Trapattonis Wutrede wird 20: Hörwick enthüllt die ganze Wahrheit hinter dem Kult-Auftritt

09.03.2018 | Stand 19.09.2023, 0:20 Uhr

In jedem Fall emotional: Giovanni Trapattoni prägte den FC Bayern in den späten 1990er Jahren. Seine Wutrede ist legendär. − Fotos: dpa

Selbst Jupp Heynckes muss noch heute über die legendäre Wutrede von Giovanni Trapattoni schmunzeln. "Was erlauben Struuunz?", erinnerte der aktuelle Trainer des FC Bayern München dieser Tage an den Mann, der vor 20 Jahre für ein unvergessliches Stück Bundesliga-Geschichte sorgte. Am 10. März 1998 redete sich der damalige Bayern-Coach in Rage. Aussagen wie "Was erlauben Strunz?", "Ein Trainer ist nicht ein Idiot!", "schwach wie eine Flasche leer!" oder "Ich habe fertig" haben seitdem Kultstatus.

"Da hat man gesehen, dass es für einen Trainer, wenn er in ein anderes Land geht oder eine neue Sprache sprechen muss, wahnsinnig schwierig ist. Deswegen ist das sicher auch entstanden", analysierte der 72-jährige Heynckes. "Das war nicht superlustig, das war genial." Trapattonis Auftritt im Pressestüberl an der Säbener Straße ist berühmt, die Geschichten im Hintergrund sind es nicht ganz so. Des Trainers Ärger hatte wenige Tage zuvor nach dem 0:1 auswärts gegen den FC Schalke begonnen. Die Nationalspieler Mehmet Scholl, Mario Basler und Thomas Strunz hatten öffentlich die Aufstellung und die Taktik kritisiert, was den "Mister" empörte. "Beim Abendessen gegen Mitternacht hat er den Frust mit derselben Leidenschaft und im selben Stil wie bei der Rede rausgelassen. Mit einem Unterschied: Die Flasche war nicht leer, sondern voll", sagte der langjährige Mediendirektor des FC Bayern, Markus Hörwick, "und die Flasche ist umgekippt und hat Uli Hoeneß voll erwischt. Er war von oben bis unten mit Rotwein voll".



Nach der Rückreise nach München zog sich Trapattoni dann ein paar Tage in sein Mailänder Domizil zu seiner Frau zurück. "Dann kam der Dienstag", erinnerte sich Hörwick, "und ich hatte so ein komisches Gefühl im Bauch". Dreimal rief Hörwick den Trainer im Auto auf dem Weg von Mailand nach München an, dreimal blieb Trapattoni ruhig. Erst als der Coach kurz vor der Pressekonferenz statt des einen üblichen Spickzettels "sieben, acht Blätter" aus seiner Sakkotasche hervorholte, war Hörwick klar: Das Bauchgefühl war richtig.

Einmal in Fahrt war Trapattoni nicht zu stoppen: Nachdem der einstige Milan-Spieler nach gut drei Minuten den Presseraum verlassen hatte, und von Hörwick in die Trainerkabine gezogen worden war, wollte Trapattoni zurück. Er habe noch etwas vergessen. Hörwick versprach, nachzusehen, ob die Journalisten überhaupt noch da seien. Beim Blick in den Presseraum erlebte der heute 61-Jährige dann "einen Zustand, den ich in 30 Jahren Bayern München nie wieder erlebt habe". Dem Trainer verriet er nichts von den Journalisten, die ihren Redaktionen das Topthema des Tages ankündigten. "Giovanni, tut mir leid, die sind alle schon weg", sagte Hörwick diesem nur.

Trapattoni selbst lacht längst über die Wutrede. "Aus der Distanz so vieler Jahre muss ich sagen, dieser Wutausbruch wurde so bekannt und so oft mit meinem Namen assoziiert, dass ich mich heute darüber amüsiere", verriet er in seiner Autobiografie mit dem Titel "Ich habe noch nicht fertig". Gegenüber der "SportBild" räumte er aber jetzt auch ein, dass ihm die Rede "geschadet" habe. "Es war das Ende meiner Zeit als Bayern-Trainer." Zwei Tage habe er nach den Reibereien mit Strunz und Scholl ("der wusste alles besser") an der Rede geschrieben, "dann brach alles aus mir raus. Trotzdem liebe ich immer noch diese Mannschaft, diese Spieler."

Seit seinem Aus als irischer Nationalcoach 2013 ist Trapattoni ohne Trainerjob. Angebote, etwa aus China oder der Elfenbeinküste, lehnte der 78-Jährige nach eigenen Angaben aus Rücksicht auf seine Frau ab. "Ich mag diese Frau zu gerne, um sie noch einmal alleine zu lassen", sagte er.