ERC-Ingolstadt-Bezwinger
Bremerhavens Sebastian Furchner vor DEL-Finale: „Titel wäre keine Riesenüberraschung“

16.04.2024 | Stand 16.04.2024, 17:00 Uhr

Bremerhavener Triumvirat: Sportdirektor Alfred Prey, sein Nachfolger Sebastian Furchner und Geschäftsführer Hauke Hasselbring (von links). Im Viertelfinale warfen die Pinguins den ERC Ingolstadt mit 4:0 Siegen aus den Play-offs. An diesem Mittwoch beginnt die Finalserie gegen Berlin. Foto: Imago Images

Als Stürmer verlor Sebastian Furchner sechs Finalserien um die deutsche Eishockey-Meisterschaft – nun hat er als Funktionär mit den Pinguins Bremerhaven seine siebte Chance auf den Pokal. Wie sehr die verpassten Titel schmerzen und warum es diesmal endlich klappt, erzählt der 41 Jahre alte Kaufbeurer im Interview.

Herr Furchner, sind Sie handwerklich begabt?
Sebastian Furchner: (lacht) Stark limitiert, aber ich gebe mein Bestes.

Also haben Sie die Play-off-Pyramide der Pinguins nicht gebaut?
Furchner: Nein.

Die zwölf Fächer dieser Pyramide symbolisieren die notwendige Anzahl Siege bis zum Titel. Acht dieser Fächer sind schon mit Pucks belegt, vier fehlen noch. Wer kam auf diese schöne Idee?

Furchner: Das kann ich gar nicht sagen. Eigentlich war das ein mannschaftsinternes Ding, das nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte. Das war unglücklich, deswegen wollen wir gar nicht so sehr den Fokus darauf lenken. Aber jetzt ist es halt schon raus.

Sie sind als Profi sechsmal Vizemeister geworden, durften aber noch nie den Pokal in die Luft heben. Warum klappt es nun im siebten Anlauf als Funktionär?
Furchner: Weil ich jetzt kein Spieler mehr bin. Es liegt immer an den Spielern. Wir rechnen uns also bessere Chancen aus.

Zumindest kennen Sie das Gefühl, mit Bremerhaven zu triumphieren: 2002 schlugen Sie im Zweitliga-Finale den ERC Ingolstadt – ohne Gehalt, aber mit tollem Teamgeist. Was hat sich seitdem in Bremerhaven verändert?
Furchner: Bis auf die handelnden Personen im Hintergrund hat sich alles verändert: das Stadion, die ganze Infrastruktur. Es ist alles professioneller. Auf der anderen Seite ist es schon noch sehr familiär. Es sind unglaublich viele Menschen aus meiner aktiven Zeit noch dabei, die im Stadion helfen. Zum Beispiel Helga, die früher Obst für die Spieler geschnitten hat – die ist heute immer noch hier. Auch derjenige, der das Material verwaltet, ist noch mit dabei. Und klar, Alfred Prey und Hauke Hasselbring, die Väter des Erfolgs, sind auch über viele Jahre in der Verantwortung.

Ist diese Kontinuität auch Teil des Erfolgsrezepts der Pinguins?
Furchner: Ja, definitiv. Ich glaube, dass die Spieler gerne für den Verein spielen und sich voll damit identifizieren. Das merkt man jetzt im Erfolgsfall, dass es den Spielern näher geht, weil sie wissen, dass sie das hier mit aufgebaut haben. Der Verein hat sich in kleinen Schritten immer weiterentwickelt. Unser Torwart Kristers Gudlevskis, der zwischendurch mal woanders gespielt hat, kam zurück und sagte: „Ihr seid ja schon wieder ein Stück weiter als damals, als ich gegangen bin.“ In Wolfsburg war das ähnlich.

Die Saison haben Sie als Teammanager bei den Grizzlys Wolfsburg begonnen, ehe Sie im Januar an die Küste wechselten. Kicken Sie weiterhin in der Traditionsmannschaft des VfL Wolfsburg – oder nun bei Werder Bremen?
Furchner: (lacht) Nee, in Wolfsburg. Bei der Traditionsmannschaft habe ich aber nur einmal mitgespielt, das war ultralustig. Zu Wolfsburg und den Grizzlys habe ich nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis. Da bin ich absolut im Guten gegangen. Mit Bremerhaven war ursprünglich vereinbart, dass ich das Jahr in Wolfsburg beende. Aber wir haben dann in zwei, drei Gesprächen festgestellt, dass es in der Praxis einfach keinen Sinn hat, da bis zum Saisonende weiterzuarbeiten. Weil du in der Funktion ja auch viele Internas mitbekommst, die über die Saison hinausgehen. Deshalb haben wir einen klaren Schnitt gemacht, sodass ich ein neues Kapitel in Bremerhaven starten konnte.

Ihre Frau Andrea stammt von dort.

Furchner: Genau. Wir haben jedes Jahr ein paar Wochen in Bremerhaven verbracht. Es ist keine fremde Stadt, man kennt alle Ecken.

Wie erleichtert sind Sie, dass es nicht zu einem Play-off-Duell zwischen Pinguins und Grizzlys gekommen ist?
Furchner: Überhaupt nicht. Schon alleine von der Reiserei wäre es für beide Teams toll gewesen, das Nord-Duell.

Die Frage zielte eher darauf ab, ob Sie eventuell in einen Konflikt geraten wären, mit welchem Klub Sie nun mitfiebern.

Furchner: Nein, das weiß ich schon, mit wem ich mitfiebere, das ist für mich völlig klar. Bremerhaven ist jetzt meine Mannschaft, das andere liegt in der Vergangenheit.

Musste Pinguins-Verteidiger Phillip Bruggisser nach Ihrem Amtsantritt erst mal zum Rapport in Ihr Büro kommen? Nach einer Kollision mit ihm stürzten Sie einst schwer in die Bande, was Ihr Karriereende eingeleitet hat.
Furchner: (lacht) Nein. Unsere Geschichten sind miteinander verknüpft. Aber es war kein Foul, es war ein Unfall. Er hat sich sofort danach gemeldet, wir haben ein paarmal telefoniert. „Bruggi“ ist ein feiner Typ, da hängt uns gar nichts nach. Meine Vorstellung in Bremerhaven war witzig. Als Alfred verkündet hat, dass ich zu den Pinguins komme, rief die ganze Mannschaft beim Verlassen der Kabine „Bruggi!“. Wir können darüber scherzen, weil nichts Dauerhaftes geblieben ist.

Sie haben in Ihrem ersten DEL-Spiel 2002 – gegen den ERC Ingolstadt – von Haie-Trainer Hans Zach den nach eigenen Worten „Einlauf meines Lebens“ bekommen. Welchen Stil pflegen Sie im Umgang mit den Spielern?
Furchner: Da habe ich bei einem Drei-gegen-Eins alleine abgeschlossen und so einen Konter für den Gegner eingeleitet. Für die tägliche Trainingsarbeit sind die Trainer verantwortlich. Da habe ich eine größere Distanz, weil ich außer mit „Bruggi“ mit keinem zusammengespielt habe. Ich pflege einen professionellen Umgang, aber auf Augenhöhe. Durch meine lange Karriere nehmen die Jungs meine Ratschläge an, denke ich. Das ist kein Besserwissertum, sondern eine Hilfe. Meine Aufgabe ist aber eher, strategisch zu wirken.

„Wenn der Furchner mal mit dem Telefonieren aufhört, kann sein Anbieter Insolvenz anmelden“, sagte Ihr Freund Kai Hospelt über Sie. Das dürfte sich im Management eher verschlimmert haben, oder?
Furchner: (lacht) Ja, das wird immer mehr. Manchmal macht mein Handy-Akku tatsächlich schlapp. Ich komme oft nachts ins Grübeln. Dann stehe ich vor vier Uhr auf und schreibe Nachrichten. Morgens bekomme ich dann eine Antwort mit der Frage: „Wann willst du eigentlich mal schlafen?“ Aber ich bin einfach so ein Typ, der die Dinge erledigt haben will. Auf der anderen Seite macht es Spaß, sich mit vielen Leuten auszutauschen. Gerade mit Ex-Spielern wie Norm Milley oder Tyler Haskins, mit denen ich lange in Wolfsburg gespielt habe und die jetzt Trainer in Nordamerika sind. Ich habe natürlich auch viele Ideen, die ich einbringen möchte.

Hatten oder haben Sie keine Bedenken, in die riesigen Fußstapfen von Bremerhavens Manager-Legende Prey zu treten?
Furchner: Sind wir mal ehrlich: An jedem Standort gibt es große Fußstapfen. Aber wir wissen, was wir voneinander erwarten können. Da gibt es keine Überraschungen. Unsere Ziele sind sehr hoch, aber wir sind immer noch die Fischtown Pinguins. Diese herausragende Saison ist nicht selbstverständlich. Nächstes Jahr geht es wieder bei Null los.

Ist es von Vorteil, dass Sie mit Co-Trainer Alexander Sulzer einen Freund und einen Kaufbeurer wie Sie im Klub haben? Sulzer wird ja auch als Nachfolger des scheidenden Thomas Popiesch als Chefcoach gehandelt.

Furchner: Unsere Personalien haben nichts miteinander zu tun. Er war ja schon da, als ich noch kein Thema in Bremerhaven war. Um zu verhindern, dass unsere Verbundenheit ein Problem wird, haben wir mit Alfred und Hauke im Vorfeld besprochen, dass wir keine Klüngelwirtschaft haben wollen. Jeder wird an seiner Leistung gemessen. Aber natürlich ist es in der Kommunikation hier und da leichter, wenn man sich gut kennt.



Zum Schluss noch mal zurück zu den sechs verlorenen Finalserien. Wie sehr nagt das an Ihnen?


Furchner: Ich habe viele Jahre gesagt, dass es nicht an mir nagt. Das war auch so, weil ich das realistisch einzuschätzen wusste. Mit Wolfsburg waren wir eben immer der Außenseiter. Ein bisschen anders war es natürlich mit den Kölner Haien. Da waren wir in meinem ersten Jahr gegen Krefeld der klare Favorit. Ja klar, ich hätte gerne einen Titel gewonnen. Ich kann deshalb schlafen, so ist es nicht. Aber gerade jetzt, bei den Rückblicken zu 30 Jahren Deutsche Eishockey-Liga, da weißt du, wenn Berlin oder München den Pokal hochhalten: Auf der anderen Seite stand ich. Dann kommt schon mal die Frage, ob man nicht noch ein bisschen besser hätte spielen können. Aber ich weiß, ich habe alles auf dem Eis gelassen und es einfach nicht geschafft, mit meinen Teams den Titel zu holen. Ich bin fein damit, aber schade ist es halt schon (lacht).

Wenn Sie es nun mit Bremerhaven schaffen würden, würde Sie das ein Stück weit entschädigen.

Furchner: Ich gehe so weit und sage: Wenn man ganz objektiv draufschaut, wäre es wohl die größte Überraschung in der DEL-Geschichte. Auf der anderen Seite waren wir Erster nach der Hauptrunde. So, wie die Mannschaft sich präsentiert hat über die letzten Monate, wäre es am Ende dann doch keine Riesenüberraschung.