Im Interview
Ex-ERC-Sportdirektor Boni über seinen Stadionbesuch in Ingolstadt: „Brauchte diesen Abschluss“

16.01.2024 | Stand 16.01.2024, 19:52 Uhr

Ein Mann mit vielen Gesichtern: Fast zehn Jahre lang prägte Jim Boni den ERC Ingolstadt in verschiedenen Funktionen – hier ein Bild von 2010. In dieser Woche ist der 60-Jährige zu Besuch bei Freunden in der Schanz und war ohne offizielle Anmeldung auch Tribünengast beim Panther-Sieg gegen die Adler Mannheim. „Ich bin ein sehr zufriedener Mensch“, sagt er. Fotos: Bösl/privat

Genau zehn Jahre nach seinem plötzlichen Abgang als Sportdirektor des ERC im Januar 2014 ist Jim Boni erstmals wieder zu Besuch in Ingolstadt.



Der 60-Jährige hat längst seinen Frieden mit den Panthern gemacht – doch die Rückkehr in die Saturn-Arena beim 4:0-Sieg gegen die Adler Mannheim am Sonntag war für Boni trotzdem wichtig. Warum, was ihm besonders gefallen hat und was er dem ERC zutraut, erzählt er im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Boni, während der Finalserie in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) 2014 zwischen dem ERC Ingolstadt und den Kölner Haien sagten Sie in einem Interview mit unserer Zeitung, dass Sie irgendwann sicher nach Ingolstadt zurückkehren werden. Ganz genau zehn Jahre hat es gedauert. Was hat Sie in die Schanz geführt?

Boni: Meine Tochter wird im Sommer in Italien heiraten, und wir unterstützen sie bei den Vorbereitungen. Da gibt es eine Menge zu tun. Am Donnerstag fahren wir zu ihr nach Brixen. Außerdem wollten wir unsere guten Freunde in Ingolstadt besuchen. Es sind sogar meine allerbesten Freunde. Diese beiden Dinge haben meine Frau Margarida und ich verbunden.

Am Sonntag waren Sie erstmals wieder in der Saturn-Arena. Wie emotional war die Rückkehr?
Boni: Ganz ehrlich: Es war wichtig für mich, in die volle Arena zu kommen und die Atmosphäre zu spüren. Diesen Abschluss mit dem ERC habe ich gebraucht. Es hat mir Spaß gemacht, die Fans zu treffen. Und ich habe mich gefreut zu sehen, wie der Klub und die Eishockey-Kultur in Ingolstadt gewachsen sind. Früher haben die Fans gepfiffen, wenn die Mannschaft Achter oder Neunter war. Jetzt ist das anders, das gefällt mir. Es braucht einfach Zeit, dass sich diese Kultur entwickelt.

Von wie vielen Fans wurden Sie angesprochen?
Boni: Vielen. Es war wirklich schön, Leute wie Hans Fischer wiederzusehen. Aber klar, in der Geschäftsstelle ist niemand mehr, den ich noch aus meiner Zeit kenne.

Warum wollten Sie Ihren Besuch nicht offiziell ankündigen?
Boni: Ich muss nicht alle Menschen im Klub treffen. Und ich muss auch nicht im Mittelpunkt stehen, das musste ich nie. Ich war vielleicht nie der netteste Gesprächspartner, ich habe mich nie um gute Kontakte zu den anderen Trainern und Managern bemüht, wollte nie mit allen gut auskommen. Ich war ein Besessener, ich wollte gewinnen. Und das habe ich auch in jeder Liga, in der ich tätig war, geschafft. Alles andere hat mich nicht interessiert.

Wie fanden Sie den 4:0-Sieg der Panther gegen die Adler? Was trauen Sie dem ERC zu?
Boni: Ich habe noch nie eine so schwache Mannheimer Mannschaft gesehen. Die hatten acht Torschüsse nach 40 Minuten! Puh (lacht). Deswegen ist es auch schwer zu sagen, wie gut Ingolstadt ist. Sie haben auf jeden Fall eine schnelle Mannschaft. Mir haben vor allem die Deutschen gefallen: Leon Hüttl ist ein super Spieler, auch Krauß, Nijenhuis und Stachowiak fand ich gut. Ich glaube auch, dass Tim Regan einen tollen Job als Sportdirektor macht. Aber ich bin vielleicht der Falsche, um das zu beurteilen, weil ich die DEL nicht mehr verfolgt habe. Ich schaue die NHL an, da geht es etwas schneller zu (lacht).

Wie stolz sind Sie, dass Sie eine Dekade der 60-jährigen Geschichte des Klubs mitgeprägt haben?
Boni: Mehr als stolz. Als ich nach Ingolstadt kam, war der ERC ein kleiner, familiärer Verein. Wir sind zusammen gewachsen, ich war ein Teil davon. Zu Beginn haben wir noch an der Jahnstraße gespielt, Ingolstadt war keine Top-Adresse. Als wir dann 2000 erstmals das Finale der 2. Liga gegen Düsseldorf erreichten, war das eine Überraschung. Wir erfüllten ja nicht die Voraussetzungen für den DEL-Aufstieg. Ich könnte ein Buch schreiben! Bei den Planungen für die Nachwuchsakademie habe ich auch mitgewirkt, gemeinsam mit Reinhard Büchl. Leider habe ich sie nie fertig gesehen. Aber ich bin stolz, dass wir das damals mit angestoßen haben, und der Nachwuchs hat sich sehr gut entwickelt. Ich sage immer: Wenn du einen Ort besser verlässt, als du ihn vorgefunden hast, hast du deinen Job gemacht.

Geblieben sind vermutlich vor allem die Freundschaften.
Boni: Ja, und die Erinnerungen an die Menschen. Deutschland ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Das ist keine Phrase wie bei vielen Spielern. Ich will nicht mehr im Eishockey arbeiten, deswegen muss ich auch nichts erzählen. Ich kümmere mich um meine Immobilien, das war’s. Ich bin ein sehr zufriedener Mensch, der im Leben viel Glück hatte.

Sie sind leidenschaftlicher Angler, produzieren und verkaufen Ausrüstung, unter anderem Fliegen für das Forellenfischen, und geben auch Angelkurse.
Boni: In der Pandemie habe ich Fliegen fürs Fischen gefertigt und verkauft. Dafür habe ich aber keine Zeit mehr, ich angle zu viel (lacht). Ich gebe drei, vier Kurse pro Jahr im Spey-Werfen, das ist eine spezielle Technik. Auch für größere Unternehmen.

Wer lernt schneller: Angler oder Eishockey-Profis?
Boni: (lacht) Ich würde sagen die Eishockey-Spieler. Die sind länger dabei. Als Beginner im Spey-Fischen muss man bei Null anfangen.

ZUR PERSON

Giacinto „Jim“ Boni (60) fing 1999 als Trainer beim damaligen Zweitligisten ERC Ingolstadt an. Wenige Monate nach dem DEL-Aufstieg 2002 wurde der Italo-Kanadier entlassen. Nach sechs Jahren in Österreich kehrte Boni 2009 als Sportdirektor nach Ingolstadt zurück. Mit den Panthern erreichte er zweimal das Halbfinale, ehe er Ingolstadt im Januar 2014 vorzeitig im Streit verließ – drei Monate vor dem Meistertitel des ERC. Heute lebt der begeisterte Angler mit seiner Frau Margarida in Elora nahe Toronto/Kanada.