Doch mit Beginn des zweiten Drittels habe er „den Groove gefunden“, wie ERC-Trainer Mark French befand. Mit jeder starken Parade sei seine „Brust noch größer“ geworden, berichtete Stettmer, und ließ sich auch durch den zweiten unglücklichen Gegentreffer, als ERC-Verteidiger Mat Bodie einen Schuss von Hager mit dem Handschuh ins eigene Tor lenkte, nicht mehr aus der Ruhe bringen.

Während Stachowiak und Tye McGinn mit einem Doppelschlag innerhalb von 42 Sekunden Plot Twist im Thriller am Oberwiesenfeld einleiteten, hielt Stettmer mit überragenden Paraden den ersten Sieg des ERC nach zehn Niederlagen in Folge gegen den dreimaligen Meister fest. Mit einem weiteren Erfolg im Heimspiel am Freitag (19.30 Uhr) könnten die Panther in der „Best-of-Seven“-Serie ausgleichen. Ob Stettmer dann erneut zwischen den Pfosten steht, ist noch offen. Erst mal musste er die Ereignisse vom Dienstag verarbeiten. „Den Film“, meinte der Goalie, „werde ich noch ein paarmal abspielen.“

DK